Die Zukunft ist grün und blau
Auch bei privaten Gartenbauern rückt die Klimarise in den Fokus. Experten werben für naturnahe Gärten und fordern in Städten eine Pflicht zur Gebäudebegrünung.
Ein eigenes Haus mit Garten – „das ist ein Privileg“, sagt Reiner Bierig, Geschäftsführer des Landesverbands des Garten-, Landschaftsund Sportplatzbaus (VGL) in Leinfelden-echterdingen. Dabei müsse es keine Highend-oase sein, sondern einfach ein Wohlfühlort. Doch wie sehen Gärten der Zukunft aus? „Nichts ist nachhaltiger als ein schön gestalteter Garten“, meint Bierig. Dass die Privatkunden sensibler für Themen wie Nachhaltigkeit und Klimakrise werden, kann der Vorsitzende des VGL, Martin Joos, bestätigen. „Die Gärten sollen naturnah gestaltet werden. Ich werde nach heimischen oder hitzeresistenten Pflanzen gefragt und auf Parkplätzen soll der Belag sickerungsfähig sein“, stellt der Landschaftsgärtner fest.
Hitzeresistente Pflanzen sind gefragt.
Nicht nur in den Privatgärten, auch auf öffentlichen Flächen und in Gewerbegebieten muss es nach Expertenmeinung dringend grüner werden. „Wir müssen eine grün-blaue-infrastruktur schaffen“, fordert Erhard Schollenberger. Das bedeutet, dass Regenwasser nicht mehr in die Kanalisation fließt, sondern gespeichert wird oder versickert. Das gespeicherte Wasser kann genutzt werden, um Dach- und Fassadenbegrünungen und Pflanzen auf Grünflächen zu bewässern, erklärt der stellvertretende Vorsitzende.
Wie wichtig das Grün im Beton-dschungel deutscher Großstädte ist, betont Schollenberger angesichts des Klimawandels und der intensiven Hitze- und Trockenperioden in jüngster Vergangenheit. „Die Fassadenbegrünungen sind grüne Klimaanlagen“– sie spenden nicht nur Schatten, sondern kühlen durch Verdunstung Gebäudeaußenseiten, die in
Form von Beton, Stein und Metall bis zu 80 Grad heiß werden können.
Blau und grün – dieser Anspruch findet sich in biodiversen Retentionsdächern wieder, die Wasser speichern können und durch ausgewählte Pflanzen und Minibiotope wie Sandlinsen Lebensraum für Insekten und Vögel spenden. Als „Sahnehäubchen“an Ökologie und Nachhaltigkeit bewertet Schollenberger die Kombination mit Pv-anlagen. „Sehr wichtig für die Stadt sind aber auch Bäume. Sie sind Schattenspender, Staubbinder, Sauerstoffkraftwerk“, sagt Schollenberger eine weitere Maßnahme, um die Städte klimafit zu machen. „Eine
Null-flächenversiegelung kann nicht die Lösung sein“, argumentiert auch Joos mit Blick auf Unternehmen, die in Ermangelung an Baufläche ins Ausland abwandern würden.
Bierig, Joos, Schollenberger und die stellvertretende Vorsitzende Uschi App fordern, dass vor allem die öffentliche Hand mehr in die Verantwortung gehen muss. „Wir haben eine Pv-pflicht – wieso aber nicht für Dachbegrünung? Auch das muss verpflichtend werden“, fordert App.
Die Branche des Garten- und Landschaftsbaus erweist sich bisher als krisenstabil. Der Umsatz ist im vergangenen Jahr um 5 Prozent auf 1,93 Milliarden Euro gestiegen, teilt der VGL mit. Selbst ein leichter Rückgang im Privatkundemarkt tat dem dank gut gefüllter Auftragsbücher keinen Abbruch. „Der Ertrag war allerdings nicht so hoch wie gewünscht“, sagt Bierig.
Mit 63 Prozent machen private Hausgärten den größten Anteil am Gesamtumsatz aus. Doch wie lange das so weiter geht, können die Gartenbauer nicht sagen. Noch schrecken viele vor den hohen Kosten nicht zurück, doch irgendwann sei eine Grenze erreicht. Auch bei gewerblichen Kunden sei die Zurückhaltung spürbar. „Wir sind optimistisch – aber nicht euphorisch“, fasst Bierig die Stimmung zusammen.