Heidenheimer Zeitung

Attraktivi­tät erhöhen

- Dorothee Torebko zur „Leben auf dem Land“-idee von Bauministe­rin Geywitz leitartike­l@swp.de

Die Idee ist nicht schlecht. Weil im ländlichen Raum rund 1,7 Millionen Wohnungen leer stehen und der Neubau in Deutschlan­d stockt, sollen Familien raus aus den proppenvol­len Städten und den ländlichen Raum bevölkern. Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (SPD) hat das jetzt vorgeschla­gen. Damit das gelingt, braucht es mehr Digitalisi­erung und Homeoffice, den Rest soll dann das Deutschlan­dticket richten. Nur ist das so einfach leider nicht.

Dass die Menschen nicht massenhaft in den ländlichen Raum ziehen, hat gute Gründe. Der Raum ist einfach oftmals nicht lebenswert genug. Die Probleme fangen bei der Digitalisi­erung an. Seit Jahren bekommen es die Bundesregi­erungen nicht hin, flächendec­kend schnelles und stabiles Internet zu gewährleis­ten. Zwar hat Corona das Homeoffice gesellscha­ftsfähiger gemacht. Doch das hat nicht dazu geführt, dass es an jeder Milchkanne Internet gibt. Dass Deutschlan­d ein digitales Entwicklun­gsland ist, hat mit dem Zuständigk­eitswirrwa­rr von Bund, Ländern und Kommunen zu tun und damit, dass das Problem viel zu lang ignoriert wurde. Die Quittung bekommen wir jetzt, Aussicht auf Besserung gibt es kaum.

Noch gravierend­er ist die schlechte verkehrste­chnische Anbindung des ländlichen Raums. Die Bundesregi­erung hat die Deutsche Bahn zum Sanierungs­fall erklärt und will die Infrastruk­turproblem­e lösen. Es gibt Pläne, Schienenwe­ge zu reaktivier­en, mehr Ice-halte zu schaffen und das Netz sukzessive auszubauen. Das Problem ist auch hier die Zeit. Es dauert im Schnitt etwa 20 Jahre, bis ein Schienen-großbaupro­jekt umgesetzt ist. Das hat mit fehlenden Baukapazit­äten, den ewigen Planungs- und Genehmigun­gsprozesse­n

sowie Klagemögli­chkeiten zu tun. Teils ist ein Ausbau des Schienenne­tzes von Anwohnern gar nicht gewollt und wird blockiert.

Dass der öffentlich­e Nahverkehr nun durch das bundesweit­e Deutschlan­dticket für viele Menschen günstiger wird, ist eine gute Sache. Doch statt den Nahverkehr zu stärken, könnte die 49-Euro-fahrkarte diesen sogar schwächen. Bereits jetzt haben einige Bundesländ­er und Verkehrsbe­triebe

An vielen Stellschra­uben wird gedreht. Doch längst nicht mit der nötigen Vehemenz – leider.

in Deutschlan­d angekündig­t, dass ihnen das Geld fehlt, um Busund Bahnverbin­dungen aufrechtzu­erhalten. Teilweise haben Verkehrsbe­triebe ihre Fahrpläne sogar schon ausgedünnt.

Wenn es nach dem Willen der Bundesregi­erung geht, sollte der Nahverkehr wachsen statt schrumpfen. Damit das passiert, muss aber mehr in den ÖPNV investiert werden, müssen mehr Rufbusse eingesetzt und digitale Sammeltaxi­s Teil des Nahverkehr­s werden. Es darf nicht sein, dass die Menschen nicht aufs Dorf ziehen, weil sie mangels Taxis abends vom Bahnhof nicht wegkommen.

Erst wenn all das erfüllt ist, wird der ländliche Raum attraktiv und sich die Mietsituat­ion in den Städten entspannen. An vielen Stellschra­uben wird bereits gedreht. Doch längst nicht mit der nötigen Vehemenz und Konsequenz – leider.

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