Alter Streit und neue Zuversicht
Zwei Tage dauerte die Kabinettsklausur in Meseberg. Es ging unter anderem um die Finanzierung des Haushalts und Verteidigung.
Auf dem Video ist zu sehen, wie Olaf Scholz einen Schneeball mit bloßen Händen formt. Später bestätigt der Kanzler, er habe ihn auch geworfen, „aber auf niemanden drauf“. Weder Schneeball- noch sonstige Schlachten also bei der Klausurtagung des Kabinetts im brandenburgischen Schloss Meseberg. Im Gegenteil: Informativ, instruktiv und sehr konstruktiv verliefen laut Scholz die beiden Tage. Schwerpunkte waren die Transformation hin zu einer klimaneutralen Volkswirtschaft und die Digitalisierung. Fortschritte und „ein spürbares Unterhaken“habe es auch in den informellen Gesprächen gegeben, so Scholz. Der Inhalt? Vertraulich. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wurde deutlicher: „Wir haben keine Haushaltsgespräche hier auf Schloss Meseberg geführt.“Er bereite den Kabinettsentwurf zum Etat 2024 vor. Inwiefern die Koalitionspartner mitentscheiden dürfen, blieb offen.
Finanzierung Insgesamt übersteigen die Forderungen aus allen Ressorts die Haushaltspläne von Lindner um 70 Milliarden Euro. Fest erklärtes Ziel des Fdp-chefs ist es, die Schuldenbremse auch im Haushalt 2024 einzuhalten: „Der einfache Ausgang, mehr Geld ausgeben, für das man Schulden macht, der besteht nicht mehr.“Es brauche eine Prioritätensetzung. Denn er sei in der Verantwortung, dass Bürger nicht durch wachsende Zinszahlungen oder höhere Steuern überlastet werden.
Sven-christian Kindler sieht das auch so: „Gemeinsam die richtigen Prioritäten in der Ampel setzen, darauf kommt es jetzt an“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-bundestagsfraktion dieser Zeitung. Allerdings scheinen für Kindler hierbei alle Ampel-partner in der Verantwortung und nicht nur der Finanzminister. „Die Spitzen der Koalition werden diese Prioritäten nun gemeinsam festlegen“– auf Grundlage des Koalitionsvertrages.
Verteidigung Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte schon bei seiner Amtsübernahme über das Sondervermögen für die Bundeswehr gesagt: „Die 100 Milliarden werden nicht reichen.“Inzwischen steht weitgehend fest, was er genau meint: Im Raum steht eine Erhöhung des regulären Verteidigungsbudgets um zehn Milliarden Euro. Leicht wird es für Pistorius nicht. Denn auch die zehn Milliarden Euro sind schnell weg: Mehr als 40 Prozent des Verteidigungsbudgets machen die Personal- und Versorgungsausgaben aus. Zugleich muss aus den seit einem Jahr bereitgestellten 100 Milliarden Euro endlich eine bessere Bundeswehr werden. Bislang ist es allerdings eher so, dass die Militärhilfen für die Ukraine zusätzlich Lücken in die Ausrüstung reißen.
Ausgegeben ist von dem Sondervermögen nichts, verplant nur ein Bruchteil. Auch wenn das mit den langen Vorlaufzeiten für Rüstungsbestellungen erklärt werden kann, steigt der Druck. Das gilt erst recht für die nötigen internen Veränderungen: „Es bestehen weiterhin Strukturprobleme bei der Bundeswehr, insbesondere im Beschaffungswesen, die nicht durch mehr Geld zu lösen sind“, moniert Kindler. Und dann ist da noch eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, an die auch Kindler erinnert: Erhöhungen im
Verteidigungshaushalt sollen Mehrausgaben „im Maßstab eins zu eins“für Entwicklungszusammenarbeit nach sich ziehen. „Eine Zeitenwende ohne eine starke Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit wird scheitern.“In Lindners Planungen würde das ein weiteres Loch reißen.
Eines der teuersten Projekte ist die Kindergrundsicherung. In ihr werden das Kindergeld und weitere Sozialleistungen für Familien zusammengeführt, Antragsverfahren und Auszahlung sollen vereinfacht und digitalisiert werden, sodass mehr Familien die Leistungen in Anspruch nehmen, die ihnen bisher theoretisch schon zustehen. Bisher stritten Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Lindner vor allem über die Finanzierung, denn Paus kommt auf jährliche Mehrkosten von zwölf Milliarden Euro. Für Lindner steht das unbürokratische Zusammenlegen der Leistungen im Vordergrund. Zwei bis drei Milliarden Euro seien dafür „sicher zu leisten“, sagte Lindner bei der Abschlusspressekonferenz in Meseberg. Das gelte erst für den Haushalt 2025. „Alle drei Partner sind jetzt bei der erfolgreichen Realisierung und der ausreichenden Finanzierung der Kindergrundsicherung in den Haushaltseckwerten gefragt“, betonte Grünenhaushälter Kindler. „Um Kinder aus der Armut zu holen, müssen wir das Existenzminimum für Kinder, Entbürokratisierung, Digitalisierung, Arbeitsanreize für Familien und die nötige Finanzierung zu einem Gesamtkonzept zusammenbringen“, sagte er. Lindners Eckpunkte zum Haushalt 2024 sollen am 15. März im Kabinett vorgelegt werden.