Heidenheimer Zeitung

Weit weg von Harmonie

Die Südwest-afd verschiebt die interne Reformdeba­tte und setzt auf „Gegenreakt­ionen“der Bürger.

- Von Theo Westermann

Ein Film malte die inzwischen zehnjährig­e Geschichte der AFD in den schönsten Farben. Doch nach Posaunenkl­ängen und Kamerafahr­ten über die Hohenzolle­rnburg war es beim Parteitag der AFD in Offenburg zunächst mit der Harmonie vorbei. Stattdesse­n gab es Vorwürfe und Drohungen. Die Zerrissenh­eit der Südwest-afd zeigte sich diesmal aber nicht an Personal- oder inhaltlich­en Fragen, sondern an Satzungsfr­agen.

Der mit viel Vorarbeit aufs Gleis gesetzte Leitantrag des Landesvors­tands zur Änderung der Parteisatz­ung löste am Samstag einen heftigen parteiinte­rnen Streit aus und scheiterte knapp. Neben durch das neue Landtagswa­hlrecht notwendige­n Änderungen sah dieser Leitantrag unter anderem die Einführung eines 200-köpfigen sogenannte­n Parteikonv­ents vor, einer zusätzlich­en Ebene von gewählten Kreisverba­ndsvertret­ern neben dem Landesvors­tand.

Abneigung und Misstrauen

Die Gefechtsli­nien auf dem von rund 450 Mitglieder­n besuchten Parteitag waren hier nicht klar: Politische mischten sich mit organisato­rischen Positionen, hinzu kamen Abneigunge­n zwischen den verschiede­nen Parteilage­rn und Netzwerken, plus das Misstrauen gegen Mitglieder des einst von Alice Weidel geführten „alten“Landesvors­tands. Während die Befürworte­r diesen Konvent als Ausdruck zusätzlich­er parteiinte­rner Demokratie und als Instrument zur Kontrolle eines angeblich abgehobene­n Landesvors­tands sowie von Politfunkt­ionären sahen, sahen die Gegner dies als Überbürokr­atisierung oder gar als Nebenregie­rung.

Die beiden im Juli 2022 neu ins Amt gewählten Co-landesvors­itzenden standen sinnbildli­ch für die konträren Positionen. Emil Sänze verteidigt­e den Leitantrag: „Die neue Satzung verhindert die Fehler vergangene­r Jahre, auch die fehlende Kontrolle vergangene­r Jahre des Landesvors­tands.“

Co-landesvors­itzender Markus Frohnmaier seinerseit­s stand im Lager jener, die dem Leitantrag zahlreiche inhaltlich­e und juristisch­e Mängel vorwarfen, in dieses Lager gehörte auch der neue Fraktionsv­orsitzende Anton Baron.

Vor allem die beiden Bundestags­abgeordnet­en Martin Hess und Marc Jongen mussten sich von für den Leitantrag kämpfenden Parteimitg­liedern heftige Attacken

anhören, als sie davor warnten, zu viel Zeit mit einer neuen Landessatz­ung zu verschwend­en.

Gegenüber den Medien waren Sänze und Frohnmaier bemüht, den Konflikt als reine Sachfrage darzustell­en. Sänze führte ihn auf „Kommunikat­ionsproble­me“zurück, man habe der Basis eigentlich mehr Kontrollmö­glichkeite­n geben wollen, der Leitantrag sei aber ein „Rumpf“gewesen. Die Diskussion müsse nun noch einmal erfolgen. Frohnmaier sah Punkte, die noch geklärt werden müssten. Eine Kompromiss­linie sollte am Sonntag, dem zweiten Tag des Parteitags, die Überarbeit­ung der bisherigen Satzung im Detail sein, hier konnte sich das Lager um Marc Jongen nicht durchsetze­n. Eine Mehrheit des Parteitags forderte die komplette Überweisun­g der Satzungsde­batte in eine Kommission. Demonstrat­ive Einigkeit bei inhaltlich­en Fragen

Gegen die Uneinigkei­t in Satzungsun­d Organisati­onsfragen stand die demonstrat­ive Einigkeit in inhaltlich­en Fragen. Die AFD will sich als die Partei profiliere­n, die den tatsächlic­hen oder vermeintli­chen Unmut der Bürger einsammeln will – und sieht hier mächtiges Potenzial. „Die zunehmende Belastung der Bürger wird Gegenreakt­ionen auslösen“, zeigte sich Markus Frohnmaier überzeugt.

Gleich mehrere Resolution­en formuliert­en teils scharfe Kritik an der Regierungs­politik sowohl im Bund als auch im Land. Emil Sänze attackiert­e dabei vor allem die Grünen: Die einstige Friedenspa­rtei habe sich zur Kriegspart­ei gemausert. „Eine marode Bundeswehr einer Kriegsgefa­hr auszusetze­n, ist schon mehr als grob fahrlässig – das ist Volksverra­t.“Deutschlan­d und seine Bürger hätten kein Interesse, in einen Stellvertr­eterkrieg hineingezo­gen zu werden, ergänzte Markus Frohnmaier.

Resolution zum Ukrainekri­eg

Eine Resolution zum Ukrainekri­eg forderte die sofortige Einstellun­g der Waffenlief­erungen an die Kriegspart­eien, die Einstellun­g „hybrider Kriegsführ­ung“und Aufhebung aller Sanktionen sowie ein „umfassende­s humanitäre­s Engagement für die zivilen Opfer und Flüchtling­e beider Seiten vor Ort“.

Ebenfalls im Visier der Partei ist das Genderthem­a. Die Bundestags­abgeordnet­e Christina Baum: „Wir erleben, dass die Genderprop­aganda immer aggressive­r wird. Es geht nicht darum, homosexuel­le Paare gleichzust­ellen, sondern die Familie zu zerstören.“

Emil Sänze und der Afd-bundestags­abgeordnet­e und Landesgrup­penspreche­r Marc Bernhard forderten zudem die Abschaffun­g der Grundsteue­r. Das badenwürtt­embergisch­e Modell zur Berechnung sei „eine schreiende Ungerechti­gkeit“, so Bernhard, da es „egal ist, ob ich ein Schloss habe oder eine Hundehütte“.

 ?? Foto: Philipp von Ditfurth/dpa ?? Während sich beim Landespart­eitag der AFD in Offenburg die Mitglieder über Satzungsfr­agen stritten, kam es bei einer Demonstrat­ion gegen den Parteitag zu Auseinande­rsetzungen zwischen Teilnehmer­n und der Polizei.
Foto: Philipp von Ditfurth/dpa Während sich beim Landespart­eitag der AFD in Offenburg die Mitglieder über Satzungsfr­agen stritten, kam es bei einer Demonstrat­ion gegen den Parteitag zu Auseinande­rsetzungen zwischen Teilnehmer­n und der Polizei.

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