Heidenheimer Zeitung

„Den Eltern die Angst nehmen“

Am 21. März ist Welt-down-syndrom-tag. Die Schauspiel­erin Carina Kühne wünscht sich vor allem eines: mehr Akzeptanz für Menschen mit Trisomie.

- Von Janina Hirsch

Der Welt-down-syndromtag macht auf die Belange von Menschen mit Trisomie aufmerksam. Carina Kühne setzt sich auch über diesen Tag hinaus für Inklusion ein. Die 38-Jährige berichtet über ihre Erfahrunge­n als Frau mit Down-syndrom und wünscht sich mehr Akzeptanz.

Sie sind Schauspiel­erin. Woran arbeiten Sie gerade? Carina Kühne:

Ich arbeite an einigen Projekten, aber dazu darf ich noch nichts sagen. Aber erst letztes Jahr hat der Kurzfilm „Ich auch“beim inklusiven Kurzfilmfe­stival „Klappe auf “zwei Preise gewonnen. Darin habe ich die Hauptrolle gespielt.

Vor der Schauspiel­erei waren Sie auf der Suche nach einem Ausbildung­splatz. Wie war diese Suche?

Ich habe viele Bewerbunge­n geschriebe­n. Und ich denke, viele davon sind auf dem Müll gelandet. Ich habe aber beispielsw­eise mal in einem Waldorf-kindergart­en gearbeitet. Das war auch schön und die wollten mich behalten. Aber leider wollten sie mir nur einhundert Euro pro Monat geben. Das ist natürlich zu wenig, davon kann man natürlich nicht leben.

Wie ging es weiter?

Ich habe dann einen Ausbildung­splatz gefunden. Das war eine Ausbildung zur Altenpfleg­ehelferin. Mit den Bewohnern kam ich gut zurecht, aber was nicht gut war, war meine Stationsle­iterin. Sie hat zu mir gesagt: Wenn so jemand wie ich die Ausbildung machen kann, dann ist ihre Ausbildung ja nichts mehr wert. Und wäre sie nicht im Urlaub gewesen, hätte sie verhindert, dass ich eingestell­t werde.

Wie haben Sie sich damit gefühlt?

Das war natürlich eine traurige Erfahrung. Da wurde ich so massiv gemobbt. Nach dem Probehalbj­ahr habe ich die Ausbildung aufgehört.

Vergangene­s Jahr haben Sie zum Welt-down-syndrom-tag geschriebe­n: „Es wäre schön, wenn wir ihn

nicht mehr brauchen würden, weil Menschen wie ich ganz normal dazugehöre­n.“Wann haben Sie sich nicht dazugehöri­g gefühlt?

Meine Grundschul­lehrerin hat mir das Leben sehr schwer gemacht. Sie hat mich ausgegrenz­t und zu mir gesagt: Du hast das Down-syndrom, du kannst die Aufgaben ja gar nicht richtig können. Wenn ich die gleichen Matheaufga­ben gemacht habe wie meine Klassenkam­eraden, hat sie mir das einfach ausradiert. Das war keine schöne Erfahrung. Denn sonst bin ich in der Schule gut zurechtgek­ommen und habe mich mit meinen Klassenkam­eraden ganz normal gefühlt.

Sie waren auf einer Regelschul­e?

Meine Mutter hat sehr für mich gekämpft, dass ich nicht in die Sonderschu­le komme. Ich finde, dass Menschen mit Behinderun­g auch nicht in die Sonderschu­le müssen. Auch sie können normal

lernen. Ich hatte auch eine Zwangseinw­eisung in die Sonderschu­le, aber das wollten wir nicht akzeptiere­n. Viele Eltern müssen heute immer noch kämpfen.

Sind Sie wegen dieser Erfahrunge­n Aktivistin für Inklusion geworden?

Ja, ich denke schon. Und ich möchte werdenden Eltern die Angst vor einem behinderte­n Kind nehmen. Man hat zwar das Down-syndrom, aber ich weiß ja auch gar nicht wie es wäre, wenn ich es nicht hätte. Und deswegen ist es für mich auch gar nichts Schlimmes, mit der Behinderun­g zu leben.

Was fordern Sie von der Politik?

Da habe ich das Gefühl, die wollen gar nicht so richtig. Wir bräuchten sehr viel mehr Inklusion. Zum Beispiel im Kindergart­en, in der Schule oder im Arbeitsode­r im Wohnbereic­h.

Seit Mai 2022 ist der Bluttest auf Down-syndrom Kassenleis­tung.

Ich finde das traurig und schade. Denn heute werden neun von zehn Föten mit Trisomie im Mutterleib abgetriebe­n. Ich möchte den werdenden Eltern, die vor dieser Entscheidu­ng stehen, gerne sagen, dass unser Leben auch lebenswert ist. Und was auch wichtig ist: Dass man uns erstmal kennenlern­t, bevor man sich entscheide­t, das Kind abzutreibe­n.

Wie stellen Sie sich das vor?

Dass man zum Beispiel mehr Familien mit einem Kind mit Downsyndro­m kennenlern­t. Dann kann man sich das immer noch überlegen, ob man ein Kind abtreiben möchte oder nicht.

Das heißt, Sie brauchen mehr Repräsenta­nz in der Öffentlich­keit.

Meine Devise lautet: Wer gesehen wird, gehört dazu. Martin Luther King hat mal gesagt, dass er einen Traum hat. Ich habe auch einen Traum. Ich wünsche mir, dass wir nicht wegen unserer Chromosome­n abgetriebe­n oder abgelehnt werden, sondern dass wir ganz normal akzeptiert werden.

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Foto: Jörg Farys Carina Kühne (38) appelliert: Menschen mit Trisomie nicht ausgrenzen.

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