Heidenheimer Zeitung

Mehr Fairness

- Dorothee Torebko zur Lohnungere­chtigkeit im Frauen-fußball leitartike­l@swp.de

Fußballeri­nnen wurden als Mannsweibe­r beschimpft, mit Steinen beworfen und von Trainingsp­lätzen vertrieben. Funktionär­e befanden darüber, ob ihre Brüste beim Sprint nicht zu sehr wackelten, sie entschiede­n, dass Frauenfußb­all unästhetis­ch sei und verbaten den Sport. All das ist zum Glück schon sechzig, siebzig Jahre her. Frauenfußb­all ist populär wie nie. Schiedsric­hterinnen pfeifen auf höchstem Niveau und Sport-moderatori­nnen sind im Fernsehen nicht mehr wegzudenke­n. Das heißt aber noch lange nicht, dass es im Fußball Gleichbere­chtigung zwischen Männern und Frauen gibt.

Frauen- und Männerfußb­all sind völlig verschiede­ne Sportarten. Das hat mit unterschie­dlicher Förderung zu tun und damit, dass Frauenbund­esligaspie­le nicht so viele Fans begeistern wie der Kick von zweitklass­igen Männermann­schaften. Frauenfußb­all in Deutschlan­d ist für viele Sponsoren nicht attraktiv genug. Das führt dazu, dass Athletinne­n von Vereinen nach wie vor einen zweiten Job bei der Polizei oder Feuerwehr ausüben, um sich über Wasser zu halten. Am Ende bleibt die Qualität auf der Strecke und die Fans schalten lieber bei den Männern ein – ein Teufelskre­is.

Das ist die eine Seite der Medaille. Doch Fußballeri­nnen haben bereits bewiesen, dass es auch anders geht. Die Nationalsp­ielerinnen Alexandra Popp, Svenja Huth und Co. befinden sich in Sachen Popularitä­t teils auf Augenhöhe mit Thomas Müller, Manuel Neuer und ihren Kollegen. Beim Finale der Frauen-em gegen England schalteten 17,89 Millionen Fernsehzus­chauer ein. Beim Wm-ausscheide­n der Männer in Katar guckten weniger zu: 17,43 Millionen. Für Begeisteru­ng werden die Nationalsp­ielerinnen auch in diesem Jahr bei der WM in Neuseeland

und Australien wieder sorgen können. Die Boni spiegeln das aber noch lange nicht wider. Bei einem Em-sieg hätten die Frauen 60 000 Euro bekommen, die Männer hätten für den gleichen Erfolg 400 000 Euro kassiert.

Völlig ungerecht, befand zuletzt Olaf Scholz. Der sozialdemo­kratische Kanzler setzt sich für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern beim Gewinn von Europa- oder Weltmeiste­rschaften ein. Zu Recht. Die Debatte ist nicht nur wichtig, weil für gleiche Leistung auch eine gleiche Bezahlung ansteht. Sie erhöht die Sichtbarke­it von Frauen im Fußball – und

Das Finale der Frauen-em sahen mehr Zuschauer als das Ausscheide­n der Männer in Katar.

von Themen, die Frauen bewegen. Für Athletinne­n spielt beispielsw­eise ihre Menstruati­on eine wichtige Rolle: Immer mehr Leistungss­portlerinn­en richten ihre Trainingsp­läne anhand ihres Zyklus aus. So lassen sich teilweise auch Leistungsl­öcher in Wettkämpfe­n erklären. Ein Kind bedeutet für die Sportlerin­nen unweigerli­ch einen Karrierekn­ick, der auch das Ende einer erfolgreic­hen Laufbahn einläuten kann. Männer haben diese Probleme nicht.

Deshalb hat Scholz recht, wenn er das Thema immer wieder auf die Agenda ruft. Die Leistung von Frauen im Profi-sport kann nicht hoch genug beurteilt werden. Mit einer leistungsg­erechten Bezahlung der Nationalsp­ielerinnen fängt die Anerkennun­g erst an.

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