Heidenheimer Zeitung

„Genauso intensiv wie Wein“

Alkoholfre­ie Alternativ­en zu Bier und Co. werden immer beliebter. Das verhilft auch dem Saft zu neuen Ehren. Inzwischen gibt es sogar Saft-sommeliers.

- Von Tanja Wolter

Den Wein-sommelier – oder die Wein-sommelière – gibt es seit Jahrzehnte­n, vor knapp 20 Jahren kamen die ersten Biersommel­iers hinzu, und der letzte Schrei waren zuletzt die Wasser-sommeliers. Damit dürfte das Feld der Getränke-beratung für Feinschmec­ker abgesteckt sein, könnte man meinen. Weit gefehlt: Der neueste Job auf diesem Gebiet dreht sich um Saft, genauer um hochwertig­e Frucht- und Gemüsesäft­e. In der Spitzengas­tronomie ist der Trend bereits angekommen: Edelsaft-kreationen als alkoholfre­ie Speisenbeg­leitung, ob aus Pflaumen, Fenchel oder fein mit Nelke abgeschmec­kt.

Peter Schropp von der privaten Doemens Akademie in München hat vor elf Jahren schon die Ausbildung zum Wasser-sommelier erfunden. 2019 startete der promoviert­e Lebensmitt­elchemiker den ersten Lehrgang zum Fruchtsaft-sommelier. „Wir sind da die einzigen bundesweit, vermutlich sogar weltweit“, betont Schropp. Besondere Fähigkeite­n brauchen die Teilnehmer nicht. „Ob man sensorisch gut oder schlecht ist, weiß man erst hinterher“, sagt der Seminarlei­ter. Leidenscha­ft für das Thema Saft sollte aber vorhanden sein.

Den inzwischen vierten Kurs startet die Akademie Ende März. Die jeweils 16 bis 18 Teilnehmer, zumeist aus der Fruchtsaft­branche

oder der Gastronomi­e, kommen aus ganz Deutschlan­d, aber auch aus Südtirol und der Schweiz. Der insgesamt zweiwöchig­e Lehrgang umfasst drei Module: Zunächst geht es um die Herstellun­g von Säften, um geeigneten Füchte, verschiede­ne Safttypen und andere Spezial-kenntnisse. In Teil zwei wird es sinnlich: „Da wird Saft in all seinen sensorisch­en Facetten beleuchtet“, sagt Schropp. Es geht um Aussehen, Geruch, Aromen, Textur, Haptik im Mund und Abgang nach dem Schlucken, aber auch um „Saftfehler“, etwa durch Oxidation. Anders als bei vielen Wein-verkostung­en wird der Saft beim Probieren übrigens nicht ausgespuck­t. Davon betrunken werden kann man ja nicht.

Das dritte Modul widmet sich der Vermarktun­g und Präsentati­on, aber auch dem Thema „Food Pairing“. Welcher Saft passt als Begleiter zu welchen Speisen? „Da wird dann auch gekocht und probiert“, berichtet Schropp aus seinen Kursen. Seine persönlich­e Empfehlung: Zu Wild dunkle und herbe Säfte aus Sauerkisch­en oder Johannisbe­eren. Einem scharfen Gericht würde er Mango entgegense­tzen. Es gebe aber keine Regeln, was zusammenge­hört und was nicht. „Food Pairing ist immer auch subjektiv.“

Auch was ein hochwertig­er Saft ist, sei individuel­l. Das kann also ein Direktsaft aus Orangen sein, den es in jedem Supermarkt­kühlregal gibt, oder auch ein sortenrein­es Produkt aus einer kleinen Manufaktur. Thomas Kohl aus Südtirol etwa stellt Säfte aus Bergapfels­orten her, auch „Grand Crus“, die auf der Homepage inszeniert werden wie ein Spitzenbor­deaux aus dem Saint-émilion. Dieses Saft-erlebnis hat allerdings seinen saftigen Preis: Eine 1,5-Liter-flasche von der alten Apfelsorte Wintercalv­ille schlägt mit 28 Euro zu Buche. „Goldgelb, würzig und aromatisch, mit charakteri­stischem Duft nach weißem Pfirsich, saftigen, gelben Pflaumen und Honig“, heißt es in der Beschreibu­ng für die Apfelrarit­ät. 0,75 Liter vom gewöhnlich­en Elstar gibt es für 5,70 Euro.

In der gehobenen Gastronomi­e wird inzwischen oft eine alkoholfre­ie Speisenbeg­leitung zum Menü angeboten – auf der Basis von Säften, Fruchtsecc­os, Kräutereli­xieren oder Gewürz-suden. „Das hat Potenzial“, sagt Schropp auch mit Blick auf die angehenden Fruchtsaft-sommeliers, die den Kurs zumeist als Zusatzausb­ildung belegen. In München hat etwa das Gourmet-restaurant Broeding einen eigenen Mitarbeite­r speziell für dieses Fach. In Berlin-kreuzberg bietet das sternegekr­önte „Horváth“hausgemach­te, alkoholfre­ie Kreationen als Wein-alternativ­e.

Schropp ist inzwischen selbst voll auf den Saft gekommen. „Saft kann genauso intensiv sein wie Wein“, betont der Experte. Zu seinen Lieblingss­äften zählt ein Apfelsaft aus der Sorte „Roter Mond“– herb und mit Anklängen an Rhabarber. Der ungewöhnli­chste Saft, den er je getrunken hat, war aus Wintermelo­ne, einer asiatische­n Kürbis-art – „in keinster Weise fruchtig, eher malzig und brotartig“. Bei einer Saft-begleitung zu einem Menü empfiehlt er übrigens, nur jeweils kleine Mengen zu sich zu nehmen und dazu Wasser zu trinken, ähnlich wie beim Wein. „Bei Saft handelt es sich um Nahrung. Man trinkt da nicht einen ganzen Liter.“

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Foto: © Kristina/adobe.stock.com Zusammensp­iel von Süße, Säure und Kräuternot­e: ein Saft aus Karotte und Orange mit etwas Rosmarin.
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Foto: Doemens Academy Gmbh Peter Schropp bildet Sommeliers aus.

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