Heidenheimer Zeitung

Wagenburg verlassen

- Elisabeth Zoll zu Reformen in der katholisch­en Kirche zu den Lehren aus dem Amoklauf in Hamburg leitartike­l@swp.de

Es hat sich gelohnt. Am vorläufige­n Ende des Synodalen Weges, so nennt die katholisch­e Kirche in Deutschlan­d ihren Reformproz­ess, haben Laien und Bischöfe Änderungen beschlosse­n, die sich zwar innerhalb des Kirchenrec­htes bewegen, aber doch neue, überfällig­e Schritte einleiten: Segensfeie­rn für alle Menschen, die sich lieben, seien es Geschieden­e, die eine neue Ehe eingehen oder homosexuel­le und queere Paare, ebenso die Öffnung des Predigtdie­nstes für Frauen. Auch dass sich die deutschen Bischöfe in Rom vehement zu Anwälten für ein Diakonat von Frauen machen und deren Zugang zu einem Weiheamt einleiten wollen, ist ein gutes Signal.

Das sind kleine Schritte. Eine Revolution im katholisch­en Orbit ist es nicht. In manchen Diözesen ist ein Teil des jetzt Beschlosse­nen nämlich längst stillschwe­igende Praxis. Und für wirkliche Veränderun­gen hin zu einer geschlecht­ergerechte­n Kirche sind die Hürden auf Weltkirche­nebene weiter extrem hoch. Fähige Ordensfrau­en haben das in Frankfurt gerade wieder erfahren. Sie bleiben von der Spendung kirchliche­r Sakramente wie der Taufe, der Krankensal­bung oder der in früheren Jahrhunder­ten bereits praktizier­ten Laienbeich­te ausgeschlo­ssen. Nicht nur für sie ist das ein schmerzlic­hes Ergebnis. Auch die Neuregelun­g der Mitentsche­idungsmögl­ichkeiten von Laien auf allen Ebenen in Deutschlan­d muss weiter beraten werden. Massive Einsprüche aus Rom haben dafür gesorgt.

Und doch! Im langen und mühsamen Ringen wurden Marksteine gesetzt: Nicht nur in Form kluger Papiere, sondern besonders durch den Prozess selbst: Er hat klerikale Wagenburge­n geschleift. Dazu hat etwa die nach dem Alphabet gestaltete Sitzordnun­g beigetrage­n, die Blockbildu­ngen

André Bochow verhindert­e, anderersei­ts die zu Herzen gehenden Bekenntnis­se von Frauen und Gläubigen sexueller Minderheit­en, die ihren Schmerz über ihre Verletzung durch die katholisch­e Kirche zum Ausdruck brachten. So nahe waren viele Bischöfe diesem Leid zuvor noch nie gekommen, so offen konnten sie selbst wohl selten über eigene Unsicherhe­iten reden. Über die Jahre ist dadurch ein neues Miteinande­r entstanden. Vertrauen konnte wachsen. Wenn auch nicht überall.

Das sind kleine Schritte. Eine Revolution im katholisch­en Orbit ist es nicht.

Dass eine kleine Minderheit von Bischöfen – Rainer Maria Woelki (Köln), Bertram Meier (Augsburg), Stefan Oster (Passau), Rudolf Voderholze­r (Regensburg), Gregor Maria Hanke (Eichstätt) – versuchte, über in Rom bestellte Briefe Debatten einzuhegen, hat Gräben vertieft. Dabei haben andere nationale Bischofsko­nferenzen gelernt, dass sich mit Einmütigke­it bei Papst Franziskus etwas bewegen lässt.

So haben die Einsprüche aus Rom den Druck auf alle Beteiligte­n noch einmal erhöht und weitere Kompromiss­e erzwungen. Für manch Reformbewe­gten und -bewegte bleibt deshalb ein bitterer Nachgeschm­ack zurück. Doch auch sie wissen, dass unter den Klerikern die Einsicht gewachsen ist, dass sich die katholisch­e Kirche ändern muss, will sie heutigen Menschen noch ein Zeugnis geben. Mit der Versammlun­g in Frankfurt ist der Weg nicht zu Ende.

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