Heidenheimer Zeitung

Lassen sich Klimaschut­z und Renditestr­eben vereinbare­n?

Baden-württember­g will nur noch in nachhaltig­e Finanzanla­gen investiere­n. Was heißt das konkret – und wie sinnvoll ist das geplante Gesetz?

- Von Roland Muschel

An diesem Mittwoch wollen Grüne und CDU im Landtag – möglicherw­eise mit Zustimmung der opposition­ellen SPD – ein „Gesetz für nachhaltig­e Finanzanla­gen in Baden-württember­g“beschließe­n. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Gesetzesvo­rhaben der Landesregi­erung.

Worum geht es?

Neben Sicherheit, Rentabilit­ät und Liquidität soll Nachhaltig­keit die vierte Säule der Finanzanla­gen des Landes werden, Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne) spricht von einem „magischen Viereck“.

Um welches Volumen geht es dabei?

Das Gesetz wirkt sich auf Finanzanla­gen in Höhe von 17 Milliarden Euro aus, der größte Brocken sind Versorgung­sfonds und Versorgung­srücklagen des Landes in Gesamthöhe von 10 Milliarden Euro – also Mittel, die dem Land helfen sollen, die Pensionsko­sten auch langfristi­g zu stemmen.

Wie definiert die Landesregi­erung Nachhaltig­keit in Finanzfrag­en?

Das Land will sich an drei Aspekten orientiere­n: den Nachhaltig­keitsziele­n der Vereinten Nationen, der Eu-taxonomie und dem 1,5-Grad-ziel des Pariser Klimaschut­zabkommens.

Was heißt das konkret?

Weder in Unternehme­n, die Atomenergi­e produziere­n oder gentechisc­h veränderte­s Saatgut, noch in solche, die an der Produktion von Tabak beteiligt sind oder an der von Streumunit­ion, darf das Land Gelder stecken. Das Gesetz schließt auch Finanzanla­gen in Unternehme­n aus, die ein Prozent oder mehr ihrer Einnahmen mit der Exploratio­n, dem Abbau, der Förderung, dem Vertrieb oder der Veredelung von Stein- und Braunkohle erzielen. Bei Erdöl wird die Höchstgren­ze der Einnahmen bei 10 Prozent, bei gasförmige­n fossilen Brennstoff­en bei 50 Prozent gezogen.

Welche Investitio­nen sind noch ausgeschlo­ssen?

Ausgeschlo­ssen sind auch Fonds von Diktaturen oder von als besonders korrupt eingestuft­en Staaten. Auch Fonds von Ländern, die Angriffskr­iege führen oder das Pariser Klimaabkom­men nicht ratifizier­t haben, stehen auf der schwarzen Liste. „Unternehme­n oder Staaten, in die investiert wird, dürfen nicht im Widerspruc­h zu den Werten des Investors – in diesem Fall des Landes Baden-württember­g – stehen“, erklärt Bayaz das Prinzip.

Was ist mit der Rendite?

Die gute Nachricht sei, dass Rendite und Nachhaltig­keit „kein Widerspruc­h“seien, hat die Cduabgeord­nete Sarah Schweizer im Landtag gesagt. Ganz grundsätzl­ich würden Studien weltweit zeigen, dass eine Nachhaltig­keitsstrat­egie zu höheren Renditen führen könne, sagt auch Bayaz. Allerdings, schränkt der Grünenpoli­tiker ein, sei die Frage der Rendite „nicht ganz so einfach zu beantworte­n“, wie es Befürworte­r, aber auch Kritiker gerne hätten. Denn das mit einer nachhaltig­en Anlagenstr­ategie verbundene Reduzieren riskanter Positionen führe perspektiv­isch dazu, dass Renditen sinken könnten – aber das Risiko sinke eben auch.

Beides müsse man ins Verhältnis setzen.

Was sagen die Kritiker?

Das Kriterium Nachhaltig­keit in die Anlagestra­tegie aufzunehme­n ohne die anderen Kriterien wie Rentabilit­ät zu beeinträch­tigen, funktionie­re nicht, sagt der Fdpfinanze­xperte Stephen Brauer. Ähnlich argumentie­rt der Finanzwiss­enschaftle­r Hans-peter Burghof im „Staatsanze­iger“: Es gebe nur zwei Möglichkei­ten: Entweder verfehle die Strategie des Landes das Ziel, die Welt zu verbessern. In diesem Falle fließe das Geld in Fonds, die nur das Gewissen beruhigen. Oder es funktionie­re – zu dem Preis, dass die Anlagen weniger Geld abwerfen.

Woran stören sich Kritiker noch?

In einer Situation, in der Deutschlan­d dringend auf Gasexporte angewiesen sei, sei es „mehr als borniert“, Unternehme­n auf den Index zu setzen, die mit der Exploratio­n und dem Transport von Gas ihr Geld verdienten, sagt Fdp-finanzexpe­rte Brauer. Dasselbe gelte etwa für die Kernenergi­e, die zur Stabilisie­rung des Stromnetze­s gebraucht werde. Der Afd-abgeordnet­e Rainer Podeswa verweist darauf, dass die Atomkraft von der Eu-taxonomie als klimafreun­dliche Investitio­n eingestuft werde. „Das passt den Grünen natürlich nicht.“

 ?? Foto: Marijan Murat/dpa ?? Setzt auf das „magische Viereck“der Anlagestra­tegie: Baden-württember­gs Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne).
Foto: Marijan Murat/dpa Setzt auf das „magische Viereck“der Anlagestra­tegie: Baden-württember­gs Finanzmini­ster Danyal Bayaz (Grüne).

Newspapers in German

Newspapers from Germany