Nachbarn mit Nachholbedarf
Knisternde Spannung liegt überm Derby zwischen dem TVB Stuttgart und Frisch Auf Göppingen, die punktgleichen Bundesliga-kellerkinder benötigen Siege.
Das hatten sich beide Seiten vor dem Aufeinandertreffen an diesem Donnerstag um 19.05 Uhr in der Stuttgarter Porschearena ganz anders vorgestellt: Gastgeber TVB Stuttgart wollte mit dem Potenzial der Landeshauptstadt im Rücken in der Handball-bundesliga endlich weiter oben mitspielen, Traditionsklub Frisch Auf Göppingen mit dem namhaften Geldgeber Teamviewer, der auch Manchester United und Mercedes sponsert, erneut weit vorne landen. 13 Spieltage vor dem Saisonende aber stecken beide Vereine mit jeweils 12:30 Punkten als 14. und 15. unten drin.
Beide Seiten rennen ihren Ansprüchen hinterher, beide haben bereits ihre Trainer ausgetauscht – für große Brisanz ist allein dadurch gesorgt. Die Stuttgarter werden gecoacht von den beiden ehemaligen Göppinger Spielern Michael Schweikardt und Felix Lobedank. Schweikardt heimste gleich nach Amtsantritt im Oktober mit einem 25:24-Sieg in Göppingen reichlich Sympathiepunkte ein, räumte aber auch ein: „Beide Teams waren auf einem Niveau und wir am Ende einen Tick glücklicher.“Mittlerweile musste das Team mit den Wurzeln beim TV Bittenfeld im Remstal viele Rückschläge wegstecken, der glückliche 26:25-Erfolg zuletzt beim Bergischen HC sorgte wieder für etwas mehr Ruhe.
Bei Frisch Auf übernahm am 30. November 2007er-weltmeister Markus Baur, der noch immer mit seiner Entlassung beim TVB Stuttgart im Februar 2018 hadert. 5:9 Punkte hat seine Mannschaft seitdem in der Bundesliga geholt, in der European League qualifizierten sich die Göppinger am Dienstagabend mit einem 27:25-Heimsieg über Frankreichs Tabellenführer Montpellier HB als punktgleicher Gruppenzweiter hinter den Franzosen für das Achtelfinale, in dem es zu zwei Duellen mit Islands Vertreter Valur Reykjavik kommt.
Die 25:27-Heimniederlage drei Tage zuvor gegen die Rhein-neckar-löwen in der mit 5600 Zuschauern ausverkauften „Hölle Süd“hatte nach einem starken Auftritt die Göppinger Probleme
einmal mehr aufgezeigt. Oft lässt die Chancenverwertung zu wünschen übrig. Auch gegen die Mannheimer ging das Team nach einer 22:20-Führung in der Schlussphase in die Knie. Gegen Montpellier wackelte die Baursieben erneut beim 25:25 120 Sekunden vor dem Abpfiff, doch diesmal konnte mit 4000 Zuschauern gefeiert werden.
Trainer Markus Baur wusste anschließend um den Wert dieses Erfolgserlebnisses. „Wir sind happy und gehen mit einem guten Gefühl in das Donnerstagmatch. Wir werden alles herausholen, was in uns steckt“, schickte er eine Kampfansage an seinen ehemaligen Arbeitgeber. Dass seine Akteure die Heimniederlage aus der Hinrunde gegen den geografischen und tabellarischen Nachbarn noch immer mächtig
wurmt, deutet Kreisläufer Kresimir Kozina an, der auch gegen Montpellier mit Vulkan-gleichen Gefühlsausbrüchen die Frischauf-fans zur Mithilfe animierte. „Wir brennen alle für das Derby, auch wenn wir müde sind. Der Stachel sitzt tief“, so der Kroate vor dem dritten Auftritt in sechs Tagen. Allerdings drohen bei Frisch Auf mit den Rückraumakteuren Josip Sarac (Verdacht auf Gehirnerschütterung) und David Schmidt (Sprunggelenk) zwei Stützen auszufallen, nachdem sie gegen Montpellier vorzeitig das Feld verlassen mussten. Göppingens Torjäger Marcel Schiller lässt aber keine Ausreden gelten: „Wir haben etwas gut zu machen und mit der Abwehr, die wir gerade spielen, habe ich gar keine Angst, dass wir die Punkte nicht mit nach Göppingen nehmen.“