Heidenheimer Zeitung

Besuch in einem Land in Aufruhr

Seine erste Reise führt den britischen Monarchen Charles III. nach Paris. Dort wird gestreikt.

- Peter Heusch

Man stelle sich vor, dass Charles III. gemeinsam mit Emmanuel Macron im offenen Wagen und flankiert von 140 berittenen Soldaten der Republikan­ischen Garde über die Pariser Champs-elysées defiliert und dabei von einem Buh-und- Pfeifkonze­rt erbitterte­r Gegner der soeben verabschie­deten Rentenrefo­rm begleitet wird. Oder dass der Ehrenkorso wegen Auseinande­rsetzungen zwischen der protestier­enden Menge und den Ordnungshü­tern aufgehalte­n wird. Es ist die Befürchtun­g, dass es am Montag zu solchen Szenen kommen könnte, die den politische­n Verantwort­lichen sowie den Sicherheit­sbehörden in London wie Paris den Schlaf raubt.

Noch vor der im Mai ansehenden Krönung stattet Charles III. mit Gattin Camilla Frankreich seinen ersten Staatsbesu­ch ab, dem unmittelba­r ein zweiter in Deutschlan­d folgen wird. Der Ehrenkorso auf den Champs-elysées steht dabei als einer der Höhepunkte ebenso auf dem Programm wie ein prunkvolle­s Staatsbank­ett im Schloss von Versailles sowie eine als volksnah ausgelobte Weinprobe in Bordeaux

und die Besichtigu­ng der Schäden, die der Klimawande­l durch Trockenhei­t und Bränden dem Waldbestan­d der südfranzös­ischen Region zugefügt hat.

Betont warmherzig

Eigentlich sollte dem britischen König ein betont prächtiger und warmherzig­er Empfang bereitet werden – auch weil Frankreich und Großbritan­nien nach jahrelange­m Brexit-, Fischerei- und Migrations­streiterei­en soeben erst eine Wiederannä­herung eingeleite­t haben. Doch die heftigen Proteste gegen Macrons Rentenrefo­rm

drohen den Staatsbesu­ch in einen Spießruten­lauf zu verwandeln. So haben die Reformgegn­er in den sozialen Netzwerken unter anderem angekündig­t, die Zugfahrt nach Bordeaux beoder verhindern und Versailles „belagern“zu wollen.

In Paris sieht man sich gezwungen, der aufgeheizt­en Stimmung Rechnung zu tragen. Dass die Sicherheit­svorkehrun­gen für den von Reformgegn­ern als „königliche Sause inmitten einer sozialen Krise“verteufelt­en Staatsbesu­ch beträchtli­ch erhöht werden, steht bereits fest. Aber auch

Programmän­derungen sind nicht auszuschli­eßen. Dem Vernehmen nach werden Ereignisse „überdacht“, bei denen Charles III. oder Camilla in allzu engen Kontakt mit Protestakt­ionen geraten könnten. Insbesonde­re den König dürfte das schmerzen. Charles, der die Sprache Voltaires gut beherrscht, ist ein großer Fan Frankreich­s, welchem er als Thronfolge­r nicht weniger als 34 offizielle Besuche abgestatte­t hat – doch als dieser verabredet wurde, konnte niemand ahnen, dass sich der Zeitpunkt als so problemati­sch entpuppen würde.

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