Entzauberte Wundermittel
Quinoa, Chia-samen, Goji-beeren und andere exotische Lebensmittel gelten als Superfood. Was an den Versprechungen dran ist und welche Probleme der Trend mit sich bringt.
Chia-samen, Quinoa, Goji-beeren – vor zehn Jahren kannte diese Lebensmittel kaum jemand in Deutschland. Inzwischen sind sie als sogenannte Superfoods fester Bestandteil in den Regalen von Lebensmittelmärkten und Drogerieläden. Dabei ist die Frage, ob das überhaupt geht: gesund bleiben oder gesund werden durch den Verzehr ausgewählter Speisen. Immerhin: Die Landwirtschaft in ärmeren Ländern könnte von dem Superfoodboom profitieren. Konsumenten müssen dazu aber ein paar wichtige Dinge beachten. Ein Überblick.
Warum Superfood so gefragt ist Bluthochdruck, Fettleibigkeit, Diabetes, Abgespanntheit – gegen all das und noch viel mehr hilft angeblich der Verzehr von Superfood. Genaue Angaben darüber, wie groß der Markt für diese Lebensmittel ist, liegen nicht vor. Seriöse Schätzungen gehen aber von einem Marktvolumen von jährlich 200 Milliarden Euro aus.
Die Avocado zum Beispiel gilt als wahres Wundermittel. Seit etwa 10 000 Jahren wird die Pflanze in Südamerika angebaut. Die in ihr enthaltenen Fette sollen besonders gesund und förderlich für die Zellregeneration sein. Außerdem sinkt durch den Verzehr angeblich der Blutzuckerspiegel, und der regelmäßige Konsum soll sich positiv auf Herz und Kreislauf auswirken.
Quinoa gehört ebenfalls zu den Superfoods und gilt als glutenfreie Alternative zu Getreide. Hauptanbaugebiete sind Bolivien und Peru. Bei indigenen Völkern gilt Quinoa als wirkungsvolles Mittel unter anderem gegen Lebererkrankungen, Angina und allgemein gegen Fieber.
Chia-samen werden heute überwiegend in Südamerika angebaut. Sie gelten als gesund für den ganzen Körper, vor allem aber für Herz und Leber, und sollen einen Anti-alterungseffekt haben.
Goji-beeren sind seit 2000 Jahren wichtiger Bestandteil der chinesischen Medizin. Angeblich schützt der Verzehr der Frucht die Nervenzellen vor Entzündungen und hilft zur Vorbeugung von Diabetes.
Was an den Versprechungen dran ist
Wenig, wenn man die Angaben von Gesundheitsexperten zum Maßstab nimmt. „Es gibt keine zuverlässigen wissenschaftlichen Daten, dass Superfood-produkte einen besonderen Effekt auf die Gesundheit haben, der über eine übliche gesunde Ernährung hinausgeht“, heißt es etwa im Fachblatt „Ärzte-zeitung“.
Zudem hat sich in Tests herausgestellt, dass manche Superfoods
besonders stark mit Rückständen von Pflanzenschutzmitteln belastet sind. Bei einer Überprüfung des Magazins „Öko Test“wurden unter anderem aus diesem Grund zwei Drittel der untersuchten Lebensmittel mit mangelhaft oder ungenügend bewertet.
Superfood als Chance für ärmere Länder?
Südamerika, Afrika – es sind in der Regel wirtschaftliche Problemregionen, in denen Superfood angebaut wird. Doch was auf den ersten Blick aussieht wie eine große Entwicklungschance für benachteiligte Gegenden, kann laut Daniel Callo-concha von der Universität Bonn in Wahrheit noch die Schwierigkeiten der Menschen in diesen Ländern verschärfen. „Superfoods lösen in der Regel erst einmal einen
Durch den massiven Einsatz von Chemikalien werden die Böden ausgelaugt. Daniel Callo-concha Universität Bonn
Nimmt man die richtige Dosis, ist es Medizin, nimmt man zu viel davon, ist es Gift. Daniel Callo-concha Universität Bonn
Boom aus, der kleinen Farmern durchaus etwas Geld einbringen kann. Doch wenn die Nachfrage immer größer wird, lässt sie sich mit den alten Strukturen nicht mehr bewältigen“, sagt der Entwicklungsforscher, der selbst aus Peru stammt, dieser Zeitung.
Am Beispiel der Quinoa-pflanze erklärt er, wieso die Kleinbauern auf Dauer nicht nur nicht profitieren, sondern sogar soziale Strukturen zerschlagen werden, die ihr Leben bis dahin nachhaltig gemacht haben. „Große Betriebe kaufen dann immer mehr Flächen auf. Durch intensive Bewirtschaftung und den massiven Einsatz von Chemikalien werden die Böden ausgelaugt“, sagt Callo-concha. Als dann der Boom nachgelassen habe, auch weil andere Länder in das Geschäft eingestiegen sind, sei die Situation der kleinen Bauern schlechter gewesen als zuvor.
„Es ist eine Frage der Dosis – nimmt man die richtige, dann ist es Medizin, nimmt man zu viel davon, ist es Gift“, erläutert Callo-concha. Er plädiert deshalb dafür, dass in den Quinoa-anbaugebieten die landwirtschaftlichen Flächen unter besonderen Schutz gestellt werden, sodass sich die Natur erholen kann und auch kleine Bauern wieder an Flächen kommen können.
Wie Konsumenten können Zunächst einmal gilt: Superfood muss nicht sein – eine ausgewogene Ernährung mit einem hohen pflanzlichen Anteil tut es auch und ist dem Genuss der exotischen Varianten sogar vorzuziehen. Wem aber Avocados, Quinoa, Chia-samen, Gojibeeren, Matcha-pulver und Acaibeeren gut schmecken, der sollte versuchen, sich über die Produktionsbedingungen zu informieren. Da dies aber nicht leicht sein wird, ist eine Alternative, nach Bio- und Fair-tradeprodukten Ausschau zu halten. Sie bieten den Landwirten in der Regel bessere Bedingungen und garantieren bis zu einem gewissen Grad den Schutz der Umwelt in den Herkunftsländern.