Heidenheimer Zeitung

Als letztes Mittel: Streik

Athletensp­recherin Karla Borger sieht Frauen noch immer benachteil­igt, auch wenn die Beachvolle­yballerin Verbesseru­ngen sieht.

- Von C. Stukenbroc­k und S. Thalmann, sid

Karla Borger ist verschnupf­t. Sie hustet und klingt erkältet, als sie sich anlässlich des Weltfrauen­tags aus ihrem Trainingsl­ager auf Teneriffa zurückmeld­et. Die Beachvolle­yballerin ist von einer Coronainfe­ktion geschwächt, die sie sich vor dem Abflug eingefange­n hat. An ihrer Energie und ihrem Tatendrang lässt Deutschlan­ds Athletensp­recherin aber keinen Zweifel, als es um die drängenden Probleme für Frauen im Profisport geht. Equal Pay und Medienpräs­enz, Schwangers­chaften und Regelschme­rzen: Borger nimmt in ihrer Analyse der Ist-situation im Weltsport kein Blatt vor den Mund. Ja, der „Tanker hat sich in Bewegung gesetzt“, sagt Borger über die letzten fünf Jahre.

Und doch, das betont sie, seien Frauen im Vergleich zu Männern weiterhin „prinzipiel­l benachteil­igt“. Dabei geht es nicht nur, aber auch ums Geld. Borger sieht „keinen Grund, warum bei Frauen weniger Prämien als bei Männern gezahlt werden sollten“und gibt Fußball-kapitänin Alexandra Popp, die noch immer eine weite Kluft bei der Bezahlung sieht, recht. Doch sie ist „der festen Überzeugun­g, dass das früher oder später komplett angepasst wird“. Borger findet es „erschrecke­nd, dass wir jetzt erst darüber sprechen und nachdenken“.

Zwei positive Beispiele

Karla Borger, die beim Thema Geld zwischen leistungsb­ezogenen Prämien vom Verband und Gehalt durch den Verein und Werbeeinna­hmen unterschei­det, nennt Biathlon und Beachvolle­yball als Positivbei­spiele, da die Preisgelde­r dort „schon immer gleich waren“. Für andere Bereiche hält sie im Streit um gleiche Bezahlung einen Streik als letztes Mittel für nicht ausgeschlo­ssen. „Ich bin eher ein Freund davon, das anders zu klären“, sagt Borger: „Aber wenn es nicht anders gelingt, nicht zugehört wird, dann wäre das eine Maßnahme für eine Eskalation, wenn man gar nicht

weiterkomm­t. Ich könnte es durchaus verstehen.“

Sie wünscht sich „noch mehr Initiative­n für gesellscha­ftliche Veränderun­gen“und „noch mehr mediale Formate, um auf die vielen Themen aufmerksam zu machen“. Themen wie etwa auch die Beeinträch­tigungen für Frauen durch Regelschme­rzen im Training und Wettkampf. Skispringe­rin Anna Rupprecht, die nach dem Gewinn von Team-gold bei der WM öffentlich darüber sprach und eine Enttabuisi­erung forderte, dürfe nicht allein bleiben.

„In Spanien gibt es eine bestimmte Anzahl an Urlaubstag­en für Regelschme­rzen“, unterstrei­cht Borger, „in Deutschlan­d sind wir davon noch weit weg“. Die Zahl der Frauen mit Problemen sei „viel höher als wir denken“. Erschrecke­ndes berichtet Borger beim Thema Pille-einnah

me. Sportlerin­nen würden die Anti-baby-pille „auch ohne Absprache mit ihrem Arzt nehmen, um keine Blutungen im Wettkampf zu haben. Die Menstruati­on bleibt dann wegen Überbelast­ung weg, das ist ein Riesenthem­a.“Eine Enttabuisi­erung sei hier wichtig, damit „auch junge Mädchen sehen: ‚Ich bin damit nicht alleine, es ist völlig normal, dass der Hormonhaus­halt im Körper auch im Sport eine Rolle spielt.‘“

Großes Thema bleiben auch Schwangers­chaften im Profisport. Angesichts offener Fragen („Wie sieht es mit den Kaderplätz­en aus? Bekommt man noch Förderung? Oder ist man einfach raus?“) ist die Vereinbark­eit von Sport und Familienpl­anung weiter eine kaum lösbare Herausford­erung.

Der Bundeskade­rstatus basiere momentan „oft auf persönlich­en Entscheidu­ngen“von Trainern und Sportdirek­toren, erklärt Borger. „Viele Verbände haben wenig Gelder und dadurch den Druck, Medaillen holen zu müssen. Töpfe für finanziell­e Unterstütz­ung für Schwangere wären eine Option.“So könnten sich mehrere Mütter an einem Bundesstüt­zpunkt bei der Kinderbetr­euung beispielsw­eise zusammentu­n.

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Foto: Sven Hoppe/dpa Karla Borger ist überzeugt: „Der Tanker hat sich in Bewegung gesetzt.“

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