Donnerhall des Krieges
Höhepunkt einer Karriere: Volker Bertelmann alias Hauschka ist für den Soundtrack zu „Im Westen nichts Neues“im Oscar-rennen.
Die Celli und Bässe schnarren und grollen, die Violinen sirren und schleifen. Das Schlagwerk pocht und rummst. Die Klänge vermischen sich, werden verzerrt, zerfetzt. Aus der Ferne weht eine Stimme hinein, verliert sich wieder. Ist das Musik, oder ist das der Schrecken des Krieges? Der Soundtrack zu „Im Westen nichts Neues“nimmt das Publikum in Beschlag wie der ganze Film. Der deutsche Komponist und Pianist Volker Bertelmann alias Hauschka liegt damit aussichtsreich im Oscar-rennen – eine von zehn Nominierungen für den deutschen Film.
Bertelmanns Kompositionen sind verwoben mit den Soundeffekten. Es ist unklar, wo das eine aufhört und das andere beginnt – zusammen ein Angriff auf die Sinne, dem der Zuschauer, der im Kino auch ein oft unbewusster Zuhörer ist, nicht entfliehen kann. Bertelmann erschafft mit akustischen Mitteln eine Kriegslandschaft: eisige schroffe Klangflächen, tonale Abgründe, bohrende Attacken, dumpfe Schläge.
Manchmal eine Kakophonie, manchmal eine Elegie: Es ist ein Werk der Erschütterung, eine Horror- und doch auch eine Trauermusik, wenn der Film von der
Freundschaft und den Träumen der jungen Männer erzählt, die im Tod auf dem Schlachtfeld elend enden. Es sind Klänge, die zupacken, stressen, erschaudern lassen. Die tatsächlich durch Mark und Bein gehen, ins Innere des Schreckens vordringen.
Als Solokünstler erfolgreich
Edward Bergers Netflix-produktion „Im Westen nichts Neues“– die dritte Adaption von Erich Maria Remarques Roman – will das Publikum nicht loslassen, und Bertelmann packt mit an, stellt sich in den Dienst des Films. Als Musiker hat er unter dem Künstlernamen Hauschka mit präpariertem Klavier Erfolge gefeiert, war ausgiebig auf Tour und hat zahlreiche Solo-alben vorgelegt. Doch seit rund zehn Jahren schreibt er vermehrt Filmmusik, und dabei spielt das Ego des Komponisten eine kleinere Rolle. Auch wenn er die Soundtracks nicht als Hauschka, sondern mit seinem echten Namen zeichnet.
Es gehe nicht darum, die Musik in den Vordergrund zu stellen, „sondern dass sie mit dem Film eine gute Verbindung eingeht“, erzählte Bertelmann vor einiger Zeit dieser Zeitung. „Ich hab meinen Job vielleicht gut gemacht, wenn man meine Musik gar nicht zu sehr wahrnimmt – aber doch etwas vermisst, wenn sie weg ist.“
1966 in Kreuztal (NordrheinWestfalen) geboren, lernte er Klavier und spielte in Rockbands. Er begann ein Medizin- und ein Bwl-studium, brach aber beides ab, um sich der Musik zu widmen. Das erste Hauschka-album erschien 2004 und damit begann eine erfolgreiche Zeit als SoloKünstler. Doch 2012 schrieb er für Doris Dörries „Glück“seine erste Filmmusik, und als seine gemeinsam mit Dustin O‘halloran komponierte Musik zu dem Drama „Lion“(2016) für den Oscar nominert wurde, nahm diese Karriere enorm Fahrt auf: Es war sein Türöffner nach Hollywood, und Bertelmann ging beherzt durch diese Tür.
Denn sein Stil erwies sich international als gefragt. Bertelmann ist nicht der Mann für klassische Orchester-soundtracks mit großen ausladenden Themen und süffigen Orchestrationen, seine Soundtracks bewegen sich zwischen Minimal Music und Klangtüfteleien, sind oft delikat, transparent, sensibel. Bertelmann scheint auf kein Genre festgelegt: Er hat Thriller wie „Hotel Mumbai“und Caroline Links „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“vertont, aber auch die Neufassung von „Im Namen der Rose“und Serien wie „Patrick Melrose“. Dass er oft ein Mann für die leisen Töne ist, merkt man seiner immer wieder brachialen Musik zu „Im Westen nichts Neues“aber nun gar nicht an – hier ist sie akustischer Teil der Überwältigungsmaschinerie Kino.
Glücklich in Hollywood
Er habe die Chance, nach Hollywood zu gehen, „als unglaubliches Glück empfunden“, sagt Bertelmann. Denn dort seien nicht nur die Budgets auch für die Musik höher, ebenso sei deren Stellenwert im Film oft ein größerer. Dass er nun vielleicht just für einen deutschen Film den Oscar gewinnt, mag man als Ironie ansehen. Mit dem British Academy Film Award ist er dafür bereits ausgezeichnet worden. Aber vor allem ist dem 57-Jährigen der kreative Austausch mit den Filmemachern wichtig, und mit Edward Berger hat er sicht- und hörbar kongenial zusammenarbeitet. „Es geht nicht nur um den Star oder den Stoff “, betont Volker Bertelmann, „sondern auch ums Gefühl, dass es einen Nachhall gibt von dem, was du tust“. Im Fall von „Im Westen nichts Neues“ist es sogar ein Donnerhall.