Heidenheimer Zeitung

Krach und Krisen überstande­n

Vor zehn Jahren, im April 2013, ist die AFD in Baden-württember­g gegründet worden. Seit 2016 ist sie im Stuttgarte­r Landtag vertreten.

- Von Theo Westermann

Es hätte auch anders laufen können mit der AFD, ist Bernd Kölmel überzeugt. Wenn die AFD bei der Bundestags­wahl 2013 knapp über fünf Prozent erreicht hätte und nicht bei 4,7 Prozent gelandet wäre, dann „wäre die Geschichte der AFD anders zu schreiben“. Dann wären Leute fest am Ruder gewesen, die „vorzeigbar und medial ganz anders zu präsentier­en gewesen wären“, verankert in der rechten Mitte, so der einstige Gründungsv­orsitzende der AFD im Land.

Die Mitglieder strömten

Kölmel, 2022 als Referatsle­iter am Landesrech­nungshof in Ruhestand gegangen, war 30 Jahre lang Christdemo­krat. 2012 trat er aus der CDU aus, wegen der Europapoli­tik. Den „Rest“habe ihm die Bemerkung Angela Merkels gegeben, die Euro-rettungspo­litik sei „alternativ­los“.

Einen Tag nachdem Wirtschaft­sprofessor Bernd Lucke und andere die AFD im Februar 2013 gegründet hatten, meldete sich Kölmel dort. Kurz danach war er mit dem Aufbau des Landesverb­ands beauftragt.

Damals strömten die Mitglieder. Beim Gründungsp­arteitag am 22. April 2013 in Karlsruhe herrschte Aufbruchst­immung. Doch, so Kölmel: Man sei gleich mit der „unerfreuli­chen Realität“konfrontie­rt worden. „Nicht alle Mitglieder waren konstrukti­v unterwegs, das hat sich dann wie ein roter Faden durchgezog­en.“

2015 trat Kölmel, inzwischen Europaabge­ordneter, nach der Niederlage des Lucke-lagers beim Parteitag in Essen wie tausende andere aus. „Den Radikalen und Unvernünft­igen war es gelungen, eine Koalition zu schmieden.“Kölmel folgte Bernd Lucke für zwei Jahre in die neue Partei „Liberal-konservati­ve Reformer“, während die Flüchtling­skrise die AFD wieder nach oben brachte – bis heute.

Krisen, Streit und Umbrüche sind ein Kontinuum in der Geschichte des Afd-landesverb­andes, gleichzeit­ig blieben die Wahlergebn­isse zwischen 8 und 15 Prozent.

Für den Bundestags­abgeordnet­en Markus Frohnmaier ist die Bilanz positiv: „Die größte und historisch wichtigste Leistung der AFD ist, dass wir Millionen von Bürgern, die sich nicht mehr durch die anderen Parteien repräsenti­ert fühlen, eine Stimme gegeben haben und damit Hoffnung für die Demokratie. Ob Euro-rettung, Flüchtling­skrise oder Corona-politik – man kann sich nicht ausmalen, wie stark der Diskurs in unserem Land verengt wäre, hätte es nicht mindestens eine

Partei gegeben, die deutliche Kritik geäußert hätte.“

In dieser Zeit hat die AFD einige Landesvors­itzende verschliss­en. Auf Bernd Kölmel folgte 2015 zuerst ein Trio aus Jörg Meuthen, Lothar Maier und Bernd Grimmer. Der Europaabge­ordnete Meuthen, später Afd-bundesvors­itzender, trat 2022 aus der AFD aus und in die Kleinstpar­tei Zentrum ein. Mit seinem Namen ist auch die kurzzeitig­e Spaltung der Afd-landtagsfr­aktion 2016 verbunden.

Nach einer Doppelspit­ze aus Bernd Gögel und Dirk Spaniel folgte 2020 Alice Weidel. Sie führte den Landesverb­and zwei Jahre in ruhigere Fahrwasser, ein Spendenska­ndal hing ihr aber an wie ein Klotz am Bein. Im Juli 2022 kamen Markus Frohnmaier und der Landtagsab­geordnete Emil Sänze ans Ruder.

Gruppen und Grüppchen rangen seit dem Start der Partei um

Einfluss. Der Verfassung­sschutz wurde angesichts mancherlei Verflechtu­ng und deckungsgl­eicher Argumentat­ionen eines Teils der Partei mit dem rechtsextr­emen Lager bald auch im Südwesten auf die Partei aufmerksam. Das mündete im Juli 2022 in die Einstufung als rechtsextr­emistische­r „Verdachtsf­all“.

Abrechnung zum Abschied

Im September 2022 trat der Reutlinger Kreisvorsi­tzende Ingo Reetzke aus der Partei aus. „Querulante­n, Verschwöru­ngstheoret­iker, Extremiste­n und vor allem Opportunis­ten, welche diese aus machttakti­schen Gründen dulden, haben inzwischen nicht mehr nur an den Stammtisch­en die Mehrheit, sondern auch auf Parteitage­n“, schrieb er zum Abschied.

Das sieht Markus Frohnmaier naturgemäß anders, den Weggang von Mitglieder­n bedauert aber auch er. „Es gibt den Weggang einiger ehemaliger Parteifreu­nde, den ich sehr bedauere und der mich auch traurig gemacht hat. Dann gab es aber wiederum Leute, die ihren Weggang maximal destruktiv gestaltet und plötzlich das Märchen vom Rechtsextr­emismus in der AFD erzählt haben, um nicht zuzugeben, dass sie innerparte­iliche Machtkämpf­e geführt und verloren haben.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany