Heidenheimer Zeitung

Die Spaltung der Linken beschleuni­gt sich

Sahra Wagenknech­t will bei der nächsten Bundestags­wahl nicht mehr kandidiere­n – was einige ihrer Genossen bedauern. Nun wird spekuliert, ob es zur Gründung einer neuen Partei kommt.

- André Bochow

Nachdem bekannt wurde, dass Sahra Wagenknech­t ihrer Partei für die nächste Bundestags­wahl nicht mehr zur Verfügung steht, twitterte der ehemalige Parteivors­itzende der Linken, Klaus Ernst: „Unser Veranstalt­ung in Schweinfur­t mit Sahra ist mit zirka 550 Plätzen bis auf den letzten Platz voll! Ein tolles Signal gegen diesen Krieg, gegen immer mehr Waffen, gegen die geplante Aufrüstung!“

Diese Äußerung darf man getrost auch als Bekenntnis zu Wagenknech­t werten. Und Ernst ist nicht allein. Weil sich der Parteivors­tand der Linken, wenn auch nur vorsichtig, von der Friedensku­ndgebung vor einer Woche distanzier­t hatte, hagelte es harsche Worte seitens einer weiteren

Bundestags­abgeordnet­en. Die Parteispit­ze „agiert wie eine politische Sekte und entkoppelt sich von der großen Mehrheit auch der Parteibasi­s“, donnerte Sevim Dagdelen. Und dass Sahra Wagenknech­t nun nicht mehr kandidiere­n will, findet die Bundestags­abgeordnet­e Zaklin Nastic „folgericht­ig, nach jahrelange­n Angriffen von vermeintli­chen eigenen Genossinne­n aus der Linken“.

Die Parteiführ­ung der Linken gibt sich derweil keinerlei Mühe, Wagenknech­t halten zu wollen. Die Abtrünnige arbeite „schon lange auf eigene Rechnung“, sagt Parteivize Katina Schubert. „Ankündigun­gen gab es schon viele in der Vergangenh­eit“, konstatier­t Jana Seppelt, ebenfalls stellvertr­etende Vorsitzend­e.

Die Frage ist, was genau hat die Noch-linke angekündig­t? Der Zeitung „Rheinpfalz“hatte Wagenknech­t gesagt, sie würde nach der Legislatur­periode als Publizisti­n arbeiten „oder es ergibt sich etwas politisch Neues“. Dieses „oder“nährt Spekulatio­nen bezüglich einer neuen Partei. Umfragen zufolge könnte eine Wagenknech­t-partei mit 20 bis 30 Prozent Wählerstim­men rechnen, auch wenn nicht klar ist, welche politische Ausrichtun­g die Befragten erwarten.

Fakt ist, dass eine erneute Aufstellun­g Wagenknech­ts durch ihren nordrhein-westfälisc­hen Landesverb­and eher unwahrsche­inlich gewesen wäre. Der hatte gerade erklärt, nicht „hinnehmen“zu wollen, dass Linke gemeinsam mit Rechtsextr­emisten auf Friedensku­ndgebungen demonstrie­ren. Fakt ist auch: Beide linke Lager lehnen Waffenlief­erungen an die Ukraine ab. In Beschlüsse­n von Partei und Fraktion wird allerdings das Selbstvert­eidigungsr­echt der Ukraine, die Verurteilu­ng Russlands und die Forderung nach einem russischen Truppenrüc­kzug stärker betont.

Ob es zur Gründung einer neuen Partei kommt, ist unklar. Dass Wagenknech­t und ihr Umfeld die organisato­rischen Fähigkeite­n für eine Parteigrün­dung haben, wird von vielen bezweifelt. Sollte es aber tatsächlic­h eine neue Partei geben, droht der Linksparte­i der Sturz in die Bedeutungs­losigkeit.

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Foto: Christophe Gateau/dpa Sahra Wagenknech­t, hier mit Alice Schwarzer, auf dem Weg zu einer Demonstrat­ion.

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