Zwischen den großen Rivalen
Die Unternehmen in Baden-württemberg bekommen den Konflikt zwischen den USA und China zu spüren – und ändern ihre Exportstrategie.
Baden-württembergs Maschinenbauer, mit rund 330 000 Beschäftigten der größte industrielle Arbeitgeber im Südwesten, gehen mit einem hohen Auftragspolster in ein weiteres herausforderndes Jahr. Die Auftragsreichweite betrage noch zwölf Monate. Positiv sei auch, „dass sich der Stau in den Lieferketten bei einigen Materialien zunehmend auflöse“, sagte Dietrich Birk, Geschäftsführer des VDMA in Baden-württemberg im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch die Kapazitätsauslastung der Betriebe sei mit 88 Prozent gut.
Allerdings befänden sich die Unternehmen unter einer Art Dauerstress: „Diese Vielzahl von teils sich überlappenden Krisen ins so kurzer Zeit, hat es bisher noch nicht gegeben.“Mit Sorge schaut er auch aufs rückläufige Neugeschäft. Das hat sich nach seinen Worten im vergangenen Jahr von Monat zu Monat verschlechtert, im Dezember betrug das Minus 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert. Fürs Gesamtjahr fiel das Minus im Auftragseingang der Maschinenbauer im Südwesten mit minus 7 Prozent höher aus als im gesamten Land (minus 4 Prozent).
Das liegt nach Birks Worten vor allem am Branchenmix im Südwesten, der stark im Werkzeugmaschinenbau und bei Präzisionswerkzeugen sei. „Eine Abschwungphase trifft den Maschinenbau in Baden-württemberg stärker als die Maschinenbauer im Rest der Republik, in der Regel fällt aber auch der Aufschwung stärker aus.“
Im vergangenen Jahr kletterte der Export der Südwest-branche nominal zwar um 6 Prozent auf 46,5 Milliarden Euro. Berücksichtigt man aber die Inflation, liegt das Wachstum laut Birk eher bei null. Bei Metallen, Kunststoffen und Chemikalien habe sich die Lage auf den Beschaffungsmärkten zumindest beruhigt, sei aber noch weit entfernt
von einem „Normalzustand“. Bei Computerchips und elektronischen Bauteilen gebe es immer noch spürbare Engpässe: „Das Thema wird uns 2023 und voraussichtlich auch noch 2024 erhalten bleiben.“
Engpässe wohl noch bis 2024
Fürs laufende Jahr tut sich Birk mit einer Prognose schwer, zu unsicher sei das wirtschaftliche Umfeld, in dem die Nachfrage nach Maschinen und Anlagen auch wegen der stark gestiegenen Zinsen geringer ausfallen könnte. Bundesweit werde im VDMA mit einem Produktionsminus von 2 Prozent gerechnet.
Nach seiner Einschätzung müssen sich die Unternehmen auf weitere Störfaktoren einstellen. Da sind zum einen die gestiegenen Kosten und die konjunkturelle Unsicherheit, die der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit sich bringt, zum anderen hat der Ukrainekrieg auch den Konflikt zwischen den Wirtschaftsgroßmächten USA und China verschärft.
Für die Maschinenbauer im Südwesten sind beide Länder mit Abstand die wichtigsten Exportmärkte: Ihr Export in die USA kletterte im Jahr 2022 um 22 Prozent auf 7,3 Milliarden Euro, nach China sank er um 2 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro. Dabei spielte auch die Null-covid-strategie der Regierung in Peking eine maßgebende Rolle, die die Konjunktur des Landes ausbremste. In bestimmten Hochtechnologiebereichen, so Birk, werde die USA den Druck auch auf deutsche Unternehmen verstärken, dass sie nicht mehr nach China liefern.
„Unseren Unternehmen ist bewusst, dass sie mit Blick auf die angespannte geopolitische Lage bei ihrer Internationalisierung mehrgleisig fahren müssen“, sagt der Vdma-geschäftsführer auch mit Blick auf die Lehren einer zu großen Energieabhängigkeit von Russland. Die meisten Unternehmen stellten sich nicht nur bei den Liefer- und Wertschöpfungskette breiter auf, sondern versuchten in aufstrebenden Volkswirtschaften wie Indien, Malaysia und Vietnam neue Absatzquellen zu erschließen.
Duale Ausbildung im Ausland
Auch bei einem anderen zentralen Punkt soll das Ausland eine wichtige Rolle spielen. Denn Fachkräfte sind laut Birk ein Engpassfaktor. Die Branche habe bei den Beschäftigtenzahlen die Corona-delle hinter sich gelassen. Die Belegschaften der Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten seien um 2 Prozent auf mehr als 300 000 gewachsen. Berücksichtige man auch die kleineren Betriebe, so beschäftige der Maschinenbau rund 340 000 Menschen.
Bereits heute fehlten 1700 Ingenieur-absolventen pro Jahr. Der Mangel an Ingenieuren in der Südwest-branche werde bis zum Jahr 2035 auf 10 000 Fachkräfte in den Mint-berufen ansteigen. Mit Blick auf die älter werdenden Belegschaften in den Betrieben setzt Birk auf eine Intensivierung des dualen Ausbildungssystems im Ausland. Das soll über die Niederlassungen deutscher Unternehmen geschehen. Diese seien mit Produktion, Vertrieb und Service stark in Wachstumsmärkten vertreten. Dort müssten die Ausbildungsbemühungen verstärkt werden. Die so gewonnenen Arbeitskräfte könnten in ihren Heimatländern, aber auch in Deutschland eingesetzt werden.