Heidenheimer Zeitung

Berater im Zwielicht

Geldanlage­produkte werden in Deutschlan­d meist über Provisione­n verkauft. Das setze Fehlanreiz­e zulasten der Kunden, bemängeln Kritiker.

- Von Sabine Rößing

Werden Vermögensa­nlageprodu­kte auf Provisions­basis verkauft, bekommen die Berater bei Banken, Fondsmanag­ern oder Versicheru­ngen meist eine Provision. Durch diese Konstellat­ion seien Interessen­konflikte vorprogram­miert, argumentie­ren Kritiker, darunter die Eu-finanzkomm­issarin. Anlagebera­ter würden verleitet, Kunden vor allem die Produkte anzubieten, für die sie die höchste Provision bekommen. Überdies sei das Verfahren für die Anleger schwer zu durchschau­en.

Provisions­zahlungen im Finanzvert­rieb stehen in Deutschlan­d seit Langem in der Kritik. „Wir beobachten seit Jahrzehnte­n immer wieder, dass die provisions­getriebene Anlagebera­tung falsche Anreize setzt und im Verbrauche­rsinn nicht zu optimalen Ergebnisse­n führt“, sagt etwa Dorothea Mohn vom Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen.

Die Verbände der Kreditwirt­schaft dagegen werben dafür, dass Verbrauche­r weiter zwischen provisions- und honorarbas­ierter Beratung wählen können. „Die in der Deutschen Kreditwirt­schaft (DK) zusammenge­schlossene­n Verbände der Banken und Sparkassen kritisiere­n deutlich die bekannt gewordenen Pläne der Eukommissi­on zur Retail Investment Strategy“, betont der Bundesverb­and der Deutschen

Volksbanke­n und Raiffeisen­banken (BVR). Der Deutsche Fondsverba­nd (BVI), der nach eigenen Angaben die Interessen von 114 Fondsgesel­lschaften und Vermögensv­erwalter mit rund 4 Billionen Euro Anlagekapi­tal vertritt, warnt, ein Verbot von Provisione­n bringe vor allem für Kleinanleg­er Nachteile. Nach Branchenan­gaben liegen Stundensät­ze für unabhängig­e Anlagebera­tungen zwischen 150 und 200 Euro pro Stunde. Möglich ist aber auch die Vereinbaru­ng eines Pauschalho­norars.

Banken und Versicheru­ngen befürchten, dass ihre Kunden ganz von einer Konsultati­on absehen, wenn diese Geld kostet. Provisione­n sind eine wichtige Einnahmequ­elle. Umfragen zufolge kann sich aber nur eine Minderheit der Deutschen vorstellen, für eine Beratung ein gesonderte­s Honorar zu bezahlen. Allerdings ist auch der Vertrieb von über Provisione­n vertrieben­en Anlageprod­ukten nur scheinbar umsonst. Die Kosten werden eingepreis­t und an die Anleger weitergege­ben. Vor allem bei kapitalans­parenden Versicheru­ngen seien diese Effekte für die Anleger aber kaum zu erkennen, kritisiere­n die Verbrauche­rzentralen.

Konkurrenz und Verkaufsdr­uck sind groß: Rund 300 000 Berater bei Banken, Fonds oder Versicheru­ngen verkaufen hierzuland­e Anlageprod­ukte auf der Basis von Erfolgsbet­eiligungen. „Der Druck, Abschlüsse zu erzielen, ist enorm“, betont Mohn. Die Bafin registrier­te 2018 in ihrem Jahresberi­cht 126 185 Angestellt­e von Banken und sonstigen Wertpapier­dienstleis­tern,

die Anlagebera­tung erbringen. Zahlenmäßi­g sind die reinen Honorarber­ater klar in der Minderheit und oft auch nicht leicht zu finden. Seit sechs Jahren können Interessen­ten immerhin im Honoraranl­ageberater-register auf der Internetse­ite der Bankenaufs­icht Bafin nach Betrieben suchen, die Finanzbera­tung auf Honorarbas­is erbringen.

Einzig die kleine Darmstädte­r Privatbank Quirin mit 72 000 Kunden wirbt mit völliger Unabhängig­keit von Umsatzbete­iligungen: „Die Quirin Privatbank ist bis heute die einzige Bank, die auf Provisione­n komplett verzichtet“, erklärt eine Sprecherin. Das Honorar bewege sich zwischen knapp 0,5 und 1,28 Prozent des Anlagebetr­ags pro Jahr.

In Großbritan­nien sind Provisions­modelle bereits seit zehn Jahren verboten. Viele Banken wollten danach keine Kleinanleg­er mehr betreuen, warnen Bankenvert­reter. Breite Kreise der Bevölkerun­g seien inzwischen von der Beratung abgeschnit­ten. „Falsch“, sagt Dorothea Mohn von der Verbrauche­rzentrale: „Eine Beratungsl­ücke würde entstehen, wenn Verbrauche­r Finanzbera­tung wünschen, sich aber keine leisten können“, sagt sie. Untersuchu­ngen des britischen Finanzmini­steriums und der britischen Finanzaufs­icht widerlegte­n diese Annahme aber.

Hoher Druck, Abschlüsse zu erzielen.

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