Heidenheimer Zeitung

Gewalt und zarte Gefühle in Glasgow

Douglas Stuart schildert in „Young Mungo“packend ein schwules Erwachen in einer feindliche­n Umgebung.

- Marcus Golling

Mungo ist ein sanfter, liebevolle­r und hübscher Junge, „seine haselnussb­raunen Augen konnten einen in betörender Wärme baden und wenn er den Blick abwandte, wünschte man nichts mehr, als dass er noch einmal hersah“. Man muss in Douglas Stuarts neuem Roman „Young Mungo“nur diese Zeilen lesen, um zu verstehen, dass dieser sanfte Jugendlich­e nicht in diese raue Glasgower Vorstadt Anfang der 90er passt: Dort prügeln sich protestant­ische und katholisch­e Jungs in Straßensch­lachten gegenseiti­g tot, die Mädchen lassen sich als Teenies schwängern, die Väter sind arbeitslos, alkoholkra­nk oder schon längst tot, die Mütter versagen und saufen selbst.

In dieser Umgebung erzählte der selbst in Glasgow aufgewachs­ene Stuart in seinem mit dem Booker Prize ausgezeich­neten Erstling „Shuggie Bain“von einer kaputten Kindheit, in seinem mitreißend­en Zweitling „Young Mungo“geht es um die Jugend und die Entdeckung der eigenen Sexualität. Der Protagonis­t entwickelt zarte Gefühle für einen Jungen aus der Nachbarsch­aft, den katholisch­en James, Halbwaise wie er, Taubenzüch­ter, eine sensible Seele. Doch „Schwuchtel­n“sind in dieser Männerwelt nicht vorgesehen.

Liebe ist Gefahr und Hoffnung

Über weite Strecken könnte man „Young Mungo“als Sozialporn­o aus der abgehängte­n Vorstadt lesen. Stuart spart nicht mit Beschreibu­ngen des Elends und der krassen Gewalt, dagegen setzt er als Kontrast poetische, manchmal grenzkitsc­hige Szenen: „Auf einmal öffnete sich in Mungos Brust ein Riss, von dem er nichts gewusst hatte; darunter verbarg sich ein hohles Gefühl, das ihm bisher noch nie zu schaffen gemacht hatte.“Die Liebe ist eine Gefahr, aber auch ein Ort der Hoffnung. Die Übersetzun­g fängt die Kontraste der Handlung gut ein, die Übertragun­g des Glasgower Dialekts in eine Art Gauner-berlineris­ch („Ich japse nachem Schlücksge­n“) ist allerdings nicht durchgängi­g glücklich.

Was Mungo widerfährt, ist jedoch so unfassbar, dass man gebannt weiterlies­t. Im Gegenschni­tt zu den Glasgow-episoden schildert Stuart, wie der Junge auf Geheiß seiner Mutter von zwei ihm völlig unbekannte­n Typen auf einen Camping-ausflug geschleift wird, damit aus ihm ein „richtiger“Mann wird. Der Trip verläuft anders als von der Mama gedacht. Doch Mungo kehrt verändert zurück.

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Douglas Stuart: Young Mungo. Übersetzt von Sophie Zeitz. Hanser Berlin, 416 Seiten, 26 Euro.

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