Rettung für den Verbrenner
Die FDP will neben E-autos auch Antriebe mit synthetischen Kraftstoffen. Kritiker halten das für ineffizient. Das spiele für den Erfolg der E-fuels keine Rolle, entgegnen Ökonomen.
Viele Autohersteller verabschieden sich von der Verbrenner-technologie und wollen vor allem batteriebetriebene E-autos herstellen. Die Eukommission möchte die Neuzulassung von Verbrennern ab 2035 komplett verbieten. Die FDP will dies verhindern, wenn nicht eine Lücke für den Weiterbetrieb der Autos mit klimaneutralen E-fuels geschaffen wird. Diese dürfen nach einem Koalitionsbeschluss künftig an deutschen Tankstellen verkauft werden.
Was sind E-fuels? Bei E-fuels (vom englischen „Electrofuels“) handelt es sich um synthetische Kraftstoffe, die wie Benzin oder Diesel für den Betrieb von Verbrennungsmotoren eingesetzt werden können. Sie werden nicht aus Erdöl hergestellt, sondern indem aus Wasser und Strom Wasserstoff hergestellt wird. Mit Kohlendioxid verbunden werden daraus Kraftstoffe, je nach chemischer Verbindung Benzin, Diesel, Kerosin oder andere.
Wie nachhaltig ist das? Die Verbrennung von E-fuels erzeugt Abgase wie herkömmlicher Treibstoff. Wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen stammt und das notwendige Kohlendioxid (CO2) zuvor aus der Atmosphäre entfernt wurde oder das CO2 vorher schon da war, etwa durch die Verbrennung von Biomasse oder indem es von Industrieanlagen abgespalten wurde, dann sind die Treibstoffe klimaneutral. Christian Beidl, Fahrzeugantriebs-professor an der TU Darmstadt, ist sogar überzeugt, dass herkömmliche Verbrenner den „niedrigsten
Co2-fußabdruck aller heute bekannten Technologien“erzeugen, wenn sie mit E-fuels genutzt werden. Das liegt auch daran, dass bei der Nachhaltigkeit von E-mobilität die Herstellung und Entsorgung des Akkus sowie der Strommix oft nicht mit einberechnet werden.
Was sind die Vorteile? Weltweit sind 1,5 Milliarden Verbrenner im Straßenverkehr unterwegs, allein in Deutschland sind es 50 Millionen. Auch in der zweiten Hälfte des Jahrtausends werden global noch immer hunderte Millionen Verbrenner unterwegs sein, deren Co2-ausstoß reduziert werden muss. E-fuels wären eine Möglichkeit. Das weltweite Tankstellennetz könnte weiterverwendet werden. „Zudem ist der Verbrennungsmotor in vielen Bereichen wie beispielsweise Schwerlast, Militär, Luftfahrt, Katastrophenvorsorge und Rettungsdienste noch lange nicht ersetzbar“, sagt Oliver Rottman, Chef des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge der Uni Leipzig.
Was sind die Nachteile? Bei ihrer Herstellung geht viel Energie verloren, weswegen Verbrenner am Ende nur etwa ein Drittel der für die E-fuels aufgewendeten Energie in Bewegung umsetzen. Das ist bei Benzin und Diesel ähnlich. Ingenieure der TU Bergakademie Freiberg rechnen vor, dass bei einem Verbrauch von 5 Litern E-fuel auf 100 Kilometern rund 50 Kilowattstunden Strom für die Herstellung des Kraftstoffs nötig sein können, was dem halben Monatsverbrauch eines deutschen Single-haushalts entspricht. Aufgrund des großen Ökostrombedarfs
sehen die meisten Experten einen Einsatz von E-fuels zunächst vor allem dort, wo Batterien keine Alternative sind: im Schwerlastverkehr, Flugzeugen oder in Schiffen.
Viele Ökonomen kritisieren die Verengung des Effizienz-begriffs auf die technische Perspektive. So hat die Wirtschaftswissenschaft gezeigt, dass technischer Wandel den Regeln ökonomischer Effizienz folgt, von der die technische nur ein Teilaspekt ist. Ansonsten hätte die Industrialisierung nicht stattgefunden, da die klassische Dampfmaschine nie über einen Wirkungsgrad von mehr als zehn Prozent hinausging. Die Frage der Effizienz von E-fuels in der Herstellung sei daher „sekundär, wenn Sie damit eine Möglichkeit haben, Energie in großen Mengen nach Deutschland zu importieren“, sagt Matthias Kratzsch. Die wichtigeren Fragen lauten vielmehr, ob Menschen bereit sind, den Preis von E-fuels zu bezahlen – aktuell liegt der bei 4,50 Euro pro Liter. Branchenexperten erwarten, dass die Produktionskosten mittelfristig auf einen Euro je Liter sinken – und wie schnell sich ausreichend davon herstellen lässt, etwa in den sonnen- und windreichen Ländern Afrikas, Südamerikas oder in Australien. Was diesen Aspekt angeht, hätten E-fuels sogar Vorteile gegenüber Strom, denn sie lassen sich besser transportieren. Sobald eine globale Wasserstoffwirtschaft etabliert ist, wäre der Unterschied zum Status quo gering, da Deutschland auch heute rund 70 Prozent seines Gesamtenergiebedarfs importiert.