Kontroverse um Werbeverbot
Minister Özdemir polarisiert mit Plänen gegen ungesunde Lebensmittel. Die Industrie ist erzürnt, andere Verbände feiern ihn.
Eine emotional geführte Debatte über seine geplanten Werbeverbote musste Cem Özdemir (Grüne) erwarten. Es geht schließlich um Essen und Kinder – zwei Themen also, die viele Menschen bewegen. Doch der Überschwang des Lobes und die Vehemenz der Kritik dürften den Ernährungsminister überrascht haben. Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands, wirft Özdemir vor, er diffamiere mit „bösartigen Aussagen“eine ganze Branche. Minhoff reagiert damit auf Özdemirs Aussage: „Geld damit zu verdienen, indem man die Gesundheit der Kinder ruiniert, das halte ich für keinen guten Weg.“
Doch es gibt auch viel Lob von zahlreichen Verbänden, von der AOK über die Verbraucherzentrale bis hin zur Adipositas-gesellschaft. Selbst die ultrakritische Verbraucherorganisation Foodwatch hatte nichts zu meckern. Das hat einen Grund: Özdemir hat ihnen alle Wünsche erfüllt. Werbespots für Lebensmittel, die laut
Weltgesundheitsorganisation (WHO) ungesund sind, sollen zwischen 6 und 23 Uhr nicht mehr gezeigt werden. Außerdem soll es keine Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kitas oder Spielplätzen geben, auch kein Sponsoring mehr.
FDP übt Kritik
Innerhalb der Regierung abgestimmt ist das alles nicht. „Das wird in der Koalition keine Mehrheit finden“, betont der Fdp-agrarpolitiker Gero Hocker. Besonders der Fokus auf die Grenzwerte der WHO für Salz, Zucker und Fett stört die Liberalen.
Für Ramona Pop, Parteifreundin von Özdemir und oberste Verbraucherschützerin, sind hingegen genau diese Grenzwerte „besonders wichtig“. Das Nährwertprofil der WHO sei „allgemein anerkannt“. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit, betont, dass es zwar unterschiedliche Nährwertprofile gebe. „Am Ende kommen sie aber gar nicht so sehr zu unterschiedlichen Ergebnissen.“Der andere große Streitpunkt ist der sehr weitreichende Zeitrahmen zwischen 6 und 23 Uhr. Aus Sicht der Aok-vorsitzenden Carola Reimann „benutzen Kinder besonders in den Abendstunden verstärkt Medien“. Und in der Tat, Analysen der Fernsehnutzung von der Medienforscherin Sabine Feierabend zeigen, dass Kinder überraschend lange vor den Bildschirmen sitzen – nicht nur am Wochenende.
Der Kindermediziner Koletzko verspricht sich von einem Werbeverbot eine bewusste Lenkung der Industrie, bestehende Produkte gesünder zu machen, um weiterhin für sie werben zu dürfen. Aus seiner Motivation, die Rezepturen zu ändern, macht Özdemir keinen Hehl. Werbetreibende könnten weiterhin gegenüber Kindern für Lebensmittel werben, die keinen zu hohen Gehalt an Zucker, Fett oder Salz hätten. „Genau dahin sollte der Trend gehen.“