Grünes Dilemma
Klar, Umfragen sind nur Momentaufnahmen. Wenn die Südwest-cdu in der Sonntagsfrage von Infratest dimap nun erstmals seit 2017 (knapp) vor den Grünen liegt, müssen bei der Ökopartei trotzdem die Alarmglocken schrillen. Denn seine im Vergleich zur Bundespartei weiter sehr guten Werte verdankt der Landesverband vor allem Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Dessen Amtszeit aber endet spätestens mit der Wahl 2026.
Die Grünen stehen nun vor einem Dilemma: Die Mehrheit der Bürger wünscht, dass Kretschmann sein Amt bis zum Ende der Legislaturperiode ausübt. Das hieße: Die Grünen müssten mit einem Spitzenkandidaten ohne Amtsbonus in die Landtagswahl 2026 ziehen. Aus Parteisicht stellt sich dagegen die Frage des Popularitäts-transfers. Sprich: Wann während der Legislaturperiode muss ein Wechsel
stattfinden, damit ein Nachfolger mit dem Renommee eines gestandenen Regierungschefs in den Wahlkampf ziehen und punkten kann?
Die besten Chancen beim Wahlvolk dürfte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir haben. Das Problem ist nur: Özdemir will sich noch nicht entscheiden. Sein Zuwarten korrespondiert mit Kretschmanns Interessen, aber je weiter die Zeit voranschreitet, umso weniger mit denen der grünen Partei. Die muss spätestens nach den Kommunal- und Europawahlen 2024 einen Fahrplan für den Führungswechsel aufstellen, sonst droht ihr die Zeit davonzurennen. Denn die Probleme, die die Bürger der Landesregierung derzeit anlasten – Schule, Zuwanderung, Verkehr, Klima – werden bis zur Wahl kaum gelöst sein. Keine guten Rahmenbedingungen für eine Partei, die dann 15 Jahre lang den Regierungschef gestellt haben wird.