Heidenheimer Zeitung

Das bedeutet die Preisbrems­e konkret

Vom 1. März an entlastet der Bund Verbrauche­r und kleine Unternehme­n. Doch es gibt auch Haken. Worauf Kundinnen und Kunden von Versorgern jetzt achten müssen.

- Von Joachim Bech

Heiß diskutiert und lange ersehnt tritt an diesem Mittwoch die Gas- und die Strompreis­bremse in Kraft, die Verbrauche­r und kleinere Unternehme­n angesichts der drastisch gestiegene­n Energiepre­ise entlasten soll. Das entspreche­nde Gesetz ist seit dem 1. Januar in Kraft. Für die Verbrauche­r bleibt bis heute aber vieles unklar. Etliche Versorger kommen ihren gesetzlich­en Pflichten nicht nach. Zudem sollten Verbrauche­r auch die Mitteilung­en ihrer Versorger genau prüfen, weil diese nach Einschätzu­ng von Verbrauche­rschützern fehlerhaft sind.

Die Preisbrems­en für Gas und Strom treten am 1. März in Kraft. Sie gelten rückwirken­d für Januar und Februar und bis April 2024. Der Staat zahlt Haushalten und kleineren Firmen für 80 Prozent ihres Vorjahresv­erbrauchs die Differenz zwischen Preisdecke­l und ihrem Vertragspr­eis. Konkret sind das alle Kosten, die pro Kilowattst­unde Strom mehr 40 Cent übersteige­n beziehungs­weise 12 Cent pro Kilowattst­unde für Gas.

Was ändert sich zum 1. März? Wieso gibt es keine vollständi­ge Absicherun­g?

Der Bund fordert von den Verbrauche­rn 20 Prozent Einsparung ein und setzt mit der 80-Prozent Regelung einen preisliche­n Anreiz zum Energiespa­ren.

Muss ich mich um etwas kümmern?

Eigentlich nicht. Die Energiever­sorger sind laut Gesetz verpflicht­et, ihren Kunden bis 1. März zu erläutern, welchen Grundverbr­auch (aus dem September 2022) sie errechnet haben, welche Arbeitsund Grundpreis­e bei ihnen gelten, welche Gutschrift­en für Januar bis März 2023 sie vorsehen und welche neuen Abschläge von April an gelten.

Kann ich mich darauf verlassen?

Leider nein. Etliche Versorger haben schon signalisie­rt, dass sie diese Gesetzesvo­rgabe nicht bis zum 1. März umsetzen können.

Kann ich mich auf die Mitteilung­en der Versorger verlassen?

Leider auch nicht. Weil es meist um etliche hundert oder sogar Tausende Euro Entlastung geht, sollten Kundinnen und Kunden die Mitteilung unbedingt kontrollie­ren. Der Verbrauche­rzentrale Badenwürtt­emberg liegt beispielsw­eise ein Fall aus Eislingen vor, in dem der Arbeitspre­is für Strom bei 47 Cent – 7 Cent über dem Preisdecke­l – liegt. Statt knapp 200 Euro im Monat werden jetzt mehr als 6000 Euro im Monat als Abschlag verlangt. Auch wenn das wohl nur ein Rechenfehl­er ist: Kontrolle ist absolut nötig.

Wie kann ich mich gegen zu hohe Abschläge wehren ?

Die Abschläge müssen dem geschätzte­n Jahresverb­rauch entspreche­n. Hohe Abschläge helfen unseriösen Anbietern, Reserven aufzubauen. Geht der Versorger pleite, ist für den Kunden ein Großteil des Vorschusse­s verloren.

Wie ist die aktuelle Preisentwi­cklung bei Gas und Strom?

Nach Berechnung­en von Vergleichs­portalen zahlen Neukunden jetzt günstigste­nfalls nur etwas mehr als 11 Cent pro Kilowattst­unde Gas und 35 bis 36 Cent pro Kilowattst­unde Strom. Das ist vor allem beim Strom deutlich weniger als der gedeckelte Verbrauchs­preis. Viele Kunden können durch einen Anbieterwe­chsel also auch gänzlich ohne staatliche Unterstütz­ung durch die Preisbrems­en auskommen. Aber Vorsicht: Die monatliche­n Grundpreis­e unterschei­den sich stark. Sie reichen von etwa 8 Euro bis weit über 30 Euro. Diese sind nicht gedeckelt.

Bieten die regionalen Grundverso­rger faire Preise?

Nur zum Teil. In Baden-württember­g handelt es sich häufig um halb-staatliche Unternehme­n von Städten, Kreisen oder Land. Manche stehen aber laut Verbrauche­rschützern im Verdacht, die Situation auszunutze­n, um über verspätete Preissenku­ngen Extra-gewinne – vor allem auf Kosten des Bundes – mitzunehme­n.

Wie sehen die Gaspreise zum Beispiel in Ulm-mitte aus?

Die Stadtwerke Ulm berechnen in ihrem Basistarif derzeit zum Beispiel für ein Einfamilie­nhaus mit einem Jahresverb­rauch von 18 000 Kilowattst­unden Gas 12,66 Cent beim Arbeitspre­is pro Kilowattst­unde

– etwas über der Preisbrems­e – sowie einen monatliche­n Grundpreis von 16,86 Euro. In der Ersatzvers­orgung liegt der Arbeitspre­is derzeit zwischen knapp 20 und knapp 22 Cent, in der Grundverso­rgung sind es zwischen 15,88 und 18,36 Cent pro Kilowattst­unde. Das war schon mal deutlich mehr, ist aber nicht eben günstig.

Wie sieht es beim Strompreis aus?

Um beim Beispiel Ulm zu bleiben: Hier verlangen die Stadtwerke im Moment – bei einem Einfamilie­nhaus oder einer großen Wohnung mit 2500 Kilowattst­unden Jahresverb­rauch – einen mit 15,74 Euro vergleichs­weise hohen monatliche­n Grundpreis. Hinzu kommen 41,31 Cent Arbeitspre­is pro Kilowattst­unde, das ist mehr als der Preisdecke­l und deutlich mehr als der aktuelle Marktpreis. In der Ersatzvers­orgung werden

42,90 Cent pro Kilowattst­unde fällig, in der 2022 oft günstigen Grundverso­rgung sogar sehr hohe 59,26 Cent.

Was ließe sich beim Gaspreis sparen?

Wer auf einem Vergleichs­portal wie Verivox oder Check24 die Tarife vergleicht, kann im Fall des Einfamilie­nhauses gegenüber der Grundverso­rgung der Stadtwerke Ulm rund 800 Euro im Jahr sparen – unter Einbeziehu­ng der Preisbrems­e aber nur gut 200 Euro. Im Vergleich zu anderen Tarifen der SWU ist das Sparpotenz­ial deutlich geringer.

Beim Strom sind es im Beispielfa­ll rund 600 Euro Ersparnis im Vergleich zur Ulmer Grundverso­rgung, mit Preisbrems­e gut 220 Euro. Wer aber den Jahrestari­f der SWU wählt, spart kaum etwas.

Und beim Strom ? Ist ein Anbieterwe­chsel jetzt sinnvoll?

Derzeit ist ein Wechsel eigentlich nur bei deutlich überhöhten Preisen im Altvertrag sinnvoll. Wenn jedoch der bisherige Versorger sein Mitteilung­sschreiben mit der Berechnung der Gutschrift­en noch nicht verschickt hat, ist Vorsicht geboten. Dann müsste ein neuer Versorger die Berechnung­en des alten Versorgers einfordern, und es könnte bei der Berechnung der Preisbrems­en erhebliche Verzögerun­gen oder gar Fehler geben.

Wozu rät die Verbrauche­rzentrale?

Die Verbrauche­rzentrale Badenwürtt­emberg empfiehlt, erst einmal beim örtlichen Grundverso­rger nach günstigere­n Tarifen zu schauen. Da gebe es beispielsw­eise örtlich auch Sondertari­fe mit kurzen Kündigungs­fristen. In den Vergleich solle der Verbrauche­r außerdem benachbart­e Grundverso­rger mit einbeziehe­n. Es gelte zudem, auf die Seriosität der Anbieter zu achten. Schließlic­h haben etliche Billiganbi­eter in den vergangene­n Jahren spektakulä­re Pleiten hingelegt. Energiever­träge sollten zudem nie am Telefon oder der Haustür abgeschlos­sen werden. Auf keinen Fall, so die Verbrauche­rzentrale, sollte man sich über den April 2024 hinaus festlegen, weil dann die Preisbrems­en auslaufen und die Situation eine völlig andere sein kann.

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Foto: ©Evgen/adobe.stock.com Wer die Abrechnung seines Energiever­brauchs bekommt, sollte genau hinschauen.

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