Die Spaltung der Linken beschleunigt sich
Sahra Wagenknecht will bei der nächsten Bundestagswahl nicht mehr kandidieren – was einige ihrer Genossen bedauern. Nun wird spekuliert, ob es zur Gründung einer neuen Partei kommt.
Nachdem bekannt wurde, dass Sahra Wagenknecht ihrer Partei für die nächste Bundestagswahl nicht mehr zur Verfügung steht, twitterte der ehemalige Parteivorsitzende der Linken, Klaus Ernst: „Unser Veranstaltung in Schweinfurt mit Sahra ist mit zirka 550 Plätzen bis auf den letzten Platz voll! Ein tolles Signal gegen diesen Krieg, gegen immer mehr Waffen, gegen die geplante Aufrüstung!“
Diese Äußerung darf man getrost auch als Bekenntnis zu Wagenknecht werten. Und Ernst ist nicht allein. Weil sich der Parteivorstand der Linken, wenn auch nur vorsichtig, von der Friedenskundgebung vor einer Woche distanziert hatte, hagelte es harsche Worte seitens einer weiteren
Bundestagsabgeordneten. Die Parteispitze „agiert wie eine politische Sekte und entkoppelt sich von der großen Mehrheit auch der Parteibasis“, donnerte Sevim Dagdelen. Und dass Sahra Wagenknecht nun nicht mehr kandidieren will, findet die Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic „folgerichtig, nach jahrelangen Angriffen von vermeintlichen eigenen Genossinnen aus der Linken“.
Die Parteiführung der Linken gibt sich derweil keinerlei Mühe, Wagenknecht halten zu wollen. Die Abtrünnige arbeite „schon lange auf eigene Rechnung“, sagt Parteivize Katina Schubert. „Ankündigungen gab es schon viele in der Vergangenheit“, konstatiert Jana Seppelt, ebenfalls stellvertretende Vorsitzende.
Die Frage ist, was genau hat die Noch-linke angekündigt? Der Zeitung „Rheinpfalz“hatte Wagenknecht gesagt, sie würde nach der Legislaturperiode als Publizistin arbeiten „oder es ergibt sich etwas politisch Neues“. Dieses „oder“nährt Spekulationen bezüglich einer neuen Partei. Umfragen zufolge könnte eine Wagenknecht-partei mit 20 bis 30 Prozent Wählerstimmen rechnen, auch wenn nicht klar ist, welche politische Ausrichtung die Befragten erwarten.
Fakt ist, dass eine erneute Aufstellung Wagenknechts durch ihren nordrhein-westfälischen Landesverband eher unwahrscheinlich gewesen wäre. Der hatte gerade erklärt, nicht „hinnehmen“zu wollen, dass Linke gemeinsam mit Rechtsextremisten auf Friedenskundgebungen demonstrieren. Fakt ist auch: Beide linke Lager lehnen Waffenlieferungen an die Ukraine ab. In Beschlüssen von Partei und Fraktion wird allerdings das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine, die Verurteilung Russlands und die Forderung nach einem russischen Truppenrückzug stärker betont.
Ob es zur Gründung einer neuen Partei kommt, ist unklar. Dass Wagenknecht und ihr Umfeld die organisatorischen Fähigkeiten für eine Parteigründung haben, wird von vielen bezweifelt. Sollte es aber tatsächlich eine neue Partei geben, droht der Linkspartei der Sturz in die Bedeutungslosigkeit.