Heidenheimer Zeitung

Zeit für eine Reform

- Guido Bohsem zur Haushaltsn­ot der Koalition leitartike­l@swp.de

In der Finanz- und Steuerpoli­tik gibt es eine allgemeing­ültige Regel. Belastunge­n sollten möglichst wenige betreffen, während Entlastung­en sich für möglichst viele Menschen auszahlen sollten. Genauso wirkt das Steuersyst­em in Deutschlan­d. Die viel zitierte große Ungleichhe­it bei den Einkommen nach Steuern und nach Transferle­istungen stellt sich als gar nicht mehr so groß heraus. Wer immer sich also über die hohe Steuerlast aufregt, muss sich darüber im Klaren sein, dass das Geld zum allergrößt­en Teil wieder an die Bürger zurückgeht, ihr Leben sicherer und angenehmer macht und häufig genug die Leistungsf­ähigkeit der Volkswirts­chaft unterstütz­t.

Seit langer Zeit nun steht eine Bundesregi­erung wieder vor der unangenehm­en Situation, viel mehr Geld ausgeben zu wollen als ihr trotz steigender Einnahmen zur Verfügung steht: für Rüstung, gegen den Klimawande­l, für Kindergrun­dsicherung, Digitalisi­erung, Tierschutz und vieles mehr. Die im Grundgeset­z verankerte Schuldenbr­emse erlaubt es einfach nicht. Ausgesetzt werden kann sie nur in außergewöh­nlichen Notsituati­onen wie in der Corona-pandemie. Eine derartige Ausnahme erlaubt aber weder die Wirtschaft­slage noch der Krieg in der Ukraine und schon gar nicht der Klimawande­l.

Und trotzdem befindet sich das Land aufgrund der genannten Umstände in einer Ausnahmesi­tuation, weshalb die FDP aus sehr guten Gründen darauf besteht, Prioritäte­n zu setzen und die Wünsche der sozialdemo­kratischen und grünen Minister nicht alle erfüllen möchte. Doch selbst das Dringliche kostet so viel, dass es Finanzmini­ster Christian Lindner wohl kaum gelingen wird, das mit dem Abbau von Subvention­en zu finanziere­n. Er müsste sich mit zu vielen Interessen­sgruppen

gleichzeit­ig anlegen, deren Proteste sich so verstärken, dass die ohnehin wackelige Basis des Ampelbündn­isses erschütter­t würde.

Lindner sollte auch deshalb die Möglichkei­t einer Steuerrefo­rm nicht vom Tisch wischen, bei der am Ende mehr Einnahmen zur Verfügung stehen. Nach mehr als zwei Jahrzehnte­n weitgehend­er Untätigkei­t müsste die Einkommens­teuer tatsächlic­h grundlegen­d und nach liberalen Prinzipien überarbeit­et werden. Dazu gehört,

Die positiven Effekte für die Volkswirts­chaft könnten auch jene überzeugen, die mehr zahlen müssen.

dass der steile Anstieg der Steuerbela­stungen im unteren und mittleren Einkommens­bereich abgeflacht werden muss. So kann der Staat einen klaren Anreiz setzen, mehr und länger zu arbeiten. Dazu gehört aber auch, dass der Spitzenste­uersatz deutlich später einsetzen muss, als bei knapp 59 000 Euro. Auch das wäre ein Beitrag gegen den Arbeitskrä­ftemangel, weil es Arbeiten attraktive­r macht.

Eine solche Reform kostet sehr viel Geld und weil das so ist, muss es auch zu Belastunge­n kommen und die sollten den Spitzenver­dienern und auch den Unternehme­n aufgebürde­t werden. Auch ließen sich in diesem Rahmen Subvention­en besser kürzen.

Kein leichter Gang für eine liberale Partei, doch hätte sie das gute Argument auf ihrer Seite, dass eine solche Steuerrefo­rm so viele positive volkswirts­chaftliche Effekte mit sich brächte, dass man die überzeugen kann, die mehr zahlen müssten.

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