London verschärft Asylrecht
Innenministerin Suella Braverman legt ein Gesetz vor, das die Einreise von Flüchtlingen per Boot zur Straftat erklärt.
Die britische Innenministerin Suella Braverman will notfalls gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen, um die Flüchtlingskrise im Ärmelkanal zu beenden. In diesem Jahr kamen in Großbritannien mehr als 3000 Bootsflüchtlinge an, die von Frankreich oder Belgien aus übergesetzt haben, und im letzten Jahr war es die Rekordzahl von mehr als 45 000. Das hat zu einer politischen Krise geführt, lautete doch eine der Kernversprechen des Brexit, „die Kontrolle über die Grenzen zurückzugewinnen“.
Am Dienstag brachte Innenministerin Braverman in London ein Gesetz im Unterhaus ein, das illegal Eingereisten das Recht entzieht, im Königreich um Asyl zu bitten. „Wir reizen die Grenzen internationalen Rechts aus, um diese Krise zu lösen“, hatte Ministerin Bravermann zuvor gegenüber der Zeitung „Daily Express“geäußert.
Die Gesetzesvorlage „Illegal Immigration Bill“erklärt eine Flucht per Boot zur Straftat. Wer unerlaubt einreist, wird verhaftet und festgehalten und darf keinen Asylantrag stellen. Illegale Einwanderer sollen ins Heimatland abgeschoben oder in ein sicheres Drittland deportiert werden, von wo aus sie einen Asylantrag stellen können. Alle Migranten, die abgeschoben wurden, werden nie wieder die Erlaubnis bekommen, nach Großbritannien einzureisen, geschweige denn, sich im Königreich niederzulassen. Ausnahmen soll es nur für Flüchtlinge unter 18 Jahre und für Schwerkranke geben. Obwohl das Gesetz noch nicht verabschiedet ist, soll es rückwirkend ab Dienstag gelten, um einen Flüchtlingsansturm vor Inkrafttreten zu vermeiden.
Abschied von Konvention
Das britische Rote Kreuz nannte die Pläne „extrem beunruhigend“. Kritiker weisen darauf hin, dass die „Illegal Immigration Bill“internationales Recht brechen würde, weil sie die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 verletzt. Colin Yeo, ein auf Asylrecht spezialisierter Rechtsanwalt, erwartet, dass die Regierung aufgrund einer längeren Inhaftierung von Flüchtlingen vor den Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg zitiert werden wird. Zurzeit wird vor britischen Gerichten verhandelt, ob eine Abschiebung nach Ruanda mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist. Auch gegen das neue Gesetz erwartet die Regierung Anfechtungen vor Gericht.
Das hält sie nicht von ihrem drakonischen Kurs in der Asylpolitik ab. Premierminister Rishi Sunak hatte erklärt, dass eine der fünf politischen Prioritäten seiner Amtszeit sei, „ein für alle Mal die Boote zu stoppen“. Innenministerin Braverman insistiert: „Die einzige Route ins Königreich wird eine sichere und legale Route sein.“Freilich existieren zurzeit nur wenige legale Routen für Flüchtlinge – es gibt sie etwa für Afghanen, Chinesen aus Hongkong und Ukrainer.