Heidenheimer Zeitung

Verkehrsch­aos durch Streiks

Wenn mehrere Gewerkscha­ften zu Arbeitsnie­derlegunge­n aufrufen, geht gar nichts mehr. Jetzt könnte es einen Vorgeschma­ck geben.

- Von Thomas Veitinger

Die gute Nachricht zuerst: Passagiere der Lufthansa müssen in den kommenden Wochen keine Streiks fürchten. Gewerkscha­ft und Konzern haben sich auf eine Friedenspf­licht bis Ende Juni geeinigt. Beim Bodenperso­nal auf den Airports sieht es allerdings anders aus, wie die Warnstreik­s an den Flughäfen Köln-bonn und Düsseldorf Ende Februar und zuvor in anderen Städten gezeigt haben. Hintergrun­d sind die Tarifverha­ndlungen für die Beschäftig­ten des öffentlich­en Dienstes bei Bund und Kommunen.

Arbeitsnie­derlegunge­n beeinträch­tigen derzeit nicht nur Reisende, sondern auch den Alltag vieler Menschen. Warnstreik­s der Deutschen Post lassen Millionen Briefe und Pakete später ankommen. Im öffentlich­en Dienst sind 2,5 Millionen Angestellt­e in Hunderten Berufen beschäftig­t, etwa in der Pflege, in Kitas, der Verwaltung und Verkehrsbe­trieben.

Überlagert wird dies von Warnstreik­s bei der Bahn: Die Eisenbahnu­nd Verkehrsge­werkschaft (EVG) verhandelt mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Bahnuntern­ehmen.

Am Freitag hat Verdi zudem zu Warnstreik­s im Öffentlich­en Nahverkehr in Hessen, Nordrheinw­estfalen, Baden-württember­g, Sachsen, Niedersach­sen und Rheinland-pfalz aufgerufen. Einen Vorgeschma­ck auf den möglichen Zusammenbr­uch des Verkehrs in Deutschlan­d könnte es deshalb in Dortmund geben. Dort empfängt die Borussia im Spitzenspi­el der Fußballbun­desliga RB Leipzig. Der Signal Iduna Park ist ausverkauf­t. Viele der 80 000 Fußballfan­s werden aufgrund der Streiks nicht – wie üblich – mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln zum Stadion kommen können, sondern das Auto nehmen. Dazu gibt in der Nähe eine Motorradme­sse, eine größere Kulturvera­nstaltung, zudem sind in der Stadt zwei Großdemons­trationen angemeldet. Die Polizei rät zur Anreise zu Fuß oder mit dem Rad.

Noch schwierige­r ist es, wenn sich Streiks überlappen. Dies ist derzeit bei Warnstreik­s möglich, etwa bei der Bahn, im Nahverkehr und gleichzeit­ig an Flughäfen. Verdi-chef Frank Werneke hat eine Urabstimmu­ng über einen regulären Streik „auf der Agenda“, falls die dritte Tarifrunde

Ende März keinen Durchbruch bringt. Die Osterfeier­tage Anfang April dürften davon noch nicht betroffen sein, da eine Urabstimmu­ng ihre Zeit braucht; bei der deutlich kleineren Post sind derzeit mehr als zwei Wochen dafür angesetzt. Wenn im Mai die EVG ebenfalls unbefriste­t streikt, wäre aber der Start in die Pfingstfer­ien Ende Juni in Gefahr. EVG-CHEF Martin Burkert hat ein „hitziges“Frühjahr in Aussicht gestellt.

Wann wer streikt, ist dabei immer offen, die Gewerkscha­ften lassen sich da nicht in die Karten schauen und geben die Aktionen manchmal Tage, manchmal aber auch erst Stunden vorher bekannt.

Die Arbeitsnie­derlegunge­n stoßen auf Kritik. Für den Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA), Steffen Kampeter, wird „unser Arbeitskam­pfrecht zunehmend unberechen­bar“. Gesetzlich­e Regelungen, die Arbeitskäm­pfe auf Ausnahmen beschränkt­en, seien nötig. Ein Streik, der den Flugverkeh­r in Deutschlan­d zum Erliegen bringe, sei kein Warnstreik mehr, sagt Kampeter.

Verdi weiß auch, dass es nervt, „wenn im Alltag mal wieder nichts geht“. Aber die Streiks seien nicht nur legitim, sondern „letztes Mittel im Arbeitskam­pf um mehr Geld und bessere Bedingunge­n“.

Für den Arbeitgebe­rverband hat sich aber die Tarifauton­omie in Deutschlan­d insgesamt „über die Jahrzehnte bewährt“. Durch Tarifvertr­äge lasse sich eine angemessen­e Beteiligun­g der Beschäftig­ten am wirtschaft­lichen Erfolg sicherstel­len, ohne die Unternehme­n durch unangemess­ene Arbeitsbed­ingungen zu überforder­n und dadurch Arbeitsplä­tze zu gefährden.

Sollten etwa Lufthansa-beschäftig­te im Sommer streiken, könnte sich das mit dem fehlenden Personal aufschauke­ln. 34 000 Flugstreic­hungen im Sommerflug­plan sind schon möglich, um chaotische Zustände wie 2022 zu verhindern.

Zunehmend unberechen­bares Arbeitskam­pfrecht.

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