„Wir wollen Betrug verhindern“
Das Geschäft mit Kryptowährungen wie Bitcoin ist faszinierend und gefährlich. Ein Start-up und die Universtät Ulm wollen Investoren mithilfe von Künstlicher Intelligenz unterstützen.
Die Universität Ulm und das Stuttgarter Start-up „Blockbrain“haben Forschungsgelder vom Land Baden-württemberg erhalten. Ihr Ziel: Mit Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ein Programm zu entwickeln, das Akteure auf dem Markt für Kryptowährungen und sogenannte Non-fungible Token (NFT) vor Fehlentscheidungen warnen soll. Bei NFT handelt es sich meist um am Computer generierte Bilder oder auch Kunstwerke, wobei das Original über eine unverwechselbare Signatur verfügt, die es von Kopien unterscheidet.
Sowohl unseriöse Nft-angebote als auch Investitionen in zweifelhafte Kryptowährungen haben Anleger in den vergangenen Jahren Milliarden gekostet. Das Projekt von Uni und Start-up wird über zwei Jahre mit 900 000 Euro gefördert. Auf universitärer Seite ist der Ulmer Forscher und Professor Andre Guettler beteiligt. Guettler ist Leiter des Instituts für strategische Unternehmensführung und Finanzierung an der Uni Ulm.
Was hat Sie motiviert, solch ein Warnsystem für Investoren zu entwickeln? Andre Guettler:
Sowohl der dezentralisierte Finanzmarkt für Kryptowährungen als auch der Markt für NFTS sind noch sehr jung, und viele Anleger und Sammler haben erst wenig Erfahrung sammeln können. Außerdem ist die Infrastruktur und die Regulierung nur wenig ausgebaut oder noch gar nicht etabliert. Daher fällt es Betrügern relativ leicht, hier Opfer zu finden und diese um ihr Geld zu erleichtern. Ich persönlich bin von diesen sich sehr rasch entwickelnden Märkten extrem fasziniert und möchte meine Erfahrungen weitergeben.
Was sind nach Ihrer Erfahrung die krassesten Versuche, Anlegern das Geld wegzunehmen?
Es wurden zum Beispiel Twitterprofile von populären Nft-projekten gehackt, welche den Sammlern vorgaukelten, kostenlos neue Token über eine seriös aussehende Website zu erhalten. Sobald die Nutzer ihre digitale Geldbörse mit der Website verbunden hatten, konnten die Betrüger dann alle Kryptowährungen und NFTS stehlen. Die Betrugsmethoden sind dabei so ausgefeilt, dass selbst professionelle Anleger davon betroffen waren. Das Perfide im Krypto-bereich ist dabei, dass solche Transaktionen nicht rückgängig gemacht werden können.
Was ist der Grund dafür?
Die tatsächlichen Empfänger der wertvollen NFT und Kryptowährungen sind in der Regel unbekannt. Die Gelder werden außerdem
über weitere Transaktionen gewaschen. Die Aufklärungsquote geht in solchen Fällen gegen null, da die Kapazitäten und das spezielle Wissen bei Strafverfolgungsbehörden sehr knapp sind.
Worauf sollte der Anleger bei einem Angebot als Erstes schauen?
Wie im traditionellen Finanzwesen gilt auch hier: Falls ein Angebot zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es in der Regel auch nicht seriös. Aber es gibt eine täglich wachsende Anzahl an Methoden, um die Nutzer um ihr Krypto-vermögen und Nft-sammlungen zu erleichtern. Es ist selbst wirklichen Profis kaum möglich, mit diesen rasanten Entwicklungen immer mitzuhalten und sich ohne weitere Hilfe abzusichern.
Worauf muss man noch achten?
Außerdem sollten die Nutzer darauf achten, bei welchem Anbieter sie beispielsweise ihre Kryptound Nft-geschäfte abwickeln. Die Gebühren sind zwar bei hiesigen, stärker regulierten Anbietern höher, aber dafür ist die Wahrscheinlichkeit eines Totalverlusts durch einen Betrugsfall niedriger.
Wie kann KI dabei helfen, unseriöse Angebote zu identifizieren?
In der Kooperation zwischen der Universität Ulm und Blockbrain analysieren wir sehr umfangreiche
Datenbestände aus sogenannten strukturierten Daten, wie etwa Nft-verkäufe, und unstrukturierte Daten wie Twitter-meldungen. Damit wird eine selbst lernende KI trainiert.
Wie läuft das konkret ab?
Mit herkömmlichen statistischen Verfahren kommt man bei sehr komplexen Datenstrukturen häufig nicht weiter. Die KI vergleicht
Muster von vergangenen Betrugsfällen mit aktuell auf dem Markt verfügbaren Krypto- und Nftprojekten. Im Verdachtsfall werden so zeitnah Warnsignale generiert und dem Nutzer zur Verfügung gestellt. Beispielsweise können Anleger dann verdächtige Projekte meiden oder noch rechtzeitig aus problematischen Positionen aussteigen. Dies ist vor allem bei neu auf den Markt gebrachten Projekten eminent wichtig, da hier noch keine Erfahrungen oder Preishistorien vorliegen.
Wann soll die Software fertig sein, und soll sie Nutzern umsonst oder gegen Gebühr zur Verfügung stehen?
Eine erste Version soll bereits Mitte des zweiten Quartals dieses Jahres zur Verfügung stehen. Diese wird noch abgespeckte Algorithmen verwenden, welche im Verlauf des Jahres dann immer weiter trainiert und ausgebaut werden. Die Software wird voraussichtlich in einer freien und einer kostenpflichtigen Version vertrieben, wobei letztere einen erweiterten Funktionsumfang aufweisen wird.
Wie sicher werden sich Anwender auf die Urteile der Künstlichen Intelligenz verlassen können? Haben Sie sich in dieser Hinsicht ein Ziel gesetzt?
Ziel ist es, so viele Betrugsfälle wie möglich zu verhindern. Eine totale Sicherheit kann es bei Prognosemodellen naturgemäß nicht geben. Aber erfahrungsgemäß wird die KI mit über die Zeit vermehrt verfügbaren Daten bessere Empfehlungen abgeben. Regelmäßige Auswertungen der Ki-empfehlungen werden darüber hinaus Aufschluss bezüglich deren Performance geben.