Irritiert vor dem Bildschirm
Harte Worte von Autor Frank Schätzing und Filmkritikern: Mit der Adaption des Thrillers „Der Schwarm“hat das ZDF sich keinen Gefallen getan.
Schriftsteller sind selten zufrieden mit den Verfilmungen ihrer Werke. Was nicht immer bedeutet, dass die Adaption wirklich schlecht ist. Von Stanley Kubricks „The Shining“bis zu Mary Harrons „American Psycho“kennt die Filmgeschichte zahlreiche gelungene Titel, die von den Schöpfern der Buchvorlage kritisiert worden sind. Was lässt sich über die heiß diskutierte Verfilmung von Frank Schätzings Bestseller „Der Schwarm“sagen?
Bisher sechs Folgen der Zdfserie wurden in der Mediathek veröffentlicht, Premiere feierte das ehrgeizige Projekt über Meereslebenwesen, die sich gegen die Menschheit erheben, bei der Berlinale. Doch schon vor dem Start sorgte ein Interview mit Schätzing in der „Zeit“für Aufsehen. Neu eingebaute Erzählstränge kritisiert er als „zusammengeschusterten Unsinn ohne aktuelle Relevanz“und sagt: „Es pilchert.“Womit der Bestsellerautor die Zdf-verfilmungen von Rosamunde-pilcher-liebesromanen meint – und offenbar genau das Image, von dem der öffentlichrechtliche Sender mit „Der Schwarm“gerne loskommen will.
Nach Darstellung des Autors hätte Schätzing seinen Roman zusammen mit Produzent Frank Doelger als Team adaptieren sollen – doch die zwei überwarfen sich, Schätzing stieg mitten im Prozess aus. Nur die Querelen zweier Kreativer und ein Autor, der auf Werktreue pocht? Laut dem „Zeit“-interview nervt es Schätzing aber gerade, dass die Adaption zu nah an seinem Buch geblieben, den Stoff nicht richtig aktualisiert habe. Das ZDF rudert dagegen: „Aus unserer Sicht ist ‚Der Schwarm‘ eine sehr gelungene und zeitgemäße Adaption des Romans aus dem Jahr 2004.“
Seit dem Start der Serie springen Schätzing zahlreiche Filmkritiker bei – und übertrumpfen sich gegenseitig mit Wortspielen: Über „Der Schmarrn“schreibt die „Süddeutsche Zeitung“und nennt die Produktion „Fernsehen für Doofe“, und nicht nur die „Berliner Morgenpost“weigert sich, von der Serie zu „schwärmen“.
Mehr als 40 Millionen Euro hat die Blockbuster-serie gekostet und knackte damit den bisherigen deutschen Rekord von „Babylon Berlin“. Das ZDF stemmte dieses Mammutprojekt nicht allein, „Der Schwarm“entstand als Koproduktion im Rahmen der deutsch-französisch-italienischen European Alliance. Mit im Boot saßen Sender aus Österreich, Schweiz, Schweden und Japan. „Besprechungen erinnern mitunter an eine Sitzung des Europäischen Parlaments“, verriet
Regisseurin Barbara Eder dem „Tagesspiegel“.
Viele Köche verderben den Brei? „Der Schwarm“scheint auf dem Spannungslevel der endlosen Diskussionen zu schwimmen, die dem Ergebnis offenbar vorausgegangen sind. Warum ist das so? Zum einen ist die Serie aufgezogen wie ein „Tatort“, bei dem man von Anfang an weiß, wer der Mörder ist. Nicht nur der Buchleser kennt bereits den Urheber der weltweiten Angriffe aus dem Meer – von wildgewordenen Walen über kranke Krabben bis hin zu gefräßigen Tiefseewürmern. Auch in der Zdf-beschreibung ist vom „Kampf der Menschheit gegen eine unbekannte Schwarmintelligenz im Meer“zu lesen. Bis das Team aus internationalen Wissenschaftlern, die nach den Ursachen der außergewöhnlichen Phänomene forschen, darauf kommt und den Wesen den Namen „Yrr“gibt, vergehen sechs äußerst zähe Folgen – für das Finale wurden noch keine Presselinks versendet.
Ob in den zwei verbliebenen Episoden noch Zeit bleibt, den „Gegenspieler“glaubwürdig zu präsentieren und den Umgang mit der revolutionären Entdeckung würdig zu reflektieren, bleibt zu bezweifeln.
Schätzings zentrale Idee, die Menschheit mit einem Kollektiv hochintelligenter Einzeller im Meer zu konfrontieren, konnte 2004 als genial gelten. Doch mittlerweile gibt es viele Erzählungen, die den Menschen als vermeintliche „Krone der Schöpfung“infrage stellen – und weitaus mehr berühren. Aktuellstes Beispiel ist die hochgelobte Videospiel-verfilmung „Last of Us“, in der ein Pilz die Zivilisation zerstört. Das Endzeitszenario bildet allerdings nur den Hintergrund für eine Geschichte darüber, was Menschen antreibt, wenn alles verloren scheint – und wie weit man für das eigene Überleben gehen darf.
„Der Schwarm“dagegen taugt weder als bildgewaltiger Katastrophenfilm noch als kluger Ökothriller. Die meisten Szenen zeigen nicht das Meer, sondern vor Bildschirmen brütende Wissenschaftler (besonders bierernst: Klaas Heufer-umlauf als Tauchbootführer) oder angeregte Telefonate. Allzu tiefsinnig wird es nicht, ein Pubgespräch zwischen einer jungen Meeresbiologin und einem Fischer über kollabierende Fischbestände endet im Bett.
Wie ein Krimi aufgebaut, bei dem man den Mörder schon kennt – und das sechs Folgen lang.
Zuschauer bleibt gleichgültig
Kleine Liebesgeschichten sollen den Figuren offenbar Kontur verleihen. Schätzings Protagonist und ältlicher Hedonist Sigur Johanson mit seiner Vorliebe für jüngere Frauen wollte man dem Publikum so nicht zumuten. Stattdessen spielt Alexander Karim den Biologieprofessor als Mann ohne Eigenschaften, der ulkigerweise überall unmotiviert auftaucht, egal ob Norwegen, Kiel oder Kanada, die Wissenschaftscommunity der Serie ist ein Dorf.
So lässt man die tollkühne Crew am Ende der sechsten Folge tiefenentspannt in die lebensgefährliche Konfrontation mit den „Yrr“schippern und hätte noch Nerven übrig, sich Pizza „Frutti di Mare“für das Finale zu ordern. Der drohende Weltuntergang, er könnte dem Zuschauer von „Der Schwarm“egaler kaum sein, und damit erzählt die Serie auf Umwegen vielleicht doch mehr über die krisengeschüttelte Gegenwart als über missglückte Literaturverfilmungen.