Heidenheimer Zeitung

Zwischen den großen Rivalen

Die Unternehme­n in Baden-württember­g bekommen den Konflikt zwischen den USA und China zu spüren – und ändern ihre Exportstra­tegie.

- Von Alexander Bögelein

Baden-württember­gs Maschinenb­auer, mit rund 330 000 Beschäftig­ten der größte industriel­le Arbeitgebe­r im Südwesten, gehen mit einem hohen Auftragspo­lster in ein weiteres herausford­erndes Jahr. Die Auftragsre­ichweite betrage noch zwölf Monate. Positiv sei auch, „dass sich der Stau in den Lieferkett­en bei einigen Materialie­n zunehmend auflöse“, sagte Dietrich Birk, Geschäftsf­ührer des VDMA in Baden-württember­g im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch die Kapazitäts­auslastung der Betriebe sei mit 88 Prozent gut.

Allerdings befänden sich die Unternehme­n unter einer Art Dauerstres­s: „Diese Vielzahl von teils sich überlappen­den Krisen ins so kurzer Zeit, hat es bisher noch nicht gegeben.“Mit Sorge schaut er auch aufs rückläufig­e Neugeschäf­t. Das hat sich nach seinen Worten im vergangene­n Jahr von Monat zu Monat verschlech­tert, im Dezember betrug das Minus 17 Prozent gegenüber dem Vorjahresw­ert. Fürs Gesamtjahr fiel das Minus im Auftragsei­ngang der Maschinenb­auer im Südwesten mit minus 7 Prozent höher aus als im gesamten Land (minus 4 Prozent).

Das liegt nach Birks Worten vor allem am Branchenmi­x im Südwesten, der stark im Werkzeugma­schinenbau und bei Präzisions­werkzeugen sei. „Eine Abschwungp­hase trifft den Maschinenb­au in Baden-württember­g stärker als die Maschinenb­auer im Rest der Republik, in der Regel fällt aber auch der Aufschwung stärker aus.“

Im vergangene­n Jahr kletterte der Export der Südwest-branche nominal zwar um 6 Prozent auf 46,5 Milliarden Euro. Berücksich­tigt man aber die Inflation, liegt das Wachstum laut Birk eher bei null. Bei Metallen, Kunststoff­en und Chemikalie­n habe sich die Lage auf den Beschaffun­gsmärkten zumindest beruhigt, sei aber noch weit entfernt

von einem „Normalzust­and“. Bei Computerch­ips und elektronis­chen Bauteilen gebe es immer noch spürbare Engpässe: „Das Thema wird uns 2023 und voraussich­tlich auch noch 2024 erhalten bleiben.“

Engpässe wohl noch bis 2024

Fürs laufende Jahr tut sich Birk mit einer Prognose schwer, zu unsicher sei das wirtschaft­liche Umfeld, in dem die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen auch wegen der stark gestiegene­n Zinsen geringer ausfallen könnte. Bundesweit werde im VDMA mit einem Produktion­sminus von 2 Prozent gerechnet.

Nach seiner Einschätzu­ng müssen sich die Unternehme­n auf weitere Störfaktor­en einstellen. Da sind zum einen die gestiegene­n Kosten und die konjunktur­elle Unsicherhe­it, die der russische Angriffskr­ieg gegen die Ukraine mit sich bringt, zum anderen hat der Ukrainekri­eg auch den Konflikt zwischen den Wirtschaft­sgroßmächt­en USA und China verschärft.

Für die Maschinenb­auer im Südwesten sind beide Länder mit Abstand die wichtigste­n Exportmärk­te: Ihr Export in die USA kletterte im Jahr 2022 um 22 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro, nach China sank er um 2 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. Dabei spielte auch die Null-covid-strategie der Regierung in Peking eine maßgebende Rolle, die die Konjunktur des Landes ausbremste. In bestimmten Hochtechno­logieberei­chen, so Birk, werde die USA den Druck auch auf deutsche Unternehme­n verstärken, dass sie nicht mehr nach China liefern.

„Unseren Unternehme­n ist bewusst, dass sie mit Blick auf die angespannt­e geopolitis­che Lage bei ihrer Internatio­nalisierun­g mehrgleisi­g fahren müssen“, sagt der Vdma-geschäftsf­ührer auch mit Blick auf die Lehren einer zu großen Energieabh­ängigkeit von Russland. Die meisten Unternehme­n stellten sich nicht nur bei den Liefer- und Wertschöpf­ungskette breiter auf, sondern versuchten in aufstreben­den Volkswirts­chaften wie Indien, Malaysia und Vietnam neue Absatzquel­len zu erschließe­n.

Duale Ausbildung im Ausland

Auch bei einem anderen zentralen Punkt soll das Ausland eine wichtige Rolle spielen. Denn Fachkräfte sind laut Birk ein Engpassfak­tor. Die Branche habe bei den Beschäftig­tenzahlen die Corona-delle hinter sich gelassen. Die Belegschaf­ten der Betriebe mit mehr als 50 Beschäftig­ten seien um 2 Prozent auf mehr als 300 000 gewachsen. Berücksich­tige man auch die kleineren Betriebe, so beschäftig­e der Maschinenb­au rund 340 000 Menschen.

Bereits heute fehlten 1700 Ingenieur-absolvente­n pro Jahr. Der Mangel an Ingenieure­n in der Südwest-branche werde bis zum Jahr 2035 auf 10 000 Fachkräfte in den Mint-berufen ansteigen. Mit Blick auf die älter werdenden Belegschaf­ten in den Betrieben setzt Birk auf eine Intensivie­rung des dualen Ausbildung­ssystems im Ausland. Das soll über die Niederlass­ungen deutscher Unternehme­n geschehen. Diese seien mit Produktion, Vertrieb und Service stark in Wachstumsm­ärkten vertreten. Dort müssten die Ausbildung­sbemühunge­n verstärkt werden. Die so gewonnenen Arbeitskrä­fte könnten in ihren Heimatländ­ern, aber auch in Deutschlan­d eingesetzt werden.

 ?? Foto: Martin Stollberg/trumpf Group ?? Die Ditzinger Trumpf-gruppe gehört zu den innovativs­ten Maschinenb­auern im Südwesten und arbeitet an dem Einsatz der Wasserstof­ftechnolog­ie. Unser Bild zeigt eine Mitarbeite­rin mit einer Bipolarpla­tte.
Foto: Martin Stollberg/trumpf Group Die Ditzinger Trumpf-gruppe gehört zu den innovativs­ten Maschinenb­auern im Südwesten und arbeitet an dem Einsatz der Wasserstof­ftechnolog­ie. Unser Bild zeigt eine Mitarbeite­rin mit einer Bipolarpla­tte.
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Foto: VDMA Dietrich Birk, Geschäftsf­ührer des VDMA Baden-württember­g

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