Wie auf einem Basar
Es dauert nicht mehr lange, dann wird die Grenze Russlands zur Nato auf einen Schlag um 1300 Kilometer wachsen: Finnland darf der Nato beitreten. Was als großer symbolischer Schritt geplant war, – nämlich die gemeinsame Aufnahme mit Schweden – hat die Nato allerdings verstolpert. Erst nach zähen Verhandlungen geben die Türkei und Ungarn wohl grünes Licht für Finnland. Schweden muss noch warten.
Wie gespalten ist das Bündnis, gerade in Zeiten des Ukraine-krieges, in denen von westlicher Seite stets die Notwendigkeit betont wird, Einigkeit zu zeigen? Um diese Frage beantworten zu können, lohnt ein Blick auf die beiden Staaten, die sich als Blockierer gefallen, während die anderen 28 Nato-staaten den Beitritt Finnlands und Schwedens binnen weniger Monate durchgewinkt haben.
Dass den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und den ungarischen Regierungschef Viktor Orban eine gewisse Russlandnähe verbindet, gibt der ganzen Entwicklung zwar eine besondere Note. Es stehen ansonsten jedoch unterschiedliche Motive hinter ihrem Verhalten, denen eines gemein ist: Sie haben mit der Nato-erweiterung selbst nicht das Geringste zu tun. Den Streit um den Beitritt muss man sich vielmehr als Basar vorstellen. Als Ringen um einen Preis.
Vonseiten der Türkei stellt die Blockade ein willkommenes Mittel dar, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Zum einen innenpolitisch. Erdogans Vorwurf, Schweden würde kurdische Terroristen beherbergen, dürfte seine konservativen Anhänger daheim zuverlässig in Wallung bringen und ihm Stimmen bei der Wahl Mitte Mai sichern.
Zum anderen hat Erdogan auch strategische außenpolitische Ziele.
Seit einigen Jahren ist er dabei, die Türkei als regionales Schwergewicht zu positionieren. In Syrien mischt er mit, in Libyen, aber eben auch auf der großen Bühne, etwa als Vermittler des Getreide-exportabkommens zwischen Moskau und Kiew. Die Blockade der Nato-erweiterung wirkt insofern auch als Machtdemonstration: Seht her, selbst das größte Verteidigungsbündnis der Welt tanzt nach meiner Pfeife.
Auch Ungarn kocht in der Beitrittsfrage sein eigenes Süppchen. Ministerpräsident
Rein strategisch betrachtet ist der Beitritt Finnlands jedoch ohne Zweifel der wichtigere.
Orban will mit seiner Politik die Freigabe von Eu-geldern erpressen, die wegen Rechtsstaatsbedenken von Brüssel zurückgehalten werden. Auch das hat mit der Nato selbst nicht das Geringste zu tun.
Dass er nicht mehr als ein Trittbrettfahrer ist, sieht man daran, dass demnächst nun auch das ungarische Parlament wohl die Nato-erweiterung durch Finnland durchwinken wird.
Finnland und Schweden werden damit nicht wie geplant gleichzeitig in die Nato eintreten. Man kann das getrost als Misserfolg eines als symbolisch aufgeladenen Schritts ansehen. Rein strategisch betrachtet ist der Beitritt Finnlands jedoch ohne Zweifel der wichtigere, schon allein wegen der langen Grenze mit Russland. Schweden kann vorübergehend auch durch Sicherheitsgarantien der Natostaaten unterstützt werden. Hier kann die Nato zeigen, dass sie sich nicht als Basar missbrauchen lässt.