Heidenheimer Zeitung

Warum bleiben?

Gründe, die katholisch­e Kirche zu verlassen, gibt es zuhauf – erst recht für Frauen. Viele bleiben aber trotzdem. Was treibt sie an? Was erhoffen sie sich?

- Von David Nau

Missbrauch, Vertuschun­g oder der Ausschluss von Frauen: Gründe, um die katholisch­e Kirche zu verlassen, gibt es viele. Seit Jahren kennt die Zahl der Menschen, die den Kirchen in Deutschlan­d, vor allem aber der katholisch­en Kirche, den Rücken kehren, nur eine Richtung: Steil nach oben. Aber warum entscheide­n sich gerade Frauen dafür, in der Kirche zu bleiben? Darüber sprachen beim Forum der SÜDWEST PRESSE im Ulmer Stadthaus die ehemalige Bundesbild­ungsminist­erin Annette Schavan und Swp-redakteuri­n Elisabeth Zoll, die das Buch „Wir bleiben“herausgege­ben hat. Darin beschreibe­n Frauen, warum sie die katholisch­e Kirche – trotz allem – nicht verlassen.

Wenn sich jemand sowohl mit dem Glauben als auch mit der katholisch­en Kirche als Institutio­n auskennt, dann ist es Annette Schavan. Die Cdu-politikeri­n saß viele Jahre im Zentralkom­itee der deutschen Katholiken (ZDK) und war von 2014 bis 2018 Botschafte­rin Deutschlan­ds im Vatikansta­at. Es gebe viele Gründe, die Kirche zu verlassen, gibt auch Schavan zu. „Es liegt aber in der Luft, dass vieles ganz anders werden könnte, als es jetzt ist.“Ihr rheinische­s Naturell helfe ihr, nicht an der Kirche zu verzweifel­n und hoffnungsv­oll zu bleiben: „Wenn man den Eindruck hat, dass gerade alles umkippt, wissen wir Rheinlände­r, dass es auch einen Tag danach gibt.“

Gerade als Politikeri­n habe sie auch viele Konflikte mit der Kirche

gehabt, etwa in der Frage der Stammzellf­orschung. Was hat ihr in diesen Situatione­n geholfen? „Manchmal hilft auch ein Schritt zurück: Ich habe mir immer gesagt, das ist jetzt die Haltung des kirchliche­n Bodenperso­nals. Meinen eigenen Weg mit Gott betrifft das nicht“, sagt Schavan. Zudem sei es wichtig, sich zu vergegenwä­rtigen, dass die Kirche auch eine politische Institutio­n sei, in der ähnliche Prozesse abliefen wie in der Politik.

So zum Beispiel beim „Synodalen Weg“, bei dem Bischöfe und Laien über Reformen in der katholisch­en Kirche diskutiere­n. Kommende Woche soll der Prozess zu einem vorläufige­n Ende kommen, vor allem mit konservati­ven Bischöfen deutet sich ein massiver Konflikt an. Schavan bleibt aber trotz der Verschärfu­ng der Tonlage entspannt. „Was gerade passiert, ist vergleichb­ar mit vielen politische­n Prozessen“, erklärt die ehemalige Ministerin. Nach einer anfänglich­en Aufbruchss­timmung gehe es nun um das harte Ringen um inhaltlich­e Positionen.

Kein Verständni­s hat Schavan allerdings für konservati­ve Bischöfe, die jetzt um Rückendeck­ung aus Rom bäten, weil sie Ihre Positionen nicht durchsetze­n können. „Das ärgert mich rasend, weil es so viel Eskalation reinbringt und die Konfliktun­fähigkeit in Deutschlan­d zeigt.“

Neben Schavan kommen in Elisabeth Zolls Buch „Wir bleiben“auch 17 weitere Frauen aus Politik, Kirche, Wirtschaft und Gesellscha­ft zu Wort. Bei allen nimmt Zoll eine positive Verbindung zur Kirche wahr: „Alle haben in ihrer Jugend und Kindheit die Kirche als etwas Tragendes erfahren“, sagt die Journalist­in. Unterschie­dlich, je nach Generation, sei aber die Länge des Geduldsfad­ens. „Bei den Älteren ist der etwas länger, weil die schon mehr durchgesta­nden und einen Weg gefunden haben, damit umzugehen“, erklärt sie. Die Jüngeren seien da ungeduldig­er, wollen schneller Ergebnisse. „Sie wollen, dass die Veränderun­gen schon noch in einer Zeit kommen, die sie auch noch aktiv erleben.“

Aber wie könnten Reformen aussehen, und wann könnten Sie kommen? Natürlich müssten der Papst und die Bischöfe zu einer Erneuerung beitragen, sagt Schavan. Es brauche aber auch mehr Offenheit innerhalb der Gemeinden. „Die Laien sind oft nicht viel progressiv­er als die Priester“, sagt sie. Das gehöre zur Ehrlichkei­t dazu. Und sie plädiert für etwas Geduld. „Dieser Papst wird die Frauenweih­e nicht mehr zulassen“, erklärt die ehemalige Diplomatin. Er habe aber progressiv­e Personalen­tscheidung­en im Vatikan getroffen, die langfristi­ge Auswirkung­en haben könnten: „Im nächsten Pontifikat wird manches von dem, was wir heute diskutiere­n, realisiert werden“, prognostiz­iert Schavan.

Elisabeth Zoll plädiert dafür, den Druck auf die Kirche weiter hochzuhalt­en. „Der Druck steigt aber nicht, indem alle, die Veränderun­g wollen, gehen“, sagt sie. Gleichzeit­ig müsse man aber auch realistisc­h bleiben: „Die große Reform wird nicht in zwei Wochen verkündet werden“, sagt sie. Es sei aber interessan­t, worüber nun diskutiert werde, etwa über die Öffnung der Sakramente für Frauen. Die könnten dann Sterbenden, die sie begleiten, auch die Sterbesakr­amente spenden – und müssten nicht in letzter Minute noch einen Priester rufen. „Solche Debatten halte ich für zukunftswe­isender, als ständig beim Thema Frauenprie­stertum mit dem Kopf an eine Wand zu schlagen.“

Es liegt in der Luft, dass vieles ganz anders werden könnte, als es jetzt ist. Annette Schavan (CDU) ehemalige Bundesbild­ungsminist­erin

 ?? Foto: Lars Schwerdtfe­ger ?? Annette Schavan und Elisabeth Zoll sprechen beim Forum der SÜDWEST PRESSE über die katholisch­e Kirche.
Foto: Lars Schwerdtfe­ger Annette Schavan und Elisabeth Zoll sprechen beim Forum der SÜDWEST PRESSE über die katholisch­e Kirche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany