Üppiges Gewächshaus
Die Kunsthalle München zeigt eine überwältigend bunte, aber auch sehr ertragreiche Ausstellung über Blumen in Kunst und Kultur.
Noch immer winterlicher Frost, eisiger Wind, es sind unwirtliche Zeiten. Schnell rein also in die Kunsthalle München, aber nicht nur zum Aufwärmen: Dort blüht es überwältigend bunt. „Flowers Forever“heißt eine faszinierende Ausstellung – es soll überhaupt die erste sein, sagen die Kuratoren, die sich der Kunst- und Kulturgeschichte der Blume vom Altertum bis heute widmet. Und zwar mit Gemälden, Skulpturen, Fotografien, mit Design, Mode oder interaktiven Installationen.
Wie exklusiv nun diese Schau tatsächlich ist – egal, der Parcours führt regelrecht durch ein üppig bestücktes Gewächshaus: die Rolle der Blume in Kunst und Wissenschaft, in Mythologie und Religion sowie in Literatur, Politik, Ökonomie und Ökologie. Gelegentlich verliert man den Überblick, auch weil sich Besucher in den Räumen tummeln wie auf den floralen Volksfestanlagen einer Bundesgartenschau am Sonntagnachmittag.
Ein begehbarer Blütenkelch aus 100 000 Blumen.
Man sieht, man lernt – und am Ende staunt man verzaubert: Die britische Künstlerin Rebecca Louise Law hat mit vielen freiwiligen Helfern weit über 100 000 Blumen gesammelt, getrocknet und mit Draht zu ihrer Installation „Calyx“verbunden: tatsächlich einem begehbaren Blütenkelch. Eine Arbeit, die den bewussten, nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen in den Fokus rücken will, denn die zur Kunst verwachsenen Blumen wären sonst weggeworfen worden. Ein Erlebnis, in diesen überdimensionalen Blütenkelch einzutauchen. Und, ja, es duftet dort, wunderbar.
Blumen in aller Vielfalt, unüberschaubar und en detail. Blumen als Handelsware, auch das ist zum Beispiel ein Thema in dieser Ausstellung. Tulpen aus Holland? Das Liliengewächs kam über die Türkei und den Botaniker Carolus Clusius in die Niederlande und avancierte zum exotischen Luxus der Superreichen. Tulpen wurden im frühen 17. Jahrhundert in Amsterdam wie Aktien gehandelt, in der „Tulpenmanie“war eine Tulpenzwiebel so viel wert wie ein ganzes Haus – bis 1637 die Spekulationsblase platzte. Davon erzählen zeitgenössische Gemälde: Jan Brueghel der Jüngere malte 1640 eine „Satire auf die Tulpenmanie“mit Affen, die mit den Zwiebeln handeln.
Mythologie, Glaube, Religion – noch so ein nie verwelkendes Thema. Die Rose zum Beispiel: Bei den alten Griechen war sie mit der Göttin Venus assoziiert, weshalb sich das frühe Christentum mit einem Blumenverbot gegen heidnische Religionen abgrenzte. Aber das änderte sich, die Rose steht für die Passion Christi, auch für die Jungfrau Ma
ria. Der Islam wiederum feiert mit der Rose die Vollkommenheit der Schöpfung – es heißt, dass der Prophet nach Rosen duftete. „Die Idee des Paradieses als blühender Garten verbindet Christentum und Islam“, erklären die Kuratoren. Und weil Blumen verblühen, sich aber auch fortpflanzen mit Samen oder Zwiebel, dienen sie als Symbole für den ewigen Kreislauf des Lebens.
Im viktorianischen England war es besonders populär, sich mit der symbolischen Bedeutung von Blumen zu beschäftigen. Dante Gabriel Rossettis „Venus Verticordia“etwa ist geradezu ein romantisches Bilderrätsel, denn der Maler kreuzt die antike Mythologie mit christlichen Zeichen. Seine Venus ist eingebettet in Rosen, die Lust und Liebe symbolisieren, aber ihr Haupt umfasst ein Heiligenschein.
So verlassen die Besucher – um im Bild zu bleiben – die Ausstellung mit einem riesigen Strauß an Eindrücken. Und Mitte März geht‘s wieder in die Natur, in die Gärten, die Blumenläden. Dann eröffnet die Kunsthalle Würth in Schwäbisch Hall die Ausstellung „Rosenrot, Grasgrün, Quittengelb – Pflanzengeheimnisse in der Sammlung Würth“.