Lieber Frauentag,
wenn ein Mann Dich bemerkt, dann bin ich das. Ich mag Frauen. Ich habe meine Teenagerjahre in einer Schulklasse genossen, in der zwei Jungen auf zehn Mädchen kamen. Das Ganze in der zweiten Hälfte eines Jahrzehnts, an dessen Ende Women’s Liberation nicht nur im Text eines berühmten Songs von Frank Zappa Aufmerksamkeit erregt hatte. Das prägt.
Nicht zuletzt aber gemahnst Du mich, Frauentag, daran, dass ich schon mal meiner Zeit voraus war. Denn heute reden alle davon, damals nur ich und zuvor eine Frau mit grünem Parteibuch. Diese hatte, so um den Frauentag des Jahres 2000 herum, moniert, dass in einem Artikel der Auftritt zweier Damen aus Übersee mit dem Attribut herrlich belegt worden war. Das war nicht witzig gemeint, da schien schon ganz humorlos der Sonnenuntergang jener rein ideologisch operierenden Genderfraktion durch, die heute unter frommem Vorwand recht weit dabei vorangekommen ist, die Sprache nach ihren Vorstellungen zu säubern.
Auf dementsprechend kompromisslos unfruchtbaren Boden fiel denn auch mein in einer Glosse hier im Blatt abgegebenes Versprechen, als eine Art Buße in Zukunft nie mehr „herrlich“, sondern nur noch „dämlich“schreiben zu wollen. Im Gegenteil. Es fielen weitere grüne Damen in Leserbriefen über mich her, die Gründe meiner Entgleisung wurden wahlweise in einer zu klein geratenen Mannesehre oder einem zu lang getragenen Schlips gesucht. Dabei bevorzuge ich die Fliege. Und die ist eine Frau.
Der Frauentag hingegen ist, so betrachtet, ein Mann. Doch dass er, jetzt mal Spaß beiseite, seit über hundert Jahren ohne durchschlagenden Erfolg begangen wird, beweist, dass Symbolismus nicht reicht. Und wo nun immer aggressiver angeboten wird, die Probleme auf sprachlicher Basis lösen zu können, ist das wieder nur so eine Aktion längst privilegierter Symbolisten, die ganz gut damit leben können, am Frauentag für Frauen eigentlich die widrigen Umstände zu zelebrieren, denen diese täglich ausgesetzt sind und deren Fortbestehen wiederum den Frauentag jedes Jahr aufs Neue ermöglicht. Aber das liest ja ohnehin niemand.