Richtige Ambitionen
Zwei deutsche Ministerinnen legen nun Papiere vor, in denen die feministische Politik ihrer Häuser beschrieben wird. Es geht um die Bereiche Auswärtige Beziehungen und Entwicklungszusammenarbeit. Auf vielen Dutzend Seiten finden sich Vorhaben, Bekenntnisse und Ansprüche. Und schon hakt es. Denn die Welt schert sich nur bedingt um die emanzipatorischen Bemühungen, die in hiesigen Ministerinnenbüros niedergeschrieben wurden. In dieser Welt werden Frauen unterdrückt, ausgebeutet, erniedrigt, vergewaltigt und ermordet.
Das Patriarchat dominiert und gegen die Ambitionen ließe sich einwenden, dass wir nicht einmal hierzulande die Ungleichbehandlung bei der Bezahlung von Frau und Mann oder wenigstens Zwangsverheiratungen oder häusliche Gewalt verhindern. Angesichts dessen könnten die Erwartungen an feministische Außen- und Entwicklungspolitik leicht als Größenwahn gewertet werden.
Aber das wäre kurzschlüssig. Denn was bedeutet diese Politik, die Frauen und Minderheiten in den Blick nimmt, in der Praxis? Sie bedeutet zum Beispiel die Durchsetzung eines Lieferkettengesetzes, das die Ausbeutung von Frauen in Textilfabriken in Bangladesch, Kambodscha oder Indien zumindest verringert. Die Frauen in der Ukraine werden vor den Vergewaltigern aus der Armee des von seiner eigenen Männlichkeit besessenen russischen Präsidenten Putin am besten geschützt, wenn sich die Ukraine verteidigen kann. Im Kongo dagegen rettet man die Frauen, indem die vielen marodierenden Mörderbanden, die sich Rebellen nennen, entwaffnet werden. Frauen brauchen überall in der Welt Zugang zu Eigentum, nicht zuletzt zu Land, zu Technologien, zu Positionen, von denen aus wichtige
Entscheidungen gefällt werden. Es ist richtig, Entwicklungsgeld und außenpolitische Zusammenarbeit daran zu knüpfen – oder an das gleiche Recht auf Nahrungsmittel, auf Wasser, auf Wohnraum, auf sanitäre Anlagen.
Vieles, was die Häuser der Ministerinnen Annalena Baerbock (Grüne) und Svenja Schulze (SPD) aufgeschrieben haben, ist nicht neu. Entwicklungsorganisationen stützen sich schon lange auf die Zusammenarbeit mit Frauen. Die institutionalisierte Diskriminierung, nicht zuletzt in Ländern, in denen die Scharia die Gesetze bestimmt, wird von der deutschen Politik seit Jahr und Tag angeprangert.
Dass Anspruch und Wirklichkeit immer wieder miteinander kollidieren, ist nicht zu verhindern.
Und auch die Grenzen, die deutscher Politik im Ausland gesetzt werden, gibt es nicht erst seit heute. Taliban, Is-schergen, iranische Mullahs, christliche Fundamentalisten in Lateinamerika, Diktatoren in Afrika, aber auch Wirtschaftspartner wie saudi-arabische Prinzen oder Nato-verbündete wie die Erdogan-türkei scheren sich einen Dreck um das gleiche Recht aller Menschen auf Teilhabe und sexuelle Selbstbestimmung.
Doch gerade deshalb ist es wichtig, dem eine feministische Politik entgegenzusetzen. Dass dabei Anspruch und Wirklichkeit immer wieder miteinander kollidieren, ist nicht zu verhindern. Feminismus ist nicht kampflos zu haben. Und es ist ein Kampf, der nicht nur von Frauen geführt werden darf.