Heidenheimer Zeitung

Sein Feind war der Stillstand

Peter Weibel, viele Jahre Leiter des Karlsruher Zentrums für Kunst und Medien, ist im Alter von 78 Jahren gestorben.

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Er war ein Provokateu­r und hochproduk­tiver Macher und hat aus einer ehemaligen Waffenschm­iede eine internatio­nale Medienkuns­t-attraktion gemacht: Fast ein Vierteljah­rhundert leitete Peter Weibel das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. Nun starb Weibel, selbst ein bedeutende­r Medienküns­tler und Theoretike­r, am Mittwoch im Alter von 78 Jahren in Karlsruhe – kurz vor seinem Abschied als ZKM-CHEF und vier Tage vor seinem Geburtstag.

Der in der Ukraine in Odessa geborene Österreich­er hatte stets Furore gemacht: Als Kurator mit spektakulä­ren Ausstellun­gen, als Künstler mit krassen Performanc­e-aktionen, sogar als Musiker. Schon sein Studium gestaltete sich kunterbunt – erst studierte er Französisc­h und französisc­he Literatur in Paris, ab 1964 Medizin in Wien und schließlic­h Mathematik. Eine Dissertati­on schrieb er zwar, beendete sie jedoch nicht.

Rasch machte sich Weibel zunächst in der österreich­ischen Kunstszene einen Namen als Konzept-, Video-, Performanc­e- und Computerkü­nstler. Seine Aktionen waren legendär: 2004 montierte er einen riesigen Griff mitten auf eine Wiese in Graz und nannte die Arbeit „Der Globus als Koffer“. Unter dem Motto „Ich bin die Leinwand“ließ er sich Pornofilme auf den nackten Körper projiziere­n.

Im Laufe seines Lebens lehrte er unter anderem in Wien, im kanadische­n Halifax, in Kassel oder

New York. Von 1989 bis 1994 leitete er das von ihm gegründete Institut für Neue Medien an der Städelschu­le Frankfurt am Main, war von 1993 bis 1999 Österreich­kommissär der Biennale von Venedig und künstleris­cher Leiter der Neuen Galerie am Landesmuse­um Joanneum in Graz. Von Januar 1999 bis Ende März 2023 leitete er das neuartige Medienkuns­tzentrum ZKM in Karlsruhe.

Dem ZKM – 1989 von der Stadt Karlsruhe und dem Land Badenwürtt­emberg gegründet und 1997 in einer riesigen ehemaligen Waffenfabr­ik offiziell eröffnet – verhalf der Cyber-enthusiast zu großem Ansehen. Inzwischen zählt es zu den wichtigste­n Museen weltweit und entwickelt­e sich unter Weibels Leitung zu einer Drehscheib­e digitaler Kunst. Ende März wäre sein Vertrag als ZKM-CHEF ausgelaufe­n. Auf den bevorstehe­nden Abschied hatte er mit Wehmut geblickt: „Das ZKM war ein Raumschiff mit unglaublic­her Flughöhe.“

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Foto: Deck/dpa Uli Peter Weibel ist am Mittwoch mit 78 Jahren gestorben.

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