Abhängig von Chinas Gunst
Vor allem bei der Solarenergie geht ohne Hersteller aus dem Osten nichts. Nun hat Peking Exportbeschränkungen angekündigt. Gelingt es Europa, sich davon unabhängig zu machen?
Eine der Lehren aus dem Ukraine-krieg ist, dass Deutschland in Energiefragen möglichst unabhängig werden muss. Die Erneuerbaren Energien sollen deswegen massiv ausgebaut werden, eine wichtige Rolle spielt dabei die Solarenergie. Bis 2030 will die EU ihren Anteil an der Stromerzeugung verdreifachen, allein in Deutschland sollen bis dahin viermal so viele Anlagen wie heute am Netz sein.
Doch beim Versuch, energieautark zu werden, könnte die Bundesrepublik in die nächste Abhängigkeit schlittern. Denn die meisten Komponenten für Solaranlagen kommen aus China. Das Land stellt mehr als 96 Prozent der weltweit verwendeten Silizium-wafer her, aus denen Solarzellen hergestellt werden. Laut der Unternehmensberatung Mckinsey kommen mit Ausnahme der deutschen Wacker Chemie AG die fünf größten Solarunternehmen aus China.
Experten warnen daher schon länger vor möglicher chinesischer Einflussnahme. „Sollte der Nachschub, aus welchen Gründen auch immer, unterbrochen werden, hat das direkten Einfluss auf das weitere Gelingen der Energiewende“, sagt der Berliner Energie-professor Volker Quaschning. „Überfällt China Taiwan, ist möglicherweise die deutsche Energiewende erst einmal beendet.“
Spielten sich solche Überlegungen bisher im Reich des Theoretischen ab, könnten sie nun wahr werden. Ende vergangenen Jahres kündigte das chinesische Handelsministerium Exportbeschränkungen für bestimmte
Technologien an. Maschinen und Vorprodukte für die Solarindustrie dürften nur noch mit Genehmigung exportiert werden. Die westliche Solarwirtschaft wäre vom guten Willen Pekings abhängig – eine Retourkutsche für Usausfuhrbeschränkungen gegen China sowie den „Inflation Reduction Act“, der auch die Ansiedlung einer Solarindustrie in den USA zum Ziel hat.
Industrievertreter und Wissenschaftler fordern deswegen Maßnahmen zum Wiederaufbau einer europäischen Solarindustrie. „Wir sind davon überzeugt, dass eine nachhaltige europäische Pvproduktionsindustrie mithilfe staatlicher Unterstützung zur Förderung der Installation und des Betriebs von Pv-produktionsstätten belebt werden kann“, sagt Fraunhofer-forscher Andreas Bett. „Zudem ist der Energiesektor von nationalem Sicherheitsinteresse. Die Solarindustrie mit ihren Fertigungsstätten in Europa muss vor dem Hintergrund der anhaltenden multiplen globalen Krisen zu einer politischen Priorität werden“ergänzt Gunter Erfurt, Chef der Schweizer Solarfirma Meyer Burger.
In Brüssel hat man das Problem erkannt, schon im Dezember wurde eine Solar-strategie initiiert, um die Industrie wiederzubeleben. Eine Solarallianz soll die Herstellung von Schlüsselkomponenten bis 2025 auf mindestens 30 Gigawatt steigern. Derzeit liegt sie bei Modulen zwischen sechs und acht, bei Wafern sogar bei nur zwei Gigawatt.
Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will staatliche Hilfen, damit Deutschland bei der Fertigung von Windrädern und Solaranlagen wieder stärker wird. In einem Eckpunktepapier seines Hauses ist von Steuergutschriften die Rede, zudem plant Habeck einen vergünstigten Strompreis für die Industrie.
Das alles würde sehr viel Geld verschlingen. Schätzungen gehen von 400 Millionen bis einer Milliarde Euro je Gigawatt Produktionskapazität aus, soll die gesamte Wertschöpfungskette in Europa angesiedelt werden. Für die Eu-pläne würde dies Investitionen von mindestens 25 Milliarden Euro bedeuten. Verglichen mit den Kosten für die Sicherung sei das sehr wenig, wirbt man in der Branche.
Aus der Heimat deutlich teurer
Aber können europäische Solarmodule ohne Dauersubventionen jemals mit chinesischen Importen konkurrieren? Die Berater von Mckinsey gehen davon aus, dass heimische Produkte aufgrund höherer Arbeits-, Material- und Energiekosten immer 20 bis 25 Prozent teurer sein werden als die chinesischen Wettbewerber. Ganz unmöglich sei es dennoch nicht. So wären europäische Kunden laut Umfragen bereit, bis zu 20 Prozent höhere Preise für heimische Produkte zu bezahlen. Eine Herstellung selbst zu diesen Konditionen könne aber nur gelingen, wenn Unternehmen Kosten einsparen. Geht der Plan auf, würde ein strategischer Fehler der Vergangenheit teuer wieder wettgemacht. So hatte vor rund zehn Jahren die schwarz-gelbe Koalition die Subventionen für die Solarindustrie drastisch reduziert, woraufhin deutsche Unternehmen das Geburtsland der Solarenergie beinahe komplett verließen und ihre Technologie nach China exportierten.