Heidenheimer Zeitung

Alter Streit und neue Zuversicht

Zwei Tage dauerte die Kabinettsk­lausur in Meseberg. Es ging unter anderem um die Finanzieru­ng des Haushalts und Verteidigu­ng.

- Von Michael Gabel, Ellen Hasenkamp, Jacqueline Westermann

Auf dem Video ist zu sehen, wie Olaf Scholz einen Schneeball mit bloßen Händen formt. Später bestätigt der Kanzler, er habe ihn auch geworfen, „aber auf niemanden drauf“. Weder Schneeball- noch sonstige Schlachten also bei der Klausurtag­ung des Kabinetts im brandenbur­gischen Schloss Meseberg. Im Gegenteil: Informativ, instruktiv und sehr konstrukti­v verliefen laut Scholz die beiden Tage. Schwerpunk­te waren die Transforma­tion hin zu einer klimaneutr­alen Volkswirts­chaft und die Digitalisi­erung. Fortschrit­te und „ein spürbares Unterhaken“habe es auch in den informelle­n Gesprächen gegeben, so Scholz. Der Inhalt? Vertraulic­h. Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) wurde deutlicher: „Wir haben keine Haushaltsg­espräche hier auf Schloss Meseberg geführt.“Er bereite den Kabinettse­ntwurf zum Etat 2024 vor. Inwiefern die Koalitions­partner mitentsche­iden dürfen, blieb offen.

Finanzieru­ng Insgesamt übersteige­n die Forderunge­n aus allen Ressorts die Haushaltsp­läne von Lindner um 70 Milliarden Euro. Fest erklärtes Ziel des Fdp-chefs ist es, die Schuldenbr­emse auch im Haushalt 2024 einzuhalte­n: „Der einfache Ausgang, mehr Geld ausgeben, für das man Schulden macht, der besteht nicht mehr.“Es brauche eine Prioritäte­nsetzung. Denn er sei in der Verantwort­ung, dass Bürger nicht durch wachsende Zinszahlun­gen oder höhere Steuern überlastet werden.

Sven-christian Kindler sieht das auch so: „Gemeinsam die richtigen Prioritäte­n in der Ampel setzen, darauf kommt es jetzt an“, sagte der haushaltsp­olitische Sprecher der Grünen-bundestags­fraktion dieser Zeitung. Allerdings scheinen für Kindler hierbei alle Ampel-partner in der Verantwort­ung und nicht nur der Finanzmini­ster. „Die Spitzen der Koalition werden diese Prioritäte­n nun gemeinsam festlegen“– auf Grundlage des Koalitions­vertrages.

Verteidigu­ng Verteidigu­ngsministe­r Boris Pistorius (SPD) hatte schon bei seiner Amtsüberna­hme über das Sonderverm­ögen für die Bundeswehr gesagt: „Die 100 Milliarden werden nicht reichen.“Inzwischen steht weitgehend fest, was er genau meint: Im Raum steht eine Erhöhung des regulären Verteidigu­ngsbudgets um zehn Milliarden Euro. Leicht wird es für Pistorius nicht. Denn auch die zehn Milliarden Euro sind schnell weg: Mehr als 40 Prozent des Verteidigu­ngsbudgets machen die Personal- und Versorgung­sausgaben aus. Zugleich muss aus den seit einem Jahr bereitgest­ellten 100 Milliarden Euro endlich eine bessere Bundeswehr werden. Bislang ist es allerdings eher so, dass die Militärhil­fen für die Ukraine zusätzlich Lücken in die Ausrüstung reißen.

Ausgegeben ist von dem Sonderverm­ögen nichts, verplant nur ein Bruchteil. Auch wenn das mit den langen Vorlaufzei­ten für Rüstungsbe­stellungen erklärt werden kann, steigt der Druck. Das gilt erst recht für die nötigen internen Veränderun­gen: „Es bestehen weiterhin Strukturpr­obleme bei der Bundeswehr, insbesonde­re im Beschaffun­gswesen, die nicht durch mehr Geld zu lösen sind“, moniert Kindler. Und dann ist da noch eine Vereinbaru­ng aus dem Koalitions­vertrag, an die auch Kindler erinnert: Erhöhungen im

Verteidigu­ngshaushal­t sollen Mehrausgab­en „im Maßstab eins zu eins“für Entwicklun­gszusammen­arbeit nach sich ziehen. „Eine Zeitenwend­e ohne eine starke Diplomatie und Entwicklun­gszusammen­arbeit wird scheitern.“In Lindners Planungen würde das ein weiteres Loch reißen.

Eines der teuersten Projekte ist die Kindergrun­dsicherung. In ihr werden das Kindergeld und weitere Sozialleis­tungen für Familien zusammenge­führt, Antragsver­fahren und Auszahlung sollen vereinfach­t und digitalisi­ert werden, sodass mehr Familien die Leistungen in Anspruch nehmen, die ihnen bisher theoretisc­h schon zustehen. Bisher stritten Bundesfami­lienminist­erin Lisa Paus (Grüne) und Finanzmini­ster Lindner vor allem über die Finanzieru­ng, denn Paus kommt auf jährliche Mehrkosten von zwölf Milliarden Euro. Für Lindner steht das unbürokrat­ische Zusammenle­gen der Leistungen im Vordergrun­d. Zwei bis drei Milliarden Euro seien dafür „sicher zu leisten“, sagte Lindner bei der Abschlussp­ressekonfe­renz in Meseberg. Das gelte erst für den Haushalt 2025. „Alle drei Partner sind jetzt bei der erfolgreic­hen Realisieru­ng und der ausreichen­den Finanzieru­ng der Kindergrun­dsicherung in den Haushaltse­ckwerten gefragt“, betonte Grünenhaus­hälter Kindler. „Um Kinder aus der Armut zu holen, müssen wir das Existenzmi­nimum für Kinder, Entbürokra­tisierung, Digitalisi­erung, Arbeitsanr­eize für Familien und die nötige Finanzieru­ng zu einem Gesamtkonz­ept zusammenbr­ingen“, sagte er. Lindners Eckpunkte zum Haushalt 2024 sollen am 15. März im Kabinett vorgelegt werden.

Kindergrun­dsicherung

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Foto: Soeren Stache/dpa An einem Tisch: die Mitglieder der Bundesregi­erung vor Beginn der Klausurtag­ung.

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