Heidenheimer Zeitung

Kein Platz für Titelträum­e

Bundestrai­ner Hansi Flick will das Wm-debakel abstreifen. Arrivierte Kräfte wie Thomas Müller, Ilkay Gündogan und Manuel Neuer sind erstmal außen vor.

- Zeitung Süddeutsch­en Von Carsten Muth

die hervorrage­nden fußballeri­schen Qualitäten, seine Torgefahr und die Bereitscha­ft zu arbeiten. Und da ist da noch die Sache mit den Toren für die Geschichts­bücher. Die erzielt nämlich bei Leipzig nur Forsberg. 2017 schoss Forsberg gegen die AS Monaco Leipzigs erstes Tor in der Champions League, 2019 traf er in der Nachspielz­eit gegen Benfica Lissabon und zog mit RB zum ersten Mal ins Achtelfina­le der Königsklas­se ein. Dazu gehen auch das 700. und 1000. Tor der Leipziger Klubgeschi­chte auf sein Konto. Und in der Vorsaison köpfte er Leipzig gegen Union Berlin ins Pokalfinal­e.

Schwer angeschlag­en nahm der Bundestrai­ner auf dem Podium Platz. Und für einen Moment herrschte absolute Stille im Pressekonf­erenzraum des Al-bayt-stadions in Katar. Hansi Flick starrte in den Raum hinein, in dem die Journalist­en auf Antworten warteten. Wie nur hatte das passieren können? Deutschlan­d war soeben trotz eines 4:2 gegen Costa Rica bei der Fußball-wm in der Wüste ausgeschie­den. In der Vorrunde. Plausible Erklärunge­n für das sportliche Desaster konnte Flick an jenem Abend des 2. Dezember nicht liefern. Der 58-Jährige wirkte ratlos, seine Zukunft als Bundestrai­ner war ungewiss.

Dreieinhal­b Monate später ist Sportdirek­tor Oliver Bierhoff längst gegangen, Flick noch da. Er soll die Nationalel­f neu ausrichten, die Mannschaft mit dem Publikum versöhnen, das sich in den vergangene­n Jahren abgewendet hat. Wochenlang hatte sich Flick weitgehend aus der Öffentlich­keit zurückgezo­gen, beim Apfelkuche­n-backen mit den Enkeln und mit Yoga-übungen im Weihnachts­urlaub erholt und Abstand gewonnen, wie er der

verriet.

Nun meldet er sich zurück. Ende des Monats stehen die ersten beiden Länderspie­le nach der WM an. Am Samstag, 25. März, trifft das DFB-TEAM in Mainz auf Peru. Drei Tage später folgt ein weiteres Testspiel: in Köln geht es gegen Belgien.

Hansi Flick

Bundestrai­ner

Der Bundestrai­ner weiß: Nicht nur gute Ergebnisse müssen her, auch gute Leistungen. Nur dann wird die Nationalma­nnschaft Fans zurückgewi­nnen. „Das Wichtigste ist, dass wir leidenscha­ftlichen Fußball zeigen. Wenn der Fan merkt, dass wir für Deutschlan­d alles geben und mit Herz spielen, kann die Stimmung schnell wieder umschwinge­n“, sagt der Coach, der sich intensiv mit Bierhoff-nachfolger Rudi Völler austauscht. Gemeinsam wollen sie den Karren wieder flottmache­n. Die Zeit drängt. Schon in 15 Monaten steht die EM im eigenen Land an. Dann möchte die Dfb-auswahl die Zuschauer wieder in ihrem Rücken wissen.

Am Freitag gibt der Bundestrai­ner seinen Kader für den Länderspie­l-doppelpack bekannt. Klar ist: Flick wird gegen Peru und Belgien auf Bayern Münchens Thomas Müller (33) verzichten. Auch Ilkay Gündogan (32, Manchester City) erhält offenbar eine Pause. Die muss seit einigen Wochen auch Manuel Neuer einlegen. Nach seinem Skiunfall wird der Kapitän und einstige Welttorhüt­er voraussich­tlich noch bis zum Sommer ausfallen.

Endgültig geschlosse­n ist die Tür für die Routiniers nicht, versichert Bundestrai­ner Flick. „Ich möchte jüngeren Spielern eine Chance geben“, sagt der Coach. Bayern-routinier Thomas Müller wird nach Absprache mit Flick in dieser Saison – im Juni stehen zwei weitere Länderspie­le an – gar nicht mehr in den Dfb-kreis zurückkehr­en. Das soll frühestens im Herbst erfolgen, falls der Trainer dann Bedarf sieht.

In den Fokus rücken statt der alten Hasen Akteure wie der erfahrene, aber erst 23 Jahre alte Kai Havertz vom FC Chelsea, der sein enormes Potenzial nun auch im Nationalte­am voll ausspielen soll. Havertz gilt als einer der künftigen Führungssp­ieler. Hinzu kommen die Mittelfeld­akteure Joshua Kimmich und Leon Goretzka (beide 28, beide Bayern München) sowie Abwehrhüne Antonio Rüdiger (30, Real Madrid). Im Tor scharren zwei Klasseleut­e mit den Füßen: Marc-andré ter Stegen (30) vom FC Barcelona und Eintracht Frankfurts Kevin Trapp (32). Beide wollen die neue Nummer eins werden.

Top-talente Musiala und Wirtz

Große Hoffnungen ruhen auf Jamal Musiala (20, Bayern) und dem nach Knieverlet­zung wieder fitten Florian Wirtz (19, Bayer Leverkusen). „Wenn sie am Ball sind, geht ein Raunen durchs Stadion“, sagt Flick. Große Talente wie Musiala und Wirtz, daneben „gestandene Weltklasse­spieler“wie Kimmich oder Goretzka – die Mischung stimmt, findet der Bundestrai­ner.

Für große Träume jedoch ist vorerst kein Platz, fügt Flick hinzu. Er betont: „Ich gebe in dieser Phase nicht den Europameis­tertitel als Ziel aus. Dafür gibt es keine Garantie.“

Ob auf oder neben dem Platz. Serge Gnabry ist ein Mann für die besonderen Auftritte. Das Champions-league-rückspiel seines FC Bayern entschied der Angreifer jüngst mit dem Tor zum 2:0. Für Aufsehen hat der Nationalsp­ieler kürzlich auch bei der Fashion-week in Paris gesorgt, dort dem Vernehmen nach in seinen High-fashionout­fits sogar einigen Models die Show gestohlen. Sein Arbeitgebe­r fand den Ausflug seines modebewuss­ten Angestellt­en nicht wirklich schön, sondern „amateurhaf­t“. Profis wie Gnabry sollten an ihren freien Tagen nicht irgendwo „herumturne­n“, sondern sich regenerier­en, polterte Bayern-sportvorst­and Hasan Salihamidz­ic.

Patrick Köppchen muss derlei Zurechtwei­sungen nicht befürchten. Er hat seine Sportlerka­rriere beendet und ist sein eigener Boss. Der 42-Jährige entwirft Hüte. Eigentlich wollte der ehemalige Eishockey-nationalsp­ieler nach seiner Laufbahn Fitness-coach werden. „Aber ich hatte schon immer ein großes Faible für Mode“, sagt der Mann, der für die München Barons und den ERC Ingolstadt auf dem Eis stand.

Günstig sind Köppchen-modelle nicht. Für seine aus Filz gefertigte­n Hüte muss man etwa 600 Euro hinblätter­n, die Varianten aus Stroh liegen bei 400 Euro. Die Geschäfte laufen gut. Zu seinen Kunden gehören auch einige Profisport­ler, sagt der Hutmacher. Ob Serge Gnabry dazu gehört, ist nicht bekannt.

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