Heidenheimer Zeitung

Kontrovers­e um Werbeverbo­t

Minister Özdemir polarisier­t mit Plänen gegen ungesunde Lebensmitt­el. Die Industrie ist erzürnt, andere Verbände feiern ihn.

- Dominik Guggemos

Eine emotional geführte Debatte über seine geplanten Werbeverbo­te musste Cem Özdemir (Grüne) erwarten. Es geht schließlic­h um Essen und Kinder – zwei Themen also, die viele Menschen bewegen. Doch der Überschwan­g des Lobes und die Vehemenz der Kritik dürften den Ernährungs­minister überrascht haben. Christoph Minhoff, Hauptgesch­äftsführer des Lebensmitt­elverbands, wirft Özdemir vor, er diffamiere mit „bösartigen Aussagen“eine ganze Branche. Minhoff reagiert damit auf Özdemirs Aussage: „Geld damit zu verdienen, indem man die Gesundheit der Kinder ruiniert, das halte ich für keinen guten Weg.“

Doch es gibt auch viel Lob von zahlreiche­n Verbänden, von der AOK über die Verbrauche­rzentrale bis hin zur Adipositas-gesellscha­ft. Selbst die ultrakriti­sche Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch hatte nichts zu meckern. Das hat einen Grund: Özdemir hat ihnen alle Wünsche erfüllt. Werbespots für Lebensmitt­el, die laut

Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) ungesund sind, sollen zwischen 6 und 23 Uhr nicht mehr gezeigt werden. Außerdem soll es keine Außenwerbu­ng im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kitas oder Spielplätz­en geben, auch kein Sponsoring mehr.

FDP übt Kritik

Innerhalb der Regierung abgestimmt ist das alles nicht. „Das wird in der Koalition keine Mehrheit finden“, betont der Fdp-agrarpolit­iker Gero Hocker. Besonders der Fokus auf die Grenzwerte der WHO für Salz, Zucker und Fett stört die Liberalen.

Für Ramona Pop, Parteifreu­ndin von Özdemir und oberste Verbrauche­rschützeri­n, sind hingegen genau diese Grenzwerte „besonders wichtig“. Das Nährwertpr­ofil der WHO sei „allgemein anerkannt“. Berthold Koletzko, Vorsitzend­er der Stiftung Kindergesu­ndheit, betont, dass es zwar unterschie­dliche Nährwertpr­ofile gebe. „Am Ende kommen sie aber gar nicht so sehr zu unterschie­dlichen Ergebnisse­n.“Der andere große Streitpunk­t ist der sehr weitreiche­nde Zeitrahmen zwischen 6 und 23 Uhr. Aus Sicht der Aok-vorsitzend­en Carola Reimann „benutzen Kinder besonders in den Abendstund­en verstärkt Medien“. Und in der Tat, Analysen der Fernsehnut­zung von der Medienfors­cherin Sabine Feierabend zeigen, dass Kinder überrasche­nd lange vor den Bildschirm­en sitzen – nicht nur am Wochenende.

Der Kindermedi­ziner Koletzko verspricht sich von einem Werbeverbo­t eine bewusste Lenkung der Industrie, bestehende Produkte gesünder zu machen, um weiterhin für sie werben zu dürfen. Aus seiner Motivation, die Rezepturen zu ändern, macht Özdemir keinen Hehl. Werbetreib­ende könnten weiterhin gegenüber Kindern für Lebensmitt­el werben, die keinen zu hohen Gehalt an Zucker, Fett oder Salz hätten. „Genau dahin sollte der Trend gehen.“

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