Zeit für eine Reform
In der Finanz- und Steuerpolitik gibt es eine allgemeingültige Regel. Belastungen sollten möglichst wenige betreffen, während Entlastungen sich für möglichst viele Menschen auszahlen sollten. Genauso wirkt das Steuersystem in Deutschland. Die viel zitierte große Ungleichheit bei den Einkommen nach Steuern und nach Transferleistungen stellt sich als gar nicht mehr so groß heraus. Wer immer sich also über die hohe Steuerlast aufregt, muss sich darüber im Klaren sein, dass das Geld zum allergrößten Teil wieder an die Bürger zurückgeht, ihr Leben sicherer und angenehmer macht und häufig genug die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft unterstützt.
Seit langer Zeit nun steht eine Bundesregierung wieder vor der unangenehmen Situation, viel mehr Geld ausgeben zu wollen als ihr trotz steigender Einnahmen zur Verfügung steht: für Rüstung, gegen den Klimawandel, für Kindergrundsicherung, Digitalisierung, Tierschutz und vieles mehr. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse erlaubt es einfach nicht. Ausgesetzt werden kann sie nur in außergewöhnlichen Notsituationen wie in der Corona-pandemie. Eine derartige Ausnahme erlaubt aber weder die Wirtschaftslage noch der Krieg in der Ukraine und schon gar nicht der Klimawandel.
Und trotzdem befindet sich das Land aufgrund der genannten Umstände in einer Ausnahmesituation, weshalb die FDP aus sehr guten Gründen darauf besteht, Prioritäten zu setzen und die Wünsche der sozialdemokratischen und grünen Minister nicht alle erfüllen möchte. Doch selbst das Dringliche kostet so viel, dass es Finanzminister Christian Lindner wohl kaum gelingen wird, das mit dem Abbau von Subventionen zu finanzieren. Er müsste sich mit zu vielen Interessensgruppen
gleichzeitig anlegen, deren Proteste sich so verstärken, dass die ohnehin wackelige Basis des Ampelbündnisses erschüttert würde.
Lindner sollte auch deshalb die Möglichkeit einer Steuerreform nicht vom Tisch wischen, bei der am Ende mehr Einnahmen zur Verfügung stehen. Nach mehr als zwei Jahrzehnten weitgehender Untätigkeit müsste die Einkommensteuer tatsächlich grundlegend und nach liberalen Prinzipien überarbeitet werden. Dazu gehört,
Die positiven Effekte für die Volkswirtschaft könnten auch jene überzeugen, die mehr zahlen müssen.
dass der steile Anstieg der Steuerbelastungen im unteren und mittleren Einkommensbereich abgeflacht werden muss. So kann der Staat einen klaren Anreiz setzen, mehr und länger zu arbeiten. Dazu gehört aber auch, dass der Spitzensteuersatz deutlich später einsetzen muss, als bei knapp 59 000 Euro. Auch das wäre ein Beitrag gegen den Arbeitskräftemangel, weil es Arbeiten attraktiver macht.
Eine solche Reform kostet sehr viel Geld und weil das so ist, muss es auch zu Belastungen kommen und die sollten den Spitzenverdienern und auch den Unternehmen aufgebürdet werden. Auch ließen sich in diesem Rahmen Subventionen besser kürzen.
Kein leichter Gang für eine liberale Partei, doch hätte sie das gute Argument auf ihrer Seite, dass eine solche Steuerreform so viele positive volkswirtschaftliche Effekte mit sich brächte, dass man die überzeugen kann, die mehr zahlen müssten.