Wider die Ideologie
Autofahrer haben es nicht leicht heutzutage. Fast 50 Millionen Pkw gibt es hierzulande, fast jede Familie besitzt mindestens ein Auto. Dennoch ist wohl kaum ein Objekt derart in Verruf geraten wie das Automobil, das zum Klimakiller, Luftverpester oder gar zur Mörderwaffe umgedeutet wurde. Nach Ansicht Vieler gehört es schlichtweg abgeschafft. Dabei ist das Auto eine der schönsten Erfindungen der Menschheit.
Wer auf dem Land aufgewachsen ist, erinnert sich sein Leben lang an den Zugewinn an Lebensqualität und Unabhängigkeit, den der Führerschein mit sich bringt. Egal, ob es zum See, in die Berge oder quer durch Europa ging – das Gefühl der plötzlichen Freiheit auf vier Rädern bleibt unvergessen. Nicht ohne Grund locken Roadmovies die Menschen zuverlässig ins Kino. Von Radfahrfilmen kann man das wohl eher nicht behaupten.
Natürlich muss der öffentliche Nahverkehr verbessert werden. Wer jedoch glaubt, jedes Dorf könnte in Zukunft so angebunden werden, dass ein eigenes Auto unnötig wird, ist ein Utopist. Selbst in grün-geführten Bundesländern ist oft das Gegenteil zu beobachten: Busverbindungen werden eingestellt, weil sie sich nicht lohnen. Volkswirtschaftlich ist die Mobilitätswende auf dem Land unrealistisch.
Selbst in Städten, in denen ein Auto nicht zwingend nötig ist, entscheiden sich viele Menschen jeden Tag für das eigene Fahrzeug – und gegen Bus, Bahn oder Fahrrad. Das hat nicht nur mit Zeitvorteilen zu tun, die das Auto trotz Stau noch immer bietet. Verglichen mit dem Aufenthalt neben oft lauten, gerne essenden, manchmal riechenden Mitmenschen ist das Auto ein erholsamer Safe Space, der vor den Zumutungen des Pendler-alltags schützt. Stattdessen mit Kindern an unansehnlichen, zugigen Bahnhöfen auf die verspätete Bahn warten, während man sich den Bahnsteig in mancher Großstadt-ecke auch noch mit Drogensüchtigen teilt? Den Wocheneinkauf mit Lastenrad bei Regen erledigen? Nein, danke.
Die Verfechter der Verkehrswende wissen natürlich, dass die meisten Menschen so denken. Wie im Sozialismus ist auch in der real existierenden Energiewende der selbstlose Mensch eine Wunschvorstellung. Es gilt deswegen, ihm das Leben so schwer wie möglich zu machen, indem man Parkplätze abschafft oder
Dass die FDP Tempo 30 innerorts verhindert, ist eine verquere Form der Freiheitsverteidigung.
sie verteuert. Dabei spricht grundsätzlich nichts gegen mehr verkehrsberuhigte, begrünte Zonen. Städte sollten für Menschen, nicht für Autos konzipiert sein. Tempo 30 innerorts ist deswegen längst überfällig. Dass die FDP dies verhindert, ist eine verquere Form der Freiheitsverteidigung.
Deutschland sollte jedoch nicht den Fehler machen, die eine Ideologie mit der anderen abzulösen. Handwerker, Pfleger oder Feuerwehrleute, die von einer Großverdiener-elite aus der Innenstadt rausgentrifiziert wurden, sollten für deren Büllerbü-träume nicht mit noch mehr Zeit- und Komforteinbußen bezahlen müssen, während sie die Dienstleistungen für die Städter verrichten. Konzepte für ein vernünftiges Miteinander müssen her – aber mit Augenmaß.