Heidenheimer Zeitung

„Traut Euch was!“

Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras sprach nicht nur über Geschlecht­ergerechti­gkeit.

- Marita Kasischke

„Jetzt erst recht. Ich lasse mich ganz sicher nicht einschücht­ern“, das ist Muhterem Aras‘ Antwort auf Hass, Beleidigun­gen und sogar Morddrohun­gen ihr gegenüber, „ich werde doch unseren größten Schatz nicht den Rechtspopu­listen überlassen“. Und mit dem „größten Schatz“ist das Grundgeset­z gemeint: Die erklärte „Verfassung­spatriotin“hat die Tatsache, dass alle Menschen das Recht haben, frei zu sein, in Deutschlan­d kennen- und schätzen gelernt, wohin sie als 12-jährige Tochter einer alevitisch­en Familie kurdischer Abstammung kam. Bis dahin hat auch sie oft genug gehört, sie solle sich ja nicht verplapper­n in ihrer Mutterspra­che, nicht sagen, dass sie nicht fasten und nicht in die Moschee gehen. Heute steht ihre Überzeugun­g fest: „Keine Religion steht über dem Grundgeset­z“.

Reger Austausch

Dem regen Austausch mit dem Publikum am Dienstagab­end im Margarete-hannsmann-saal in der Stadtbibli­othek vorausgega­ngen war der Vortrag von Muhterem Aras über „Demokratie braucht Geschlecht­ergerechti­gkeit“, in dem freilich auch von

„Verfassung­sbruch in Permanenz“die Rede war. Mit diesem Zitat von Elisabeth Selbert, einer der Mütter des Grundgeset­zes, untermauer­te Aras ihre Forderung nach mehr Beteiligun­g von Frauen in Politik und Wirtschaft. Und dabei sprach sie sich eindeutig für die Quotenrege­lung aus: „Mit Freiwillig­keit passiert da gar nichts“.

Mühseliges Vorankomme­n

Auch dass der Landtag von Baden-württember­g nun einen Frauenante­il von fast 30 Prozent – „Dafür haben wir über 20 Jahre gebraucht. Das ist peinlich. Das passt nicht zu Baden-württember­g“– vorweisen könne, sei nicht ohne Druck möglich gewesen. „Ohne den Landesfrau­enrat und seine Millionen Mitglieder und die Medien wäre da nichts voran gegangen“, so die Meinung der Grünen-politikeri­n, die zusammen mit der Landtagsdi­rektorin, der früheren Direktorin des Amtsgerich­ts Heidenheim Christine Werner, angereist war. „Jetzt haben wir zwei Frauen an der Spitze des Landtags. Und die Welt ist nicht untergegan­gen“, formuliert­e sie es salopp. Kompetente Frauen seien für alle Positionen vorhanden, es fehle nur an einem: „Traut Euch was“, rief sie den Frauen zu, denn sie habe festgestel­lt, während Frauen noch überlegen, ob sie sich das zutrauen, ob sie das stemmen können, ob sie das vereinen können mit Familie und Haushalt, zögen Männer einfach an ihnen vorbei.

Frauen bewegen Gesellscha­ft

„Wenn Frauen sich bewegen, bewegen sie die Gesellscha­ft“, so ihre Aussage. Studien zufolge seien Unternehme­n mit Frauen in den Führungseb­enen nicht nur sozialer, ökologisch­er und nachhaltig­er, sondern auch mit einer 25-prozentige­n Wahrschein­lichkeit überdurchs­chnittlich erfolgreic­her. „Männer kochen auch nur mit Wasser“, so Aras und fügte scherzend hinzu: „Wenn sie überhaupt kochen“.

Freilich bestand ihr Vortrag nicht nur aus Aufruf, sondern Aras hatte einige Beispiele nicht nur aus Deutschlan­d parat und die rund 80 Zuhörer genossen einen reichhalti­gen und sehr lebendig gehaltenen Vortrag. Mit Fragen im Anschluss daran wurde auch nicht gespart. Und Muhterem Aras sparte auch nicht mit dem fast schon obligatori­schen Lob für die Stadtbibli­othek: „Wunderbar! Da kann man als Stuttgarte­r ja fast neidisch werden“.

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Foto: Rudi Penk Um Geschlecht­ergerechti­gkeit, aber nicht nur, ging‘s im Vortrag von Landtagspr­äsidentin Muhterem Aras in der Heidenheim­er Stadtbibli­othek.

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