Warum bleiben?
Gründe, die katholische Kirche zu verlassen, gibt es zuhauf – erst recht für Frauen. Viele bleiben aber trotzdem. Was treibt sie an? Was erhoffen sie sich?
Missbrauch, Vertuschung oder der Ausschluss von Frauen: Gründe, um die katholische Kirche zu verlassen, gibt es viele. Seit Jahren kennt die Zahl der Menschen, die den Kirchen in Deutschland, vor allem aber der katholischen Kirche, den Rücken kehren, nur eine Richtung: Steil nach oben. Aber warum entscheiden sich gerade Frauen dafür, in der Kirche zu bleiben? Darüber sprachen beim Forum der SÜDWEST PRESSE im Ulmer Stadthaus die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan und Swp-redakteurin Elisabeth Zoll, die das Buch „Wir bleiben“herausgegeben hat. Darin beschreiben Frauen, warum sie die katholische Kirche – trotz allem – nicht verlassen.
Wenn sich jemand sowohl mit dem Glauben als auch mit der katholischen Kirche als Institution auskennt, dann ist es Annette Schavan. Die Cdu-politikerin saß viele Jahre im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZDK) und war von 2014 bis 2018 Botschafterin Deutschlands im Vatikanstaat. Es gebe viele Gründe, die Kirche zu verlassen, gibt auch Schavan zu. „Es liegt aber in der Luft, dass vieles ganz anders werden könnte, als es jetzt ist.“Ihr rheinisches Naturell helfe ihr, nicht an der Kirche zu verzweifeln und hoffnungsvoll zu bleiben: „Wenn man den Eindruck hat, dass gerade alles umkippt, wissen wir Rheinländer, dass es auch einen Tag danach gibt.“
Gerade als Politikerin habe sie auch viele Konflikte mit der Kirche
gehabt, etwa in der Frage der Stammzellforschung. Was hat ihr in diesen Situationen geholfen? „Manchmal hilft auch ein Schritt zurück: Ich habe mir immer gesagt, das ist jetzt die Haltung des kirchlichen Bodenpersonals. Meinen eigenen Weg mit Gott betrifft das nicht“, sagt Schavan. Zudem sei es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die Kirche auch eine politische Institution sei, in der ähnliche Prozesse abliefen wie in der Politik.
So zum Beispiel beim „Synodalen Weg“, bei dem Bischöfe und Laien über Reformen in der katholischen Kirche diskutieren. Kommende Woche soll der Prozess zu einem vorläufigen Ende kommen, vor allem mit konservativen Bischöfen deutet sich ein massiver Konflikt an. Schavan bleibt aber trotz der Verschärfung der Tonlage entspannt. „Was gerade passiert, ist vergleichbar mit vielen politischen Prozessen“, erklärt die ehemalige Ministerin. Nach einer anfänglichen Aufbruchsstimmung gehe es nun um das harte Ringen um inhaltliche Positionen.
Kein Verständnis hat Schavan allerdings für konservative Bischöfe, die jetzt um Rückendeckung aus Rom bäten, weil sie Ihre Positionen nicht durchsetzen können. „Das ärgert mich rasend, weil es so viel Eskalation reinbringt und die Konfliktunfähigkeit in Deutschland zeigt.“
Neben Schavan kommen in Elisabeth Zolls Buch „Wir bleiben“auch 17 weitere Frauen aus Politik, Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft zu Wort. Bei allen nimmt Zoll eine positive Verbindung zur Kirche wahr: „Alle haben in ihrer Jugend und Kindheit die Kirche als etwas Tragendes erfahren“, sagt die Journalistin. Unterschiedlich, je nach Generation, sei aber die Länge des Geduldsfadens. „Bei den Älteren ist der etwas länger, weil die schon mehr durchgestanden und einen Weg gefunden haben, damit umzugehen“, erklärt sie. Die Jüngeren seien da ungeduldiger, wollen schneller Ergebnisse. „Sie wollen, dass die Veränderungen schon noch in einer Zeit kommen, die sie auch noch aktiv erleben.“
Aber wie könnten Reformen aussehen, und wann könnten Sie kommen? Natürlich müssten der Papst und die Bischöfe zu einer Erneuerung beitragen, sagt Schavan. Es brauche aber auch mehr Offenheit innerhalb der Gemeinden. „Die Laien sind oft nicht viel progressiver als die Priester“, sagt sie. Das gehöre zur Ehrlichkeit dazu. Und sie plädiert für etwas Geduld. „Dieser Papst wird die Frauenweihe nicht mehr zulassen“, erklärt die ehemalige Diplomatin. Er habe aber progressive Personalentscheidungen im Vatikan getroffen, die langfristige Auswirkungen haben könnten: „Im nächsten Pontifikat wird manches von dem, was wir heute diskutieren, realisiert werden“, prognostiziert Schavan.
Elisabeth Zoll plädiert dafür, den Druck auf die Kirche weiter hochzuhalten. „Der Druck steigt aber nicht, indem alle, die Veränderung wollen, gehen“, sagt sie. Gleichzeitig müsse man aber auch realistisch bleiben: „Die große Reform wird nicht in zwei Wochen verkündet werden“, sagt sie. Es sei aber interessant, worüber nun diskutiert werde, etwa über die Öffnung der Sakramente für Frauen. Die könnten dann Sterbenden, die sie begleiten, auch die Sterbesakramente spenden – und müssten nicht in letzter Minute noch einen Priester rufen. „Solche Debatten halte ich für zukunftsweisender, als ständig beim Thema Frauenpriestertum mit dem Kopf an eine Wand zu schlagen.“
Es liegt in der Luft, dass vieles ganz anders werden könnte, als es jetzt ist. Annette Schavan (CDU) ehemalige Bundesbildungsministerin