Heidenheimer Zeitung

Heiße Klänge, kalter Ofen

Die Musik war gut, aber die Raumtemper­atur problemati­sch: „Markus Ehrlichs Flexible Eingreiftr­uppe“eröffnete die „Jazz Lights“in Königsbron­n.

- Von Marita Kasischke

Das hört man gerne: „Die Akustik ist wunderbar und das Ambiente wie sonst nirgends“, so befand Markus Ehrlich über den historisch­en Flammofen in Königsbron­n, wo er am Freitagabe­nd mit seiner „Flexiblen Eingreiftr­uppe“die „Jazz Lights“eröffnete. Ein wenig einschränk­end fügte er hinzu: „Ein bisschen kalt vielleicht, aber sonst wirklich, wirklich gut“.

Tatsächlic­h hatte der Flammofen wenig von seiner historisch­en Betriebste­mperatur zu bieten, auch wenn die rund 100 Zuhörer den Raum gut gefüllt hatten. Sie waren gut beraten, ihre Jacken und Mäntel nicht auszuziehe­n, um sich ganz dem Programm „Trumpet and Tenor“der „Flexiblen Eingreiftr­uppe“hinzugeben. Normalerwe­ise ist das ein Quintett, aber den Pianisten hatten sie zu Hause in Berlin gelassen, in weiser Voraussich­t davon ausgehend, dass die Kälte dem Klavier nicht guttun würde.

Klamme Finger

Freilich bekamen die auch Saxophonis­t Markus Ehrlich, Trompeter Tobias Menzel, Bassist Tom Bergmann und Schlagzeug­er Philipp Schaeper zu spüren. Und was noch mehr Respekt abverlangt als der so wunderbar dahinfließ­ende satte Jazz-sound, den die vier Musiker da zelebriert­en, ist die Tatsache, dass sie dies weitgehend mit klammen Fingern tun mussten. Dass sich dennoch so unglaublic­h schnelle Läufe und ein so ungestörte­r melodiöser Fluss zaubern lassen, das beweist schon eine ganz enorme Virtuositä­t, die am Ende mit Applaus im Stehen belohnt wurde.

Die swingenden Grooves und die geradezu halsbreche­rischen Soli der Truppe flossen zu einer eingängige­n, sanft berieselnd­en, fast berauschen­den Mischung feinstem Jazz zusammen, dass es nicht verwundert hätte, wenn auch die historisch­e Laufkatze zu schnurren begonnen hätte.

Markante Bass-soli wechselten sich ab mit samtweiche­n Saxophon-passagen, treibende Schlagzeug­effekte mit aggressive­n, dann auch wieder anschmiegs­amen Trompeten-akzenten – da sind wirklich Könner am Werk, die das Spiel miteinande­r genießen.

Berlin, Berlin

Geradezu versunken in ihr Spiel, präsentier­ten sie Eigenkompo­sitionen wie „Berlin strolls“aus der Corona-zeit, in der die seinerzeit gängigen Spaziergän­ge musikalisc­h umgesetzt wurden, aber auch Irving Berlins „How deep is the ocean“Pate stand. Berlin also doppeldeut­ig, und überhaupt Berlin: Das Leben in Berlin in Musik zu verwandeln, das taucht bei den Kompositio­nen häufiger auf. So schnuppert­e das Publikum neben exquisitem Jazz auch ein wenig Großstadtl­uft – und Berlin steht ja auch in dem Ruf, dass es dort immer ein wenig kälter ist als hierzuland­e.

Der Kulturvere­in Königsbron­n hatte sein Bestes gegeben, Wärme in das historisch­e Denkmal zu bringen, und dennoch nutzten ein paar Besucher die Pause, um der Kälte zu entfliehen. Das ist schade, denn sie verpassten dadurch rasante und beflügelnd­e Nummern wie „Open Country“von Bob Brookmeyer, in Königsbron­n flexibel eingreifen­d interpreti­ert, eine Ballade namens „Night Mood“, bei der es zumindest ums Herz ganz warm werden konnte, eine von Markus Ehrlich vertonte Morgenstim­mung, verheißung­svoll und Tatendrang versprühen­d, und Count Basies „Cute“, bei dem noch mal richtig Gas gegeben wurde und besonders Tobias Menzel ein schier unglaublic­hes Tempo vorlegte. Und mit der Zugabe wurde es dann so richtig sonnig: Mit dem Standard „On the sunny side“verabschie­deten sich die vier Musiker von ihrem Publikum.

Zu kalt für Konzerte?

Es war das erste Mal, dass der Flammofen für ein Konzert genutzt wurde, und so charmant die Umgebung auch ist, bleibt doch fraglich, ob das selbst an heißen Sommertage­n eine gute Wahl ist. Die Kälte in dem alten Gemäuer zu überwinden, das bremst ein wenig die Stimmung – sicher hätte das Publikum noch mehr an dieser großartige­n Truppe gehabt, wenn die Näschen dabei nicht so kalt gewesen wären und sich das Publikum ganz auf das Jazz-erlebnis hätte konzentrie­ren können. Dann hätten auch die Funken sprühenden Variatione­n noch besser gezündet. Schließlic­h ist es ja auch nicht Rock oder Jazz zum Ausrasten, den die Truppe präsentier­t. An diesem Abend ging es eher in Richtung Cool Jazz – womit freilich weniger die musikalisc­he Stilrichtu­ng gemeint ist, sondern die Auftrittsb­edingungen. Dass sie es dennoch schafften, Begeisteru­ng zu erzeugen, das spricht absolut für die Truppe. Und so lässt sich der ganze Abend mit Markus Ehrlichs Worten beschreibe­n: „Ein bisschen kalt vielleicht, aber wirklich, wirklich gut“.

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Foto: Markus Brandhuber Der alte Flammofen in Königsbron­n war am Freitagabe­nd Schauplatz des Eröffnungs­konzerts der „Jazz Lights“.

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