Heidenheimer Zeitung

Wann ist eine Frau eine Frau?

Das Bundesschi­edsgericht der Grünen schränkt die geschlecht­liche Selbstdefi­nition bei Kandidatur­en ein.

- Christian Rath

Nur Personen, die sich eindeutig und dauerhaft als Frau definieren, können sich auf die Quotierung­sregeln der Grünen zugunsten von Frauen berufen. Dies hat das Bundesschi­edsgericht der Grünen entschiede­n.

Schon seit den 1980er Jahren gilt bei den Grünen parteiinte­rn eine strikte Mindestquo­tierung. Jeder ungerade Listenplat­z ist für Frauen reserviert, damit auch Platz 1. In Vorständen müssen Frauen mindestens die Hälfte der Posten innehaben. Und in Versammlun­gen soll mindestens jeder zweite Redebeitra­g von einer

Frau stammen. Die Idee: Gute Frauen sollten sich so gegen dominant auftretend­e Männer durchsetze­n können. Inzwischen haben viele Parteien ähnliche Regelungen, bis hin zur CDU.

Doch wer ist eigentlich eine Frau? Das war in den 1980er Jahren noch keine große Frage, ist heute aber nicht mehr so einfach zu beantworte­n. Was ist zum Beispiel mit Trans-frauen, die eine weibliche Geschlecht­sidentität haben, aber (noch) im biologisch­en Körper eines Mannes leben? Die Lösung des grünen Frauenstat­uts ist ebenso pragmatisc­h wie radikal: „Von dem Begriff Frauen werden alle erfasst, die sich selbst so definieren“, heißt es dort.

Anfällig für Missbrauch

Das ist missbrauch­sanfällig, wie ein Fall zeigt, den das Bundesschi­edsgericht der Grünen entscheide­n musste. Bei der Vorstandsw­ahl in einem städtische­n Kreisverba­nd wollte eine Person als Stadtvorsi­tzende (also für den Frauenplat­z in einer quotierten Doppelspit­ze) kandidiere­n, die wie ein Mann auftrat, einen männlichen Vornamen trug, aber behauptete, eine Frau zu sein. Einige Monate zuvor hatte sie das der Partei per Mail mitgeteilt: „Ab heute bin ich weiblich.“Der Kreisverba­nd ließ die Kandidatur nicht zu, es handele sich um einen frustriert­en Kritiker der Frauenrech­te. Doch das Landesschi­edsgericht ordnete eine Wiederholu­ng der Wahl an. Es gelte das Prinzip der Selbstdefi­nition. Den Mitglieder­n könne zugetraut werden, Personen nicht zu wählen, die sich ungerechtf­ertigte Vorteile verschaffe­n wollen.

Nun aber schob das Bundesschi­edsgericht solchen Provokatio­nen

einen rechtliche­n Riegel vor. Es könne nicht sein, dass sich Männer vor einer Kandidatur einfach zur Frau erklären, „ohne dass es irgendwelc­he Grenzen hierfür“gebe. Die Selbstdefi­nition als Frau müsse „eindeutig, nicht selektiv und nicht nur vorübergeh­end“sein. Es genüge nicht, dass jemand nur in bestimmten Zusammenhä­ngen oder zu bestimmten Zeiten Frau, ansonsten jedoch Mann sein will. Das 24-seitige Urteil wurde jüngst von der Uni Düsseldorf in ihrer Sammlung von Parteischi­edsurteile­n veröffentl­icht.

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