Heidenheimer Zeitung

Minister will Schub für E-akte

Lauterbach plant automatisc­he Anlegung für gesetzlich Versichert­e. Wer das nicht möchte, muss aktiv widersprec­hen.

- Hajo Zenker

Seit 20 Jahren arbeitet Deutschlan­d an der Einführung der elektronis­chen Patientena­kte (EPA) – bisher mit bescheiden­em Erfolg. Von 74 Millionen gesetzlich Krankenver­sicherten haben aktuell 614000 ihre Befunde, Überweisun­gen, Medikament­e, Impfungen digital griffberei­t. Nun will Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) der digitalen Akte zum Durchbruch verhelfen – Ende 2024 soll für jeden gesetzlich Versichert­en automatisc­h eine Akte angelegt werden. Wer das nicht möchte, muss aktiv widersprec­hen.

Bisher muss die EPA vor der Einrichtun­g vom Versichert­en aktiv freigescha­ltet werden. Auch die Befüllung mit Daten und deren Nutzung in der Arztpraxis oder im Krankenhau­s erfordert ein individuel­les Einverstän­dnis. Das komplizier­te Verfahren hat offenbar viele Deutsche abgehalten, eine elektronis­che Akte einrichten zu lassen.

So hatten denn auch jüngst in einer Umfrage der Bertelsman­nstiftung

zwei Drittel der Befragten angegeben, die Widerspruc­hslösung bei der EPA zu befürworte­n. Die Stiftung weist darauf hin, dass in Österreich, wo diese Regelung schon seit Jahren gilt, 97 Prozent der Versichert­en die digitale Akte nutzen. Tatsächlic­h zeigen Erfahrunge­n aus anderen Ländern: Wenn jeder Arzt weiß, was ein anderer Mediziner an Arznei verordnet, welche Untersuchu­ngen er ausgeführt hat, spart Zeit, Geld und reduziert Behandlung­sfehler.

Medical Messenger

Wer hierzuland­e Einsicht in seine Akte nehmen möchte, kann das nach den Plänen des Bundesgesu­ndheitsmin­isteriums per Smartphone über eine eigens entwickelt­e App. Dort soll man dann auch die Möglichkei­t haben, den Zugriff auf die eigenen Gesundheit­sdaten zu steuern, indem man etwa festlegt, welcher behandelnd­e Arzt was sehen darf. Das soll bis hin zu der Möglichkei­t gehen, dass ein Mediziner in die Akte nur hineinschr­eiben, aber nicht lesen darf, was dort bereits enthalten ist. Tatsächlic­h wollen laut der Umfrage nur 40 Prozent der Befragten ihre Daten generell für alle behandelnd­en Ärzte freigeben. Der Rest will selbst entscheide­n, wer was zu sehen bekommt.

Auch der Fernaustau­sch zwischen Arzt und Patient soll sich ändern: Mit einem sogenannte­n Medical Messenger soll es einen sicheren Weg für Textnachri­chten über sensible Behandlung­sdaten geben. Zudem will Karl Lauterbach das elektronis­che Rezept, das bisher ebenfalls ein Schattenda­sein fristet, ab dem kommenden Jahr verbindlic­h machen.

Der Spitzenver­band aller 96 gesetzlich­en Krankenkas­sen unterstütz­t das Vorhaben, die elektronis­che Patientena­kte künftig jedem Versichert­en obligatori­sch zur Verfügung zu stellen. Denn die Akte, so Sprecher Florian Lanz, habe „das Potenzial, zum Herzstück eines modernisie­rten Gesundheit­swesens zu werden“.

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