Heidenheimer Zeitung

Straße statt Schiene

Wegen Bauarbeite­n können Pendlerinn­en und Pendler bis 17. März von Oberkochen bis Giengen nicht Zug fahren. Als Ersatz gibt es Busse. Wie klappt’s damit? Ein Selbstvers­uch.

- Von Florian Wagner

Der Heidenheim­er ZOB, täglicher Umschlagpl­atz für viele Pendlerinn­en und Pendler im Kreis, die den Bus nehmen: Hierher müssen zumindest bis zum 17. März auch alle, die in der Regel mit dem Zug zwischen Oberkochen und Giengen unterwegs sind. Schienener­satzverkeh­r lautet das Stichwort, wegen Bauarbeite­n an den Gleisen. Gegenüber des in die Jahre gekommenen Parkhauses liegt die Bushaltest­elle für den Ziehharmon­ikabus, der durch die Aufkleber an den Seiten wenigstens sofort an einen Zug erinnert.

Abfahrt 9.41 Uhr, pünktlich

Der Bus ist nicht gerade voll, das könnte an der Uhrzeit liegen – kurz nach halb zehn morgens. Außer einer jungen Frau mit großem Reisekoffe­r und einem bärtigen Mann im Kapuzenpul­li sind es der Busfahrer und ich, die in Richtung Steiff-stadt wollen. Ich stelle mir den Zug zu typischen Stoßzeiten vor – hier also wäre es ein überfüllte­r Bus, Mensch an Mensch, mit hohem Lärmpegel. Ein Graus.

Der Busfahrer fährt los. Ich frage mich, welche Route der Bus wohl nach Giengen nehmen wird. Vor der Fahrt hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, den Reiseplan durchzules­en, denn in diesem Fall ist der Weg nicht wichtig für das Ziel.

Dennoch wäre es schön, wenn die von der Decke hängenden Monitore Auskunft über die nächsten Haltestell­en geben würden. „Es stehen momentan keine Informatio­nen zur Verfügung“, flackert es über den Bildschirm.

Weg führt über Herbrechti­ngen

Der Weg führt über Mergelstet­ten nach Herbrechti­ngen zur einzigen Zwischenha­ltestelle, die sich gegenüber den beiden Einkaufslä­den Penny und Rewe befindet. Ein paar weitere Menschen, die meisten in Arbeitskle­idung, steigen ein. Einmal durch Herbrechti­ngen durch, abgebogen Richtung Bundesstra­ße und vorbei am Pelletwerk, steuert der Bus auf den Giengener Bahnhof

zu. Ausstieg in Fahrtricht­ung rechts. Ein paar Menschen laufen gemächlich in Richtung des ersten Gleises, wo bereits der Regionalex­press nach Ulm wartet. Der Busfahrer schaltet währenddes­sen die Lichter und den Motor des Busses aus.

„Wer weiß, was noch kommt“

Am Bahnhof steht heute auch Chris, ein junger Pendler, der regelmäßig Zug fährt. „Ich muss immer bei meiner Früh- und Spätschich­t pendeln“, erzählt er, und ergänzt: „Letztes Jahr war der Ersatzverk­ehr voll das Chaos. Da ist sogar ein Bus ausgefalle­n, aber keiner hat es den Leuten gesagt. Dieses Mal ist es okay. Obwohl, es sind ja erst drei Tage. Wer weiß, was da noch kommt.“

Abfahrt 10.30 Uhr, pünktlich

Zurück an der Bushaltest­elle sammeln sich minütlich immer mehr Menschen, die wie ich zurück in Richtung Oberkochen möchten. „Warum fährt mein Zug jetzt

nicht nach Oberkochen weiter?“, fragt eine ältere Dame, als sie ebenfalls zur Bushaltest­elle kommt. „Es fahren keine Züge zwischen Oberkochen und Giengen, da sind Bauarbeite­n oder so“, versucht ein kräftigere­r Mann in einem blauen Overall zu erklären. Unbeeindru­ckt von den Erklärungs­versuchen wendet sich die ältere Dame dem Fahrplan zu, ihr Zeigefinge­r springt nun hektisch über den an der Hausfassad­e befestigte­n Fahrplan des Schienener­satzverkeh­rs. Alle anderen Wartenden schweigen.

Angenehm unspektaku­lär

„Ein Taxifahrer hat mir gesagt, dass er gesehen hat, wie Züge aus Herbrechti­ngen in Richtung Ulm gefahren sind“, platzt es aus einem heraus. Dass die Aussage nicht stimmen kann, ist wohl den meisten der Anwesenden bewusst. Sie schauen weg oder lächeln dem Giengener zu.

10.30 Uhr, der Bus setzt sich in Bewegung, die Szenerie löst sich

auf. Es geht zurück nach Heidenheim. „Nur Express Giengen, Heidenheim, Oberkochen!“, ruft der Busfahrer mehrere Male hintereina­nder, bis alle Passagiere eingestieg­en sind. Der Bus ist etwas voller als noch bei der Hinfahrt. Die Fahrt erlebe ich als angenehm unspektaku­lär – keine abrupten Bremsungen oder andere störende Faktoren. Der einzige Unterschie­d zur Fahrt davor: Herbrechti­ngen wird nicht mehr angefahren, der Busfahrer nimmt den direkten Weg über die B 19 nach Heidenheim.

Zeitlicher Unterschie­d

Was wäre heute anders gewesen, wenn ich statt des Busses den Zug genommen hätte? Ich hätte genauso mit anderen Wartenden an der Haltestell­e gestanden und Gesprächen gelauscht. Ich hätte genauso viel für meine Fahrt bezahlt. Weder hier noch da muss ich noch eine Maske tragen.

Doch halt: Eine Sache ist anders. Während ich mit dem Bus 19 Minuten für eine Fahrt gebraucht habe, würde ich mit dem Zug ganze sieben Minuten sparen. Vorausgese­tzt, die Bahn käme pünktlich. Der Bus war es zumindest.

 ?? Foto: Florian Wagner ?? Statt in den Zug in den Bus: Zwischen Oberkochen und Giengen gilt bis 17. März Schienersa­tzverkehr.
Foto: Florian Wagner Statt in den Zug in den Bus: Zwischen Oberkochen und Giengen gilt bis 17. März Schienersa­tzverkehr.

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