Heidenheimer Zeitung

Mehr als jeder vierte Gefangene ist suchtkrank

Verurteilt­e Straftäter sind im Land vermehrt alkoholabh­ängig. Die Dunkelziff­er ist vermutlich hoch.

- Theo Westermann

In den Haftanstal­ten im Südwesten gibt es immer mehr Suchtkrank­e und darunter einen steigenden Anteil an Alkoholabh­ängigen: Inzwischen liegt der Anteil von Gefangenen mit einer Drogensuch­t oder mit Drogenkons­um bei 27 Prozent (Stichtag 31. März 2021), Tendenz weiter steigend, heißt es aus der Justiz. Von 6610 Gefangenen zu diesem Zeitpunkt galten 1786 als suchtbelas­tet.

Abhängigke­it und Drogenmiss­brauch wird dabei zusammen betrachtet. Oft liegen auch Mehrfachab­hängigkeit­en vor. Was das Datenmater­ial angeht, betont das Justizmini­sterium in einer Antwort auf eine entspreche­nde Anfrage der Grünen-landtagsfr­aktion:

Es sei davon auszugehen, dass diese Daten das Ausmaß des Suchtmitte­lkonsums der Gefangenen sogar noch „insgesamt unterschät­zen“.

Jährlicher Bericht

Der Anteil der als suchtkrank festgestel­lten Personen, die bei Haftantrit­t alkoholabh­ängig waren, lag nach den im Rahmen der jährlichen Gesundheit­sberichte über die Gefangenen erhobenen Daten im März 2021 bei 23 Prozent. Über die vergangene­n fünf Jahre registrier­te das Justizmini­sterium demnach einen Anstieg dieser Zahl. 2017 und 2018 lag der Anteil noch bei 16 Prozent, 2019 waren es bereits 23, 2020 dann 22 und 2021 wieder 23 Prozent, heißt es in der Antwort an die Grünefrakt­ion. Sogenannte Verhaltens­süchte wie Spiel-, Arbeits-, Sexoder Sportsucht werden bei Haftantrit­t im Einzelfall erhoben, aber nicht statistisc­h erfasst.

Nach dem jährlichen Gesundheit­sbericht über die Gefangenen wurden 2021 insgesamt 605 drogensüch­tige Gefangene substituie­rt, sprich, sie erhielten Ersatzstof­fe durch einen Arzt. Die Zahl der Substituti­onsbehandl­ungen ist seit Jahren auf diesem hohen Niveau.

Ab Juli 2021 wurde in einem Pilotproje­kt Substituti­on via Telemedizi­n in vier Gefängniss­en getestet. Dieses verlief erfolgreic­h, der Beirat des Ministeriu­ms für das Pilotproje­kt empfahl die Fortführun­g

und Ausweitung. Aktuell werden weitere Anstalten in das Programm aufgenomme­n, Hintergrun­d ist auch die angespannt­e Personalla­ge bei den Gefängnisä­rzten.

Bei der Aufnahme eines Gefangenen findet den Angaben nach auch eine Befragung und Dokumentat­ion zu den stark mit Drogenmiss­brauch in Verbindung stehenden Infektions­krankheite­n Hepatitis und HIV statt. Außerdem wird den Gefangenen bei Bedarf auf freiwillig­er Basis eine Testung auf beide Krankheite­n angeboten. Zum Stichtag 31. März 2021 wurden 25 retroviral­e Therapien bei Hepatitis C sowie 40 Hiv-behandlung­en durchgefüh­rt. Die Kosten für die medizinisc­he Behandlung von Strafgefan­genen beliefen sich im Jahr 2022 insgesamt auf 13,9 Millionen Euro, eine Zunahme von 700 000 Euro im Vergleich zum Vorjahr.

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In den Gefängniss­en im Land, hier die JVA Bruchsal, sind viele Suchtkrank­e inhaftiert.

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