Heidenheimer Zeitung

Wenn Libellen schwirren

Knapp 300 Gäste und glänzend aufgelegte Künstlerin­nen und Künstler sorgten für einen gelungenen Auftakt des 5. Gitarrenfe­stivals im Bürgerhaus Schranne.

- Von Marita Kasischke

Drei Jahre hat sich die Gitarrense­hnsucht angestaut. Jetzt haben wir alle Gitarrenbe­darf “, so begrüßte Jule Malischke ihr Publikum am Freitagabe­nd in der Schranne zum 5. Gitarrenfe­stival Giengen.

Oberbürger­meister Dieter Henle hielt Rückschau: Vor drei Jahren sei das Gitarrenfe­stival die erste Veranstalt­ung in Giengen gewesen, die wegen Corona abgesagt werden musste. Für die Künstler begann eine lange Zeit des Verzichts.

Die Zuhörer waren alle wieder da. Und tatsächlic­h war der Gitarrenbe­darf groß: Knapp 300 Besucher, beileibe nicht nur aus Giengen, sorgten für ein volles Haus, in dem über drei Stunden hinweg große Begeisteru­ng herrschte.

Und ihr Bedarf wurde mehr als gestillt: Vielfalt an Gitarrente­chniken, an unterschie­dlichen Stilrichtu­ngen und bestens aufgelegte Künstler – besser hätte der Auftakt zum Festival gar nicht laufen können.

Prominenz nach Giengen gelockt

Jule Malischke hatte internatio­nale Gitarrenpr­ominenz nach Giengen gelockt. Die Prominenz hatte offensicht­lich große Lust darauf, mit ihr zusammen was auf die Beine zu stellen. „Legendär“, nannte sie der mehrfach ausgezeich­nete schottisch­e Akustikfin­gerstyle-gitarrist Will Mcnicol, der eigens aus dem englischen Dorset angereist war.

Mitgebrach­t hatte er Libellen, Frösche und Hummeln, die sich in einer munteren Party tummeln durften. Das natürlich musikalisc­h: Die einzelnen musikalisc­hen Themen für jedes Tier wären an sich schon hörenswert und begeistern­d gewesen, Will Mcnicol vereinte sie darüber hinaus zu einer mitreißend­en Mischung, bei der man gewisserma­ßen Geschwirr, Gesums und Gehops direkt vor Augen hatte.

Wenn man nicht gerade auf Mcnicols Finger starrte: Denn was die da über den Saiten zauberten, in welcher Geschwindi­gkeit und Behändigke­it, das verblüffte allemal. Und obendrein verstand es Mcnicol auch glänzend, sein Publikum mit den Geschichte­n zu seinen Stücken zu unterhalte­n: Da war das Wiegenlied für seinen Sohn, das in einem Blues endet, weil der Sohn nicht schlafen möchte, der Hommage an seinen Wohnort Dorset und den Regen in der chinesisch­en Stadt Wuxi.

Ein Überraschu­ngsgast

Überraschu­ngsgast an diesem Abend, charmant und locker moderiert von Kulturamts­leiter Andreas Salemi, war Margaretha Lackner: eine junge Künstlerin aus Ungarn, die an der Hochschule für Musik in Dresden studiert.

Dort mag ihr Talent Jule Malischke aufgefalle­n sein. Mit einer Mazurka und ihren Eigenkompo­sitionen, vor allem aber mit ihrem bereits ausgeprägt­en Stil und Können sorgte sie für eine gelungene Einstimmun­g in den Abend.

Antonio Forcione, der, wie es heißt, „Jimi Hendrix der Akustikgit­arre“, ist schon einer der großen des Genres. Was nun nicht bedeutet, dass er die Gitarre mit der Zunge spielt, sondern ganz einfach eine explosive Virtuositä­t und eine nicht enden wollende Spielfreud­e an den Tag legt.

Und eine gehörige Prise Humor obendrein: Da konnte es schon sein, dass ein kleines „Strangers in the night“in seinem Blues aufblühte. Es blühte aber vor allem seine unglaublic­he Technikvie­lfalt: Da wird gezupft, geklopft, gestrichen und sogar als Percussion-instrument wird die Gitarre da verwendet.

Das war schon in seinen Solostücke­n ein Genuss, noch prägnanter wurde dies im Zusammensp­iel mit Jule Malischke: Als ob zwei Gitarren mit einer Stimme sprächen. Bei den Darbietung­en gerieten gar Schwaben aus dem Häuschen. Das Publikum lieferte wie gewünscht ein „Yeah“aus vollem Herzen an den richtigen Stellen.

Eigene 3-G-regelung

Und dieses „Yeah“möchte man auch Jule Malischke selbst zurufen: Nicht nur, dass sie einen großartige­n Abend mit Künstlern zusammenge­stellt hatte, die sonst Giengen auf der Landkarte nicht mal gesucht hätten, sie beeindruck­te auch mit einem weiteren Beweis ihrer Weiterentw­icklung, und das gilt sowohl für ihre Gitarrenku­nst als auch für sie als Singer/songwriter. „Seagull“und „He waited“waren Beispiele dafür, dass sie den Vergleich mit Namen wie Joni Mitchell oder auch Alanis Morisette nicht zu scheuen braucht. Und sie hat die Vokalisen für sich entdeckt: Hauchdünn ließ sie ihre warme Stimme über dem Gitarrenso­und schweben und schuf damit eine ganz eigene aparte Mischung.

Nach der Corona-pause hat Malischke eine ganz eigene 3-G-regel aufgestell­t: Gitarren. Giengen. Großartig.

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Foto: Markus Brandhber Großartig und gefühlvoll war der Auftakt zum Gitarren-festival in der Schranne.

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