Mehr Fairness
Fußballerinnen wurden als Mannsweiber beschimpft, mit Steinen beworfen und von Trainingsplätzen vertrieben. Funktionäre befanden darüber, ob ihre Brüste beim Sprint nicht zu sehr wackelten, sie entschieden, dass Frauenfußball unästhetisch sei und verbaten den Sport. All das ist zum Glück schon sechzig, siebzig Jahre her. Frauenfußball ist populär wie nie. Schiedsrichterinnen pfeifen auf höchstem Niveau und Sport-moderatorinnen sind im Fernsehen nicht mehr wegzudenken. Das heißt aber noch lange nicht, dass es im Fußball Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gibt.
Frauen- und Männerfußball sind völlig verschiedene Sportarten. Das hat mit unterschiedlicher Förderung zu tun und damit, dass Frauenbundesligaspiele nicht so viele Fans begeistern wie der Kick von zweitklassigen Männermannschaften. Frauenfußball in Deutschland ist für viele Sponsoren nicht attraktiv genug. Das führt dazu, dass Athletinnen von Vereinen nach wie vor einen zweiten Job bei der Polizei oder Feuerwehr ausüben, um sich über Wasser zu halten. Am Ende bleibt die Qualität auf der Strecke und die Fans schalten lieber bei den Männern ein – ein Teufelskreis.
Das ist die eine Seite der Medaille. Doch Fußballerinnen haben bereits bewiesen, dass es auch anders geht. Die Nationalspielerinnen Alexandra Popp, Svenja Huth und Co. befinden sich in Sachen Popularität teils auf Augenhöhe mit Thomas Müller, Manuel Neuer und ihren Kollegen. Beim Finale der Frauen-em gegen England schalteten 17,89 Millionen Fernsehzuschauer ein. Beim Wm-ausscheiden der Männer in Katar guckten weniger zu: 17,43 Millionen. Für Begeisterung werden die Nationalspielerinnen auch in diesem Jahr bei der WM in Neuseeland
und Australien wieder sorgen können. Die Boni spiegeln das aber noch lange nicht wider. Bei einem Em-sieg hätten die Frauen 60 000 Euro bekommen, die Männer hätten für den gleichen Erfolg 400 000 Euro kassiert.
Völlig ungerecht, befand zuletzt Olaf Scholz. Der sozialdemokratische Kanzler setzt sich für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern beim Gewinn von Europa- oder Weltmeisterschaften ein. Zu Recht. Die Debatte ist nicht nur wichtig, weil für gleiche Leistung auch eine gleiche Bezahlung ansteht. Sie erhöht die Sichtbarkeit von Frauen im Fußball – und
Das Finale der Frauen-em sahen mehr Zuschauer als das Ausscheiden der Männer in Katar.
von Themen, die Frauen bewegen. Für Athletinnen spielt beispielsweise ihre Menstruation eine wichtige Rolle: Immer mehr Leistungssportlerinnen richten ihre Trainingspläne anhand ihres Zyklus aus. So lassen sich teilweise auch Leistungslöcher in Wettkämpfen erklären. Ein Kind bedeutet für die Sportlerinnen unweigerlich einen Karriereknick, der auch das Ende einer erfolgreichen Laufbahn einläuten kann. Männer haben diese Probleme nicht.
Deshalb hat Scholz recht, wenn er das Thema immer wieder auf die Agenda ruft. Die Leistung von Frauen im Profi-sport kann nicht hoch genug beurteilt werden. Mit einer leistungsgerechten Bezahlung der Nationalspielerinnen fängt die Anerkennung erst an.