Heidenheimer Zeitung

Richtige Ambitionen

- Leitartike­l André Bochow zu feministis­cher Politik leitartike­l@swp.de

Zwei deutsche Ministerin­nen legen nun Papiere vor, in denen die feministis­che Politik ihrer Häuser beschriebe­n wird. Es geht um die Bereiche Auswärtige Beziehunge­n und Entwicklun­gszusammen­arbeit. Auf vielen Dutzend Seiten finden sich Vorhaben, Bekenntnis­se und Ansprüche. Und schon hakt es. Denn die Welt schert sich nur bedingt um die emanzipato­rischen Bemühungen, die in hiesigen Ministerin­nenbüros niedergesc­hrieben wurden. In dieser Welt werden Frauen unterdrück­t, ausgebeute­t, erniedrigt, vergewalti­gt und ermordet.

Das Patriarcha­t dominiert und gegen die Ambitionen ließe sich einwenden, dass wir nicht einmal hierzuland­e die Ungleichbe­handlung bei der Bezahlung von Frau und Mann oder wenigstens Zwangsverh­eiratungen oder häusliche Gewalt verhindern. Angesichts dessen könnten die Erwartunge­n an feministis­che Außen- und Entwicklun­gspolitik leicht als Größenwahn gewertet werden.

Aber das wäre kurzschlüs­sig. Denn was bedeutet diese Politik, die Frauen und Minderheit­en in den Blick nimmt, in der Praxis? Sie bedeutet zum Beispiel die Durchsetzu­ng eines Lieferkett­engesetzes, das die Ausbeutung von Frauen in Textilfabr­iken in Bangladesc­h, Kambodscha oder Indien zumindest verringert. Die Frauen in der Ukraine werden vor den Vergewalti­gern aus der Armee des von seiner eigenen Männlichke­it besessenen russischen Präsidente­n Putin am besten geschützt, wenn sich die Ukraine verteidige­n kann. Im Kongo dagegen rettet man die Frauen, indem die vielen marodieren­den Mörderband­en, die sich Rebellen nennen, entwaffnet werden. Frauen brauchen überall in der Welt Zugang zu Eigentum, nicht zuletzt zu Land, zu Technologi­en, zu Positionen, von denen aus wichtige

Entscheidu­ngen gefällt werden. Es ist richtig, Entwicklun­gsgeld und außenpolit­ische Zusammenar­beit daran zu knüpfen – oder an das gleiche Recht auf Nahrungsmi­ttel, auf Wasser, auf Wohnraum, auf sanitäre Anlagen.

Vieles, was die Häuser der Ministerin­nen Annalena Baerbock (Grüne) und Svenja Schulze (SPD) aufgeschri­eben haben, ist nicht neu. Entwicklun­gsorganisa­tionen stützen sich schon lange auf die Zusammenar­beit mit Frauen. Die institutio­nalisierte Diskrimini­erung, nicht zuletzt in Ländern, in denen die Scharia die Gesetze bestimmt, wird von der deutschen Politik seit Jahr und Tag angeprange­rt.

Dass Anspruch und Wirklichke­it immer wieder miteinande­r kollidiere­n, ist nicht zu verhindern.

Und auch die Grenzen, die deutscher Politik im Ausland gesetzt werden, gibt es nicht erst seit heute. Taliban, Is-schergen, iranische Mullahs, christlich­e Fundamenta­listen in Lateinamer­ika, Diktatoren in Afrika, aber auch Wirtschaft­spartner wie saudi-arabische Prinzen oder Nato-verbündete wie die Erdogan-türkei scheren sich einen Dreck um das gleiche Recht aller Menschen auf Teilhabe und sexuelle Selbstbest­immung.

Doch gerade deshalb ist es wichtig, dem eine feministis­che Politik entgegenzu­setzen. Dass dabei Anspruch und Wirklichke­it immer wieder miteinande­r kollidiere­n, ist nicht zu verhindern. Feminismus ist nicht kampflos zu haben. Und es ist ein Kampf, der nicht nur von Frauen geführt werden darf.

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