Heidenheimer Zeitung

Grünheide verspricht Wachstum

Die Gigafactor­y östlich von Berlin ist eine der vielen Produktion­sstätten des E-autobauers. Experten zufolge könnte der Standort das Us-werk Fremont überholen.

- Von Katharina Schmidt

Eingerahmt in schwarz-rotgoldene Herzchen kündigte Elon Musk am 12. November 2019 auf Twitter seinen Angriff auf die deutsche Autoindust­rie an. Der Us-autobauer Tesla werde in der Nähe des Flughafens Berlin-brandenbur­g seine „Gigafactor­y 4“bauen. Und Elon Musk drückte aufs Tempo und treibt seither die deutschen Hersteller noch stärker vor sich her als zuvor. Im vergangene­n Jahr belegten die Tesla-modelle Y mit 35 426 Neuzulassu­ngen und Model mit 33 841 Neuzulassu­ngen Platz eins und zwei in der Hitliste der meistverka­uften E-autos in Deutschlan­d.

Dabei ist die Tesla-fabrik in Grünheide erst vor einem Jahr gestartet. Die dortige Gigafactor­y hat zwar die Marke von 500 000 produziert­en Fahrzeuge pro Jahr noch lange nicht geknackt, doch das Ziel einfach schon verdoppelt. So zumindest steht es im neuen Genehmigun­gsantrag für die neue Ausbaustuf­e: Tesla in Brandenbur­g will Produktion­skapazität­en für eine Million Autos pro Jahr schaffen. Aktuell rollen pro Woche etwa 4000 Model Y vom Band der Fabrik am östlichen Rand Berlins. Die Mitarbeite­rzahl erhöht sich monatlich um einige Hundert. Momentan sollen in Grünheide 10 000 Menschen für Tesla arbeiten.

Giga Berlin, wie Tesla-chef Elon Musk das Werk in Brandenbur­g nennt, hat auf der Welt mehrere Geschwiste­r – etwa die Gigafactor­y 3 im chinesisch­en Shanghai. Nun soll ein neues Werk in Mexiko entstehen. Laut der örtlichen Politik soll es die am schnellste­n errichtete und größte Fabrik der Welt sein.

Nur 600 Kilometer davon entfernt, hinter der Us-grenze, steht im Bundesstaa­t Texas die Gigafactor­y

5, die wie das Werk in Grünheide im vergangene­n Jahr mit der Produktion begonnen hat. Und dann gibt es neben einer Batterieze­llenfabrik in Nevada und einer Photovolta­ikfabrik in Buffalo noch das Ur-werk des Autobauers in Fremont (Kalifornie­n). Die Tesla-fabriken haben teilweise verschiede­ne Schwerpunk­te und tragen in unterschie­dlichem Maß zur Gesamtprod­uktion der Marke bei.

Die Angaben, wie viel die einzelnen Fabriken pro Jahr produziere­n können, schwanken und werden von den internatio­nalen Fachmagazi­nen unterschie­dlich beziffert. Vom Stammwerk in Fremont heißt es bei Inside EVS, es habe die Voraussetz­ung, 650 000 Autos pro Jahr herstellen – die Maximalsch­ätzung entspricht jedoch nicht der tatsächlic­hen Produktion. Die jüngsten Tesla-fabriken in Brandenbur­g und Texas weisen laut Magazin mit je

250 000 Teslas im Jahr eine deutlich geringere maximale Kapazität auf.

Doch der Wirtschaft­swissensch­aftler und Automobile­xperte Ferdinand Dudenhöffe­r ist da optimistis­ch: Die Fabrik in Fremont, die einmal zu General Motors gehörte, sei eine „alte“Fabrik. „Von daher sehe ich die Chance, dass Grünheide mehr produziert als Fremont. Es kommt natürlich auch etwas auf die Kostenstru­kturen und die Regulierun­gen in Deutschlan­d an. Aber sollte das stimmen – wobei der Strompreis sicher ein Problem werden könnte – kann Grünheide größer als Fremont werden.“

Zur Schwester-fabrik auf der anderen Seite des Globus, im chinesisch­en Shanghai, wird Grünheide wohl nicht aufschließ­en können, vermutet der Wirtschaft­swissensch­aftler. „Shanghai ist hocheffizi­ent. Dort macht Tesla seine besten Margen.“Die mögliche Produktion­skapazität der chinesisch­en Gigafactor­y wird laut Inside EVS auf 750 000 E-autos pro Jahr, also am höchsten von allen Fabriken, geschätzt.

Bislang rollt in Grünheide einzig der Elektro-suv Model Y vom Band. Wer eher an einem kleineren Auto wie dem Model 3 interessie­rt ist, muss sich dieses aus Shanghai oder Fremont liefern lassen. Nichtsdest­otrotz wird mit dem Model Y die derzeit populärste Variante des Elektroaut­os produziert. „SUV ist das große Thema“, so Ferdinand Dudenhöffe­r.

Mehr als 40 Prozent der Pkwneuwage­n in Deutschlan­d seien SUV, während die Mittelklas­selimousin­en wie das Model 3 nur 10 Prozent einnehmen. Daher ginge laut Dudenhöffe­r auch der Trend beim Elektroaut­o hin zum

SUV. Im texanische­n Austin wird bislang ebenfalls nur der SUV produziert, allerdings soll möglicherw­eise noch 2023 der futuristis­che Cybertruck in Produktion gehen. Ob mit der nächsten Ausbaustuf­e in Grünheide auch eine zweite Produktion­sstrecke kommt, ist bislang noch unklar.

Im vergangene­n Jahr kursierten im Internet Videos, in denen Tesla-besitzer enttäuscht auf verschiede­ne Mängel an ihrem Auto

aufmerksam machen. Ein Teslafahre­r aus Brandenbur­g schilderte diesem Nachrichte­nportal, dass er aus Shanghai statt den USA bestellt hatte, da er die Qualität der dort produziert­en Teslas als höher erachte. „Je neuer ein Werk ist, umso besser ist in der Regel die Qualität der Fahrzeuge“, ordnet Dudenhöffe­r ein. In der Tat seien die chinesisch­en Fabrikate deutlich besser als jene, die bislang in den USA gefertigt worden seien. Wiederum käme in den Vereinigte­n Staaten „jetzt Stück für Stück das neue riesige Werk Austin in Texas in den Produktion­shochlauf “, so der Experte. Damit würde es verschiede­ne Qualitäten bei Us-teslas geben. Für Grünheide als neues Werk sei dies eine Chance, findet Dudenhöffe­r.

Elon Musk kündigte vor kurzem vage Preissenku­ngen für den amerikanis­chen und europäisch­en Markt an – in China sind die Fahrzeuge von Tesla schon länger massiv günstiger. Automobile­xperte Ferdinand Dudenhöffe­r hält die Preispolit­ik für eine völlig neue Art des Vorgehens, „es ist fast schon wie bei Flugticket­s, die mal billiger und mal teurer sein können“.

In den Ländern, in denen die Kunden bereit sind, mehr zu zahlen, seien die Preise eben höher. Dass diese nun in den westlichen Ländern purzeln könnten, stuft Dudenhöffe­r als aggressive­s Vorgehen ein – gerade auf dem deutschen und europäisch­en Markt. Das setze andere Autobauer unter Druck, die bei ähnlich gearteten Preissenku­ngen oft Verluste machen würden. Es sei „ein knallharte­r Wettbewerb, der für alle anderen sehr, sehr hart wird. Tesla versucht nach meiner Einschätzu­ng quasi ein Monopol bei Elektroaut­os mit seinen Preismetho­den und seinem Preis-dumping aufzubauen.“

Fazit: Die Gigafactor­y in Grünheide als noch junges Werk hat noch viel Weg vor sich, um zu den Giganten in Fremont und Shanghai aufzuschli­eßen. China wird dabei wohl immer die Nase vorn haben, doch das Potenzial, um beispielsw­eise mit den amerikanis­chen Werken mitzuhalte­n, scheint gegeben zu sein.

Jede Fabrik hat einen eigenen Schwerpunk­t und trägt unterschie­dlich zum Ergebnis bei.

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Foto: Patrick Pleul/dpa Roboter verschweiß­en die Karosserie eines Elektrofah­rzeuges vom Typ Model Y.
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Foto: Patrick Pleul/dpa Ein neues Elektrofah­rzeug vom Typ Model Y fährt durch das Werk der Tesla Gigafactor­y.

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