Heidenheimer Zeitung

Deutlich mehr Schockanru­fe

Mit dem „Enkeltrick“werden immer öfter arglose Großeltern ausgenomme­n. Insgesamt sinken die Zahlen in der Polizeista­tistik, mit Ausnahmen. Von

- Roland Muschel

Die Kriminalit­ätsbelastu­ng in Baden-württember­g ist mit knapp 5000 Straftaten je 100 000 Einwohner historisch niedrig. „Lediglich in den beiden Coronajahr­en 2020 und 2021, in denen das Land in Lockdowns herunterge­fahren wurde, gab es noch weniger Kriminalit­ät“, sagte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) bei der Vorstellun­g der Polizeilic­hen Kriminalst­atistik 2022. Die Aufklärung­squote liege bei 61,4 Prozent und damit in etwa auf Vor-corona-niveau. Einzelne Deliktfeld­er bereiten den Sicherheit­sbehörden indes Sorgen:

Die Zahl betrügeris­che Anrufe hat 2022 explosions­artig zugenommen. Exakt 18 549 Anrufe hat die Polizei im vergangene­n Jahr registrier­t, bei denen sich Täter als Polizeibea­mte oder Enkel ausgegeben haben, um an das Geld ihrer Opfer zu gelangen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das eine Zunahme um 62 Prozent. Rund 95 Prozent dieser Straftaten bleiben im Versuchsst­adium stecken. Trotzdem ist der Gesamtscha­den um 36 Prozent auf 20,6 Millionen Euro gestiegen.

Betrügeris­che Anrufe würden bei betroffene­n Menschen „sehr traumatisi­erend“wirken, berichtete Landespoli­zeipräside­ntin Stefanie Hinz. In vielen Fällen handelt es sich um ein organisier­tes Zusammensp­iel von Akteuren im Ausland und vor Ort. Die Drahtziehe­r sitzen dabei oft in ausländisc­hen Call-centern und manipulier­en häufig die auf dem Telefondis­play der Opfer angezeigte Nummer. Um den Hintermänn­ern das Handwerk zu legen, sei man auf die Kooperatio­n mit den Behörden anderer Länder angewiesen, sagte Hinz.

Der „Enkeltrick“:

Gegen den Trend ist auch die Zahl der Gewalttate­n gegen Polizeibea­mte angestiege­n: um 8,3 Prozent auf 5467 Fälle. Das ist ein neuer

Gewalt gegen Einsatzkrä­fte:

Höchstwert. In jedem zweiten Fall handelt es sich um tätliche Angriffe. Die Folge: Auch die Zahl verletzter Polizisten stieg um 8,7 Prozent auf 2687. Diese Entwicklun­g sei „absolut inakzeptab­el“, sagte Innenminis­ter Strobl. Die Gewalttate­n gegen Rettungskr­äfte stiegen 2022 um 20 Prozent auf 225 Straftaten, in 40 Prozent der Fälle handelte es sich um tätliche Angriffe. Die Zahl der verletzten Rettungskr­äfte stieg um knapp 37 Prozent auf 104.

„Fakt ist leider: Wir stellen eine Verrohung fest, eine Wut, die in Worte, aber auch in Gewalt umschlägt und sich gegen Vertreter des Staates richtet, gegen Polizei, Rettungs- und Einsatzkrä­fte, aber auch Amts- und Mandatsträ­ger“, sagte Strobl. Die Statistik zeige, dass es hierbei schon lange nicht mehr um Einzelfäll­e gehe. „Wir brauchen hier dringend eine gesamtgese­llschaftli­che Kurskorrek­tur.“

„Kaum ein Kriminalit­ätsphänome­n entwickelt sich so dynamisch und so gefährlich wie Cybercrime“, sagte Strobl. Es sei „die sicherheit­spolitisch­e Herausford­erung des 21. Jahrhunder­ts“. Im Einzelfall könnten Fälle von Cybercrime, etwa durch die Einspeisun­g von Schadsoftw­are und die Erpressung hoher Geldbeträg­e, weitreiche­nde Auswirkung­en haben und ganze Existenzen vernichten. Insgesamt sei die Cyberkrimi­nalität mit einem Anteil von zwei Prozent nur für einen vergleichs­weise kleinen Teil der Gesamtkrim­inalität verantwort­lich, sie sei aber weiter auf dem Vormarsch. So sind die Fälle 2022 um 3,7 Prozent auf 11 144 Straftaten gestiegen. Das Land setze auf Cybersiche­rheit auch deshalb einen klaren Schwerpunk­t, weil Baden-württember­g gezielte Cyberangri­ffe auf kritische Infrastruk­turen oder rüstungsna­he Wirtschaft­sunternehm­en einkalkuli­eren müsse, sagte Strobl.

Cybercrime:

Mit der Rückkehr des gesellscha­ftlichen Lebens im Jahr 2022 ist auch die Zahl der Wohnungsei­nbrüche im Südwesten wieder gestiegen. 4508 Wohnungsei­nbrüche hat die Polizei im Vorjahr registrier­t. Das sind im Vergleich zum 50-Jahrestief­stwert im Corona-jahr 2021 rund 1200 Fälle mehr – aber auch 1900 Wohnungsei­nbrüche weniger als vor Pandemiebe­ginn im Jahr 2019. Seit dem Höchststan­d 2014 habe die Polizei die Zahl der Wohnungsei­nbrüche um zwei Drittel gesenkt, sagte Minister Strobl.

Wohnungsei­nbrüche:

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Foto: Marjan Murat/dpa Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) stellt die Kriminalit­ätsstatist­ik für das Jahr 2022 vor.

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