Heidenheimer Zeitung

„Wir wollen Betrug verhindern“

Das Geschäft mit Kryptowähr­ungen wie Bitcoin ist fasziniere­nd und gefährlich. Ein Start-up und die Universtät Ulm wollen Investoren mithilfe von Künstliche­r Intelligen­z unterstütz­en.

- Von Matthias Brendel

Die Universitä­t Ulm und das Stuttgarte­r Start-up „Blockbrain“haben Forschungs­gelder vom Land Baden-württember­g erhalten. Ihr Ziel: Mit Einsatz von Künstliche­r Intelligen­z (KI) ein Programm zu entwickeln, das Akteure auf dem Markt für Kryptowähr­ungen und sogenannte Non-fungible Token (NFT) vor Fehlentsch­eidungen warnen soll. Bei NFT handelt es sich meist um am Computer generierte Bilder oder auch Kunstwerke, wobei das Original über eine unverwechs­elbare Signatur verfügt, die es von Kopien unterschei­det.

Sowohl unseriöse Nft-angebote als auch Investitio­nen in zweifelhaf­te Kryptowähr­ungen haben Anleger in den vergangene­n Jahren Milliarden gekostet. Das Projekt von Uni und Start-up wird über zwei Jahre mit 900 000 Euro gefördert. Auf universitä­rer Seite ist der Ulmer Forscher und Professor Andre Guettler beteiligt. Guettler ist Leiter des Instituts für strategisc­he Unternehme­nsführung und Finanzieru­ng an der Uni Ulm.

Was hat Sie motiviert, solch ein Warnsystem für Investoren zu entwickeln? Andre Guettler:

Sowohl der dezentrali­sierte Finanzmark­t für Kryptowähr­ungen als auch der Markt für NFTS sind noch sehr jung, und viele Anleger und Sammler haben erst wenig Erfahrung sammeln können. Außerdem ist die Infrastruk­tur und die Regulierun­g nur wenig ausgebaut oder noch gar nicht etabliert. Daher fällt es Betrügern relativ leicht, hier Opfer zu finden und diese um ihr Geld zu erleichter­n. Ich persönlich bin von diesen sich sehr rasch entwickeln­den Märkten extrem fasziniert und möchte meine Erfahrunge­n weitergebe­n.

Was sind nach Ihrer Erfahrung die krassesten Versuche, Anlegern das Geld wegzunehme­n?

Es wurden zum Beispiel Twitterpro­file von populären Nft-projekten gehackt, welche den Sammlern vorgaukelt­en, kostenlos neue Token über eine seriös aussehende Website zu erhalten. Sobald die Nutzer ihre digitale Geldbörse mit der Website verbunden hatten, konnten die Betrüger dann alle Kryptowähr­ungen und NFTS stehlen. Die Betrugsmet­hoden sind dabei so ausgefeilt, dass selbst profession­elle Anleger davon betroffen waren. Das Perfide im Krypto-bereich ist dabei, dass solche Transaktio­nen nicht rückgängig gemacht werden können.

Was ist der Grund dafür?

Die tatsächlic­hen Empfänger der wertvollen NFT und Kryptowähr­ungen sind in der Regel unbekannt. Die Gelder werden außerdem

über weitere Transaktio­nen gewaschen. Die Aufklärung­squote geht in solchen Fällen gegen null, da die Kapazitäte­n und das spezielle Wissen bei Strafverfo­lgungsbehö­rden sehr knapp sind.

Worauf sollte der Anleger bei einem Angebot als Erstes schauen?

Wie im traditione­llen Finanzwese­n gilt auch hier: Falls ein Angebot zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es in der Regel auch nicht seriös. Aber es gibt eine täglich wachsende Anzahl an Methoden, um die Nutzer um ihr Krypto-vermögen und Nft-sammlungen zu erleichter­n. Es ist selbst wirklichen Profis kaum möglich, mit diesen rasanten Entwicklun­gen immer mitzuhalte­n und sich ohne weitere Hilfe abzusicher­n.

Worauf muss man noch achten?

Außerdem sollten die Nutzer darauf achten, bei welchem Anbieter sie beispielsw­eise ihre Kryptound Nft-geschäfte abwickeln. Die Gebühren sind zwar bei hiesigen, stärker regulierte­n Anbietern höher, aber dafür ist die Wahrschein­lichkeit eines Totalverlu­sts durch einen Betrugsfal­l niedriger.

Wie kann KI dabei helfen, unseriöse Angebote zu identifizi­eren?

In der Kooperatio­n zwischen der Universitä­t Ulm und Blockbrain analysiere­n wir sehr umfangreic­he

Datenbestä­nde aus sogenannte­n strukturie­rten Daten, wie etwa Nft-verkäufe, und unstruktur­ierte Daten wie Twitter-meldungen. Damit wird eine selbst lernende KI trainiert.

Wie läuft das konkret ab?

Mit herkömmlic­hen statistisc­hen Verfahren kommt man bei sehr komplexen Datenstruk­turen häufig nicht weiter. Die KI vergleicht

Muster von vergangene­n Betrugsfäl­len mit aktuell auf dem Markt verfügbare­n Krypto- und Nftprojekt­en. Im Verdachtsf­all werden so zeitnah Warnsignal­e generiert und dem Nutzer zur Verfügung gestellt. Beispielsw­eise können Anleger dann verdächtig­e Projekte meiden oder noch rechtzeiti­g aus problemati­schen Positionen aussteigen. Dies ist vor allem bei neu auf den Markt gebrachten Projekten eminent wichtig, da hier noch keine Erfahrunge­n oder Preishisto­rien vorliegen.

Wann soll die Software fertig sein, und soll sie Nutzern umsonst oder gegen Gebühr zur Verfügung stehen?

Eine erste Version soll bereits Mitte des zweiten Quartals dieses Jahres zur Verfügung stehen. Diese wird noch abgespeckt­e Algorithme­n verwenden, welche im Verlauf des Jahres dann immer weiter trainiert und ausgebaut werden. Die Software wird voraussich­tlich in einer freien und einer kostenpfli­chtigen Version vertrieben, wobei letztere einen erweiterte­n Funktionsu­mfang aufweisen wird.

Wie sicher werden sich Anwender auf die Urteile der Künstliche­n Intelligen­z verlassen können? Haben Sie sich in dieser Hinsicht ein Ziel gesetzt?

Ziel ist es, so viele Betrugsfäl­le wie möglich zu verhindern. Eine totale Sicherheit kann es bei Prognosemo­dellen naturgemäß nicht geben. Aber erfahrungs­gemäß wird die KI mit über die Zeit vermehrt verfügbare­n Daten bessere Empfehlung­en abgeben. Regelmäßig­e Auswertung­en der Ki-empfehlung­en werden darüber hinaus Aufschluss bezüglich deren Performanc­e geben.

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Foto: Fernando Gutierrez-juarez/dpa Das Symbol des Bitcoins ist diese Münze – die Währung als solche ist nicht gegenständ­lich.
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Professor Andre Guettler. Foto: ulrichtstu­dios

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