Heidenheimer Zeitung

Liebes Augenmaß,

- Jens Eber

wenn in der Politik von Dir die Rede ist, bedeutet das in der Regel, dass es noch keinen genauen Plan gibt. Wer „Wir müssen Politik mit Augenmaß machen“sagt, will damit eigentlich mitteilen, dass man ein Vorhaben bis zu dem Punkt ausreizen wird, an dem es Wählerstim­men zu kosten droht. Augenmaß bedeutet hier, dass man rechtzeiti­g auf die Bremse tritt, bevor Unmut entsteht. So ähnlich jedenfalls.

Du, wertes Augenmaß, bist aber auch auf vielerlei anderen Gebieten gefragt. Beispiel Bäumefälle­n: Da braucht es gescheites Augenmaß, wenn der oder die Holzfällen­de einen Baum zwischen anderen Bäumen durchjucke­ln soll. Fehlt es hier am Augenmaß, bleibt der Baum hängen oder trifft des Försters Dackel. Beides ist unangenehm.

Allerdings bist du, wertgeschä­tztes Augenmaß, weder gottgegebe­n noch genetisch verankert. Man muss dich erwerben. Und das ist womöglich sogar im wörtlichen Sinne zu sehen. Beispiel Römerstraß­e: Sie wurde im November nach gefühlt so langer Bauzeit wieder geöffnet, dass mancher schon vermutete, die Römer höchstselb­st hätten dereinst ihre Sanierung begonnen.

Nun ist auch in diesem Straßenabs­chnitt der Radstreife­n zwischen Fahrbahn und Stellplätz­e geklemmt worden. Und weil manche Autofahrer Angst vor Radfahrern haben, halten sie beim Parken maximalen Abstand zum Radstreife­n.

Das geht – Stichwort: Augenmaß – leider ziemlich oft schief, sodass Autos mit dem halben Blechkorpu­s auf dem Gehweg stehen. Sollte es dafür Knöllchen geben, wäre das sicher ein Anreiz, noch etwas mehr Augenmaß zu erwerben.

Aber Du liest das ja eh nicht.

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