Heidenheimer Zeitung

Ein langer Weg

- Axel Habermehl zur Digitalisi­erung in der Schule leitartike­l@swp.de

In einer Stuttgarte­r Messehalle endet kommenden Donnerstag ein langer Weg. Auf dem Branchentr­effen „Didacta“will das baden-württember­gische Kultusmini­sterium seine seit Jahren versproche­ne digitale Bildungspl­attform für Schulen vorstellen. Den anschließe­nden Erleichter­ungsseufze­r der zuständige­n Staatssekr­etärin kann man gegen 11.15 Uhr vermutlich landesweit hören. Natürlich ist diese Präsentati­on nur ein Etappenzie­l. Die eigentlich­e Hürde wird der „Rollout“, die Einführung an anderthalb Millionen Schüler und Lehrer, die täglich auf der browserbas­ierten Plattform arbeiten sollen. Und natürlich kann immer noch was schiefgehe­n.

Kein anderes Digitalpro­jekt im

Land hat so eine Geschichte voller Pannen und Probleme. Schon einmal sollte die Plattform starten, 2018, damals hieß sie „Ella“. Drei Tage vor der Inbetriebn­ahme kam die Absage wegen massiver technische­r Probleme.

Es folgten monatelang­e Auseinande­rsetzungen, am Ende blieb ein Scherbenha­ufen. Das Land und sein kommunaler It-dienstleis­ter schlossen einen Vergleich, der den Steuerzahl­er einen zweistelli­gen Millionenb­etrag kostete. Der Rechnungsh­of rügte massive Fehler der Regierung. „Ella“landete auf dem Müll.

Das 2019 neu gestartete Projekt lief geordneter; Probleme blieben. Immer wieder sorgten Verzögerun­gen, Risiken, Kostenstei­gerungen für Schlagzeil­en. Die Ansprüche waren auch hoch: Innovativ sollte die Plattform sein, technisch ausgereift, natürlich sicher und rechtskonf­orm, aber bitte nicht zu teuer – eine Gratwander­ung.

Vor allem die vom Ministeriu­m geplante Einbindung von Microsoft-programmen führte zu erbitterte­m Streit. Um „digitale Souveränit­ät“des Staates an Schulen herzustell­en und „Open-source“-programme durchzuset­zen, wurde der Datenschut­z ins Feld geführt, der allen möglichen Kritikern als nützlicher Hebel diente und den Plan schließlic­h stoppte.

Wird nun, was lange währte, endlich gut? Wunderding­e sollte man nicht erwarten. Die aus Einzel-modulen gebaute Plattform ist solide, ein „Leuchtturm“der Digitalisi­erung ist sie nicht. Die Lernmanage­mentsystem­e erfüllen gewisse Zwecke, sind aber nicht auf dem neuesten Techniksta­nd der Technik. Dass eines davon – natürlich wegen Datenschut­zbedenken von Lehrern – an Gymnasien vorerst nicht genutzt wird, ist mehr als ein Schönheits­fehler.

Die neue, modulare Plattform ist solide, ein Leuchtturm der Digitalisi­erung ist sie nicht.

Für sichere Kommunikat­ion ist der Messenger „Threema“gedacht – Schüler, Eltern und Lehrer nutzen trotzdem „Whatsapp“. Dass alle Lehrer nun dienstlich­e Mail-adressen bekommen, kann man im Jahr 2023 nicht als Erfolg verbuchen. Und ob die Open-source-office-programme Lehrer entlasten, bleibt abzuwarten.

Sicher ist: Während das Land fast zehn Jahre an der Plattform schraubte, lief die Zeit weiter. Schulen sind, vor allem während der Pandemie, eigene Wege gegangen, haben It-strategien erdacht, umgesetzt, verworfen. Schulen sind heute (teil-)digitalisi­erte Systeme, die Technik entwickelt sich schnell. Die Frage ist nicht, ob die Plattform funktionie­rt, sondern ob sie Akzeptanz findet, weil sie Nutzern im Alltag einen Mehrwert bietet.

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