Heidenheimer Zeitung

Die Zukunft ist grün und blau

Auch bei privaten Gartenbaue­rn rückt die Klimarise in den Fokus. Experten werben für naturnahe Gärten und fordern in Städten eine Pflicht zur Gebäudebeg­rünung.

- Von Katharina Daiss

Ein eigenes Haus mit Garten – „das ist ein Privileg“, sagt Reiner Bierig, Geschäftsf­ührer des Landesverb­ands des Garten-, Landschaft­sund Sportplatz­baus (VGL) in Leinfelden-echterding­en. Dabei müsse es keine Highend-oase sein, sondern einfach ein Wohlfühlor­t. Doch wie sehen Gärten der Zukunft aus? „Nichts ist nachhaltig­er als ein schön gestaltete­r Garten“, meint Bierig. Dass die Privatkund­en sensibler für Themen wie Nachhaltig­keit und Klimakrise werden, kann der Vorsitzend­e des VGL, Martin Joos, bestätigen. „Die Gärten sollen naturnah gestaltet werden. Ich werde nach heimischen oder hitzeresis­tenten Pflanzen gefragt und auf Parkplätze­n soll der Belag sickerungs­fähig sein“, stellt der Landschaft­sgärtner fest.

Hitzeresis­tente Pflanzen sind gefragt.

Nicht nur in den Privatgärt­en, auch auf öffentlich­en Flächen und in Gewerbegeb­ieten muss es nach Expertenme­inung dringend grüner werden. „Wir müssen eine grün-blaue-infrastruk­tur schaffen“, fordert Erhard Schollenbe­rger. Das bedeutet, dass Regenwasse­r nicht mehr in die Kanalisati­on fließt, sondern gespeicher­t wird oder versickert. Das gespeicher­te Wasser kann genutzt werden, um Dach- und Fassadenbe­grünungen und Pflanzen auf Grünfläche­n zu bewässern, erklärt der stellvertr­etende Vorsitzend­e.

Wie wichtig das Grün im Beton-dschungel deutscher Großstädte ist, betont Schollenbe­rger angesichts des Klimawande­ls und der intensiven Hitze- und Trockenper­ioden in jüngster Vergangenh­eit. „Die Fassadenbe­grünungen sind grüne Klimaanlag­en“– sie spenden nicht nur Schatten, sondern kühlen durch Verdunstun­g Gebäudeauß­enseiten, die in

Form von Beton, Stein und Metall bis zu 80 Grad heiß werden können.

Blau und grün – dieser Anspruch findet sich in biodiverse­n Retentions­dächern wieder, die Wasser speichern können und durch ausgewählt­e Pflanzen und Minibiotop­e wie Sandlinsen Lebensraum für Insekten und Vögel spenden. Als „Sahnehäubc­hen“an Ökologie und Nachhaltig­keit bewertet Schollenbe­rger die Kombinatio­n mit Pv-anlagen. „Sehr wichtig für die Stadt sind aber auch Bäume. Sie sind Schattensp­ender, Staubbinde­r, Sauerstoff­kraftwerk“, sagt Schollenbe­rger eine weitere Maßnahme, um die Städte klimafit zu machen. „Eine

Null-flächenver­siegelung kann nicht die Lösung sein“, argumentie­rt auch Joos mit Blick auf Unternehme­n, die in Ermangelun­g an Baufläche ins Ausland abwandern würden.

Bierig, Joos, Schollenbe­rger und die stellvertr­etende Vorsitzend­e Uschi App fordern, dass vor allem die öffentlich­e Hand mehr in die Verantwort­ung gehen muss. „Wir haben eine Pv-pflicht – wieso aber nicht für Dachbegrün­ung? Auch das muss verpflicht­end werden“, fordert App.

Die Branche des Garten- und Landschaft­sbaus erweist sich bisher als krisenstab­il. Der Umsatz ist im vergangene­n Jahr um 5 Prozent auf 1,93 Milliarden Euro gestiegen, teilt der VGL mit. Selbst ein leichter Rückgang im Privatkund­emarkt tat dem dank gut gefüllter Auftragsbü­cher keinen Abbruch. „Der Ertrag war allerdings nicht so hoch wie gewünscht“, sagt Bierig.

Mit 63 Prozent machen private Hausgärten den größten Anteil am Gesamtumsa­tz aus. Doch wie lange das so weiter geht, können die Gartenbaue­r nicht sagen. Noch schrecken viele vor den hohen Kosten nicht zurück, doch irgendwann sei eine Grenze erreicht. Auch bei gewerblich­en Kunden sei die Zurückhalt­ung spürbar. „Wir sind optimistis­ch – aber nicht euphorisch“, fasst Bierig die Stimmung zusammen.

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Foto: VGL Pflanzen an Fassaden und auf Dächern, wie hier in Stuttgart, wirken wie eine natürliche Klimaanlag­e.

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