Liebes Zertifikat,
Du bist unser ganzer Stolz geworden. Viel bekommen wir in Deutschland ja nicht mehr auf die Kette. Die Suche nach einem Arzt, der Termine noch in der zu erwartenden Lebenszeit frei hat, ist weniger erfolgsversprechend als Lotto spielen, über Flughäfen reden wird lieber nicht und bevor wir Panzer ausliefern können, muss der neue Verteidigungsminister erst einmal einen Auftrag zur Erfassung selbiger geben. Da wird eine größere Gruppe beschäftigt sein, auf 328 zu zählen ist ja nicht ganz ohne Anspruch.
Aber wenn wir noch eines können, dann Bürokratie! Richtlinien, Dokumentationen, Zertifikate – das ist unsere Welt. Da blühen wir auf, da kann die Welt noch was von uns lernen. Wir zertifizieren inzwischen alles und jeden, der bei drei nicht auf dem Baum ist, sogar ganze Wohnorte.
So zum Beispiel Königsbronn, das kürzlich von der Industrieund Handelskammer ausgezeichneter Wohnort für Fach- und Führungskräfte zertifiziert wurde. Dabei punktete die Gemeinde unter anderem bei den Betreuungsangeboten für Kinder, der Lebensqualität vor Ort und dem Punkt „wie leicht ist ein Zuzug“. Offenbar, ist die Anreise über den gefürchteten TöbelePass doch nicht so schwierig und die Königsbronner Zöllner sind weniger hartherzig als in anderen Orten.
Nun hat die Gemeinde am Brenzursprung unbestritten ihre Stärken, aber ohne Zertifikat sind die eben nichts wert. Und bekanntermaßen orientiert sich bei einem Umzug auch jeder an Ihkzertifikaten.
Der Stolz auf so ein Formular bringt uns auf eine Idee. Bedarf nicht auch diese Rubrik dringend eines Audits? Die Kernfragen lauten: Ist dieses Ungelesen von lokalem Interesse? Wie leicht lässt es sich lesen? Welche Erkenntnisse können die Leserinnen und Leser daraus ziehen? Wie hoch ist die Anzahl der Fehler und an welcher Stelle punktet das Ungelesen mit Witz?
Was meinst Du, liebes Zertifikat, erreichen wir jeweils die nötigen 84 Punkte? Ach, Du zertifizierst das ja eh nicht.