Verkehrschaos durch Streiks
Wenn mehrere Gewerkschaften zu Arbeitsniederlegungen aufrufen, geht gar nichts mehr. Jetzt könnte es einen Vorgeschmack geben.
Die gute Nachricht zuerst: Passagiere der Lufthansa müssen in den kommenden Wochen keine Streiks fürchten. Gewerkschaft und Konzern haben sich auf eine Friedenspflicht bis Ende Juni geeinigt. Beim Bodenpersonal auf den Airports sieht es allerdings anders aus, wie die Warnstreiks an den Flughäfen Köln-bonn und Düsseldorf Ende Februar und zuvor in anderen Städten gezeigt haben. Hintergrund sind die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen.
Arbeitsniederlegungen beeinträchtigen derzeit nicht nur Reisende, sondern auch den Alltag vieler Menschen. Warnstreiks der Deutschen Post lassen Millionen Briefe und Pakete später ankommen. Im öffentlichen Dienst sind 2,5 Millionen Angestellte in Hunderten Berufen beschäftigt, etwa in der Pflege, in Kitas, der Verwaltung und Verkehrsbetrieben.
Überlagert wird dies von Warnstreiks bei der Bahn: Die Eisenbahnund Verkehrsgewerkschaft (EVG) verhandelt mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Bahnunternehmen.
Am Freitag hat Verdi zudem zu Warnstreiks im Öffentlichen Nahverkehr in Hessen, Nordrheinwestfalen, Baden-württemberg, Sachsen, Niedersachsen und Rheinland-pfalz aufgerufen. Einen Vorgeschmack auf den möglichen Zusammenbruch des Verkehrs in Deutschland könnte es deshalb in Dortmund geben. Dort empfängt die Borussia im Spitzenspiel der Fußballbundesliga RB Leipzig. Der Signal Iduna Park ist ausverkauft. Viele der 80 000 Fußballfans werden aufgrund der Streiks nicht – wie üblich – mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Stadion kommen können, sondern das Auto nehmen. Dazu gibt in der Nähe eine Motorradmesse, eine größere Kulturveranstaltung, zudem sind in der Stadt zwei Großdemonstrationen angemeldet. Die Polizei rät zur Anreise zu Fuß oder mit dem Rad.
Noch schwieriger ist es, wenn sich Streiks überlappen. Dies ist derzeit bei Warnstreiks möglich, etwa bei der Bahn, im Nahverkehr und gleichzeitig an Flughäfen. Verdi-chef Frank Werneke hat eine Urabstimmung über einen regulären Streik „auf der Agenda“, falls die dritte Tarifrunde
Ende März keinen Durchbruch bringt. Die Osterfeiertage Anfang April dürften davon noch nicht betroffen sein, da eine Urabstimmung ihre Zeit braucht; bei der deutlich kleineren Post sind derzeit mehr als zwei Wochen dafür angesetzt. Wenn im Mai die EVG ebenfalls unbefristet streikt, wäre aber der Start in die Pfingstferien Ende Juni in Gefahr. EVG-CHEF Martin Burkert hat ein „hitziges“Frühjahr in Aussicht gestellt.
Wann wer streikt, ist dabei immer offen, die Gewerkschaften lassen sich da nicht in die Karten schauen und geben die Aktionen manchmal Tage, manchmal aber auch erst Stunden vorher bekannt.
Die Arbeitsniederlegungen stoßen auf Kritik. Für den Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, wird „unser Arbeitskampfrecht zunehmend unberechenbar“. Gesetzliche Regelungen, die Arbeitskämpfe auf Ausnahmen beschränkten, seien nötig. Ein Streik, der den Flugverkehr in Deutschland zum Erliegen bringe, sei kein Warnstreik mehr, sagt Kampeter.
Verdi weiß auch, dass es nervt, „wenn im Alltag mal wieder nichts geht“. Aber die Streiks seien nicht nur legitim, sondern „letztes Mittel im Arbeitskampf um mehr Geld und bessere Bedingungen“.
Für den Arbeitgeberverband hat sich aber die Tarifautonomie in Deutschland insgesamt „über die Jahrzehnte bewährt“. Durch Tarifverträge lasse sich eine angemessene Beteiligung der Beschäftigten am wirtschaftlichen Erfolg sicherstellen, ohne die Unternehmen durch unangemessene Arbeitsbedingungen zu überfordern und dadurch Arbeitsplätze zu gefährden.
Sollten etwa Lufthansa-beschäftigte im Sommer streiken, könnte sich das mit dem fehlenden Personal aufschaukeln. 34 000 Flugstreichungen im Sommerflugplan sind schon möglich, um chaotische Zustände wie 2022 zu verhindern.
Zunehmend unberechenbares Arbeitskampfrecht.