„Technisch ausrollfähig“
Kultusministerium stellt die Digitale Bildungsplattform vor. Nach dem Scheitern des Vorgängers „Ella“scheint das System diesmal zu funktionieren.
Natürlich klappt etwas nicht. Da hat das Kultusministerium zur lange erwarteten Vorstellung der seit Jahren angestrebten Digitalen Bildungsplattform für die Schulen im Land extra Lehrer und Socialmedia-influencer Bob Blume („Netzlehrer“) für ein Video engagiert – und dann funktioniert der Ton nicht. Techniker huschen umher, höhnisches Kichern und Tuscheln im Publikum, Kultus-staatssekretärin Sandra Boser (Grüne) schaut betreten auf den Teppich des Ministeriums-standes auf der Bildungsmesse „Didacta“.
Doch sportlicher Umgang mit Pannen – hier wohl ein Stromproblem mit der Tonanlage – gehört für die Macher der Digitalen Bildungsplattform zur Kernkompetenz. „Wir sind ja flexibel“, sagt Boser. Das Video wird übersprungen, stattdessen kommt ein Mitarbeiter direkt zu dem Punkt, der doch einige Dutzend Interessierte an diesem Donnerstag an den Messestand gelockt hat. Unter dem Namen „schule@bw“wird der aktuelle Stand der lange erwarteten Plattform präsentiert.
Worum geht es? Letztlich um eine Art „Betriebssystem“der Schuldigitalisierung im Land. 2015 beschloss die damalige grün-rote Landesregierung, dazu eine „übergreifende technische Infrastruktur“zu schaffen. 2018 sollte „Ella“(Elektronische Lehr- und Lernassistenz) in Betrieb gehen, doch drei Tage vor dem Termin trat Ex-kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) wegen technischer Probleme auf die Bremse.
Später wurden Missmanagement, unübersichtliche Vertragskonstellationen und Aufsichtsmängel sichtbar. Das Projekt wurde beendet, ein millionenschwerer Vergleich geschlossen und alles neu gestartet.
Hat es nun geklappt? Scheint so. Letzte Tests liefen erfolgreich, meldet das Ministerium. Die Präsentation der „Startkonfiguration“gelingt und scheint das Publikum – nach Stichproben-umfrage – weitgehend zu überzeugen. Wenn die Software in den kommenden Monaten an Schulen (gratis und freiwillig) ausgerollt wird, loggen sich Schüler und Lehrer online ein, wobei Lehrer einen zweiten Login-faktor über das Handy benötigen. Auf einem für Nutzer optisch und funktional individualisierbaren „Dashboard“gelangen sie dann zu den einzelnen Programmen und Funktionen, die als Kacheln angeordnet sind.
„Schule@ bw“besteht aus drei Modulen, verknüpft durch ein Identitäts-, Rechte- und Rollenmanagement.
Was kann die Plattform?
Die Module heißen: Unterricht und Lernen, Sichere Kommunikation und Digitaler Arbeitsplatz. Weitere Funktionen könnten künftig dazukommen.
„Unterricht und Lernen“umfasst mit „Moodle“und „It’s learning“zwei sogenannte Lernmanagementsysteme, über die Lehrer Klassen organisieren und Schülern Aufgaben oder Feedback zukommen lassen können. Die Programme „Big Blue Button“und „Collabora“ermöglichen Videokonferenzen und andere Formen der Zusammenarbeit. Die Mediathek „Sesam“ermöglicht Zugriff auf 600 000 Bildungsmaterialien. Doch noch sind Fragen offen: Der „Moodle“-betrieb wird derzeit neu vergeben, weil das Land den bisherigen Anbieter, das Hochschulnetz „Belwue“aus dem Spiel nimmt – trotz Kritik vieler Schulen. „It’s learning“wird bisher an Gymnasien (gut 263 900 Schüler) nicht eingesetzt, weil Personalräte Datenschutzbedenken hegen.
Was enthält das erste Modul?
Hinter „Sichere Kommunikation“steht vor allem
Was kann Modul 2?
der verschlüsselte und datenschutzkonforme Chat-messenger „Threema“. Alle Lehrer bekommen Gratis-lizenzen und können das Programm freiwillig nutzen, um miteinander oder mit Eltern und Schülern zu kommunizieren, die die App für 4 Euro kaufen können.
Und der „Arbeitsplatz“? Das dritte Modul – nur für Lehrer – ist erst kürzlich fertig geworden. Um ihn hatte es lange Streit gegeben, denn das Ministerium wollte für die Kernfunktionen – Bürosoftware und eine landesweit einheitliche dienstliche Mailadresse für Lehrer – Microsoft-produkte einsetzen, scheiterte aber am Datenschutz. Nun ist die „D-phoenixsuite“, ein Programmpaket des in Händen mehrerer norddeutscher Bundesländer befindlichen Itdienstleisters Dataport, in der Plattform verbaut: alles rechtskonform, open-source und digital souverän – dafür aber auch um den Faktor drei teurer als die Microsoft-lösung.
Noch muss das Land mit Dataport Verträge schließen. Da geht es vor allem um Kosten. Bekommen Lehrer nun einen Cloudspeicher mit 1 oder 15 Gigabyte? Die Kosten wären unterschiedlich. Auch sind noch Gespräche mit Personalräten nötig und letzte Fragen mit der Landesdatenschutzbehörde zu klären, die vor allem die Mailadressen betreffen. Aber auf eines legt Ralf Armbruster, Projektleiter im Ministerium, großen Wert: „Das ist alles überwindbar und es sind politische Fragen. Technisch ist das ausrollfähig.“