Attraktivität erhöhen
Die Idee ist nicht schlecht. Weil im ländlichen Raum rund 1,7 Millionen Wohnungen leer stehen und der Neubau in Deutschland stockt, sollen Familien raus aus den proppenvollen Städten und den ländlichen Raum bevölkern. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat das jetzt vorgeschlagen. Damit das gelingt, braucht es mehr Digitalisierung und Homeoffice, den Rest soll dann das Deutschlandticket richten. Nur ist das so einfach leider nicht.
Dass die Menschen nicht massenhaft in den ländlichen Raum ziehen, hat gute Gründe. Der Raum ist einfach oftmals nicht lebenswert genug. Die Probleme fangen bei der Digitalisierung an. Seit Jahren bekommen es die Bundesregierungen nicht hin, flächendeckend schnelles und stabiles Internet zu gewährleisten. Zwar hat Corona das Homeoffice gesellschaftsfähiger gemacht. Doch das hat nicht dazu geführt, dass es an jeder Milchkanne Internet gibt. Dass Deutschland ein digitales Entwicklungsland ist, hat mit dem Zuständigkeitswirrwarr von Bund, Ländern und Kommunen zu tun und damit, dass das Problem viel zu lang ignoriert wurde. Die Quittung bekommen wir jetzt, Aussicht auf Besserung gibt es kaum.
Noch gravierender ist die schlechte verkehrstechnische Anbindung des ländlichen Raums. Die Bundesregierung hat die Deutsche Bahn zum Sanierungsfall erklärt und will die Infrastrukturprobleme lösen. Es gibt Pläne, Schienenwege zu reaktivieren, mehr Ice-halte zu schaffen und das Netz sukzessive auszubauen. Das Problem ist auch hier die Zeit. Es dauert im Schnitt etwa 20 Jahre, bis ein Schienen-großbauprojekt umgesetzt ist. Das hat mit fehlenden Baukapazitäten, den ewigen Planungs- und Genehmigungsprozessen
sowie Klagemöglichkeiten zu tun. Teils ist ein Ausbau des Schienennetzes von Anwohnern gar nicht gewollt und wird blockiert.
Dass der öffentliche Nahverkehr nun durch das bundesweite Deutschlandticket für viele Menschen günstiger wird, ist eine gute Sache. Doch statt den Nahverkehr zu stärken, könnte die 49-Euro-fahrkarte diesen sogar schwächen. Bereits jetzt haben einige Bundesländer und Verkehrsbetriebe
An vielen Stellschrauben wird gedreht. Doch längst nicht mit der nötigen Vehemenz – leider.
in Deutschland angekündigt, dass ihnen das Geld fehlt, um Busund Bahnverbindungen aufrechtzuerhalten. Teilweise haben Verkehrsbetriebe ihre Fahrpläne sogar schon ausgedünnt.
Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, sollte der Nahverkehr wachsen statt schrumpfen. Damit das passiert, muss aber mehr in den ÖPNV investiert werden, müssen mehr Rufbusse eingesetzt und digitale Sammeltaxis Teil des Nahverkehrs werden. Es darf nicht sein, dass die Menschen nicht aufs Dorf ziehen, weil sie mangels Taxis abends vom Bahnhof nicht wegkommen.
Erst wenn all das erfüllt ist, wird der ländliche Raum attraktiv und sich die Mietsituation in den Städten entspannen. An vielen Stellschrauben wird bereits gedreht. Doch längst nicht mit der nötigen Vehemenz und Konsequenz – leider.